Arbeitsrecht: Kündigungen in Zeiten von Social Media
Eine Kündigung per WhatsApp-Nachricht an die Arbeitnehmer*in schicken, das reicht laut aktuellem OGH-Urteil für die Einhaltung der Kündigungsfrist nicht aus. In Zeiten von Social Media stellt sich die Frage: Welche Form der digitalen Zustellung einer Kündigung ist rechtmäßig und worauf muss man achten, damit sich Fristen nicht verschieben? Wir haben bei Rechtsanwalt Thomas Schweiger nachgefragt.
Sachverhalt zur Kündigung per Messanger Dienst #
Eine Kündigung, die gescannt und als Bild per WhatsApp-Nachricht an eine Arbeitnehmerin zugestellt wurde, war 2015 der Anlassfall für das Urteil des Obersten Gerichtshofes. Eine Zahnärztin hatte das Dokument zum Monatsletzten per WhatsApp-Nachricht an die Dienstnehmerin zugestellt, das Original traf erst vier Tage später per Post ein. Nach Ansicht des OGH reicht es nicht aus, die unterschriebene und fotografierte bzw. gescannte Kündigung per Messenger der Dienstnehmer*in zuzustellen. Langt das Original der Kündigung erst am darauffolgenden Monatsbeginn per Post bei der gekündigten Arbeitnehmer*in ein, verschiebt sich die Kündigungsfrist dementsprechend.
Zustellung per Messenger-Dienst nicht ausreichend #
"Ein bloß über WhatsApp auf das Smartphone der Empfänger*in übermitteltes Foto der Kündigungserklärung erfüllt die vorstehenden Zwecke schon deshalb nicht, weil es die Empfänger*in der Nachricht ohne weitere Ausstattung und technisches Wissen nicht ausdrucken kann. Erhält die Empfänger*in keinen Ausdruck der Kündigung in die Hand und kann er auch nicht leicht den Ausdruck vom Foto des Dokuments bewerkstelligen und sich damit selbst ein physisches Schriftstück herstellen, ist auch nicht ausreichend gewährleistet, dass der Empfänger allein aus dem auf dem Smartphone ersichtlichen Foto des Schriftstücks den Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnehmen kann", erklärt Rechtsanwalt Thomas Schweiger.
Welche Schriftform muss eine Kündigung erfüllen? Was, wenn es keinen Kollektivvertrag gibt, der die Form regelt? #
Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die an sich an keine Form gebunden ist. Die Formgebundenheit kann sich nur aus Sonderregelungen (z.B. bei Lehrlingen - schriftliche Kündigung; Kollektivvertrag oder auch Regelungen für Vertragsbedienstete) ergeben. An sich kann daher, wenn keine Sonderregelung besteht, die Kündigung in jeder Form erfolgen:
- Mündlich in Anwesenheit des Dienstgebers bzw. -vertreters,
- telefonisch,
- per Email
- oder eingeschriebenem Brief.
Muss ich meine Kündigung unterschreiben?
Wenn nichts anderes im Kollektiv- oder Dienstvertrag vereinbart, gibt es keine bestimmte Form der Kündigung. Aus Beweisgründen ist die Empfehlung immer schriftlich zu kündigen. Dabei reicht eine einfach Email. Eine Unterschrift ist dabei nicht notwendig.
Ein Kollektivvertrag oder ein auf den Arbeitsvertrag anwendbareres Gesetz oder auch der Arbeitsvertrag kann verbindlich festlegen, dass eine Kündigung schriftlich zu erfolgen hat. In so einem Fall ist eine Kündigung nur dann wirksam, wenn sie auch tatsächlich schriftlich erfolgt, und der Vertragspartner*in (Dienstgeber oder Dienstnehmer*in) auch zugeht. Die Schriftlichkeit bedeutet in diesem Fall auch, dass nicht nur das Dokument schriftlich sein muss, sondern die Kündigung auch unterschrieben sein muss. Schriftlichkeit bedeutet rechtlich "Unterschriftlichkeit". Das Erfordernis der Schriftform soll schon ganz allgemein gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können.
Wie sieht es aus mit Kündigungen über E-Mail oder soziale Medien - reicht eine private Nachricht über Facebook oder andere Netzwerke?
#
Da Kündigungen keiner besonderen Form bedürfen - ausgenommen sind die oben genannten Einschränkungen - ist es auch möglich, eine Kündigung über soziale Medien auszusprechen oder z.B. per SMS einen Arbeitsvertrag aufzulösen. Die Problematik, die in diesem Zusammenhang besteht ist, dass die Kündigung der Vertragspartner*in zugehen muss, um Wirksamkeit zu erlangen. Die Kündigungsfrist beginnt immer erst mit dem Zugang der Erklärung. Den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung muss die*der Kündigende in einem Streitfall unter Umständen beweisen. Wenn daher z.B. die Kündigung vorab per Facebook am letzten Tag des Monats übermittelt wird, und dann das Original nach dem Monatsende zugeht, und z.B. nicht nachgewiesen werden kann, dass die Kündigung per Facebook der Empfänger*in zugegangen ist (weil er*sie darauf nicht reagiert hat), dann kann sich dadurch die Kündigungsfrist um ein Monat verschieben.
Das gilt sowohl für Arbeitnehmer*innen-, als auch Arbeitgeber Kündigungen.
Und wenn sich ein Postversand aus zeitlichen Gründen nicht ausgeht?
#
Die Kündigung muss der*dem Gekündigten zugehen. Eine Willenserklärung geht der Empfänger*in dann zu, wenn sie in den Machtbereich der Empfänger*in gelangt (z.B. in ihren Postkasten). Unter normalen Umständen ist dann mit der Kenntnisnahme zu rechnen.
Für „moderne Medien“ normiert § 12 Ecommerce-Gesetz, dass elektronische Vertragserklärungen, andere rechtlich erhebliche elektronische Erklärungen und elektronische Empfangsbestätigungen als zugegangen gelten, wenn sie die Partei, für die sie bestimmt sind, unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann. Gleich wie in der analogen Welt gilt daher der „Zugang“ mit dem „Einwurf in den Briefkasten“, wenn unter normalen Umständen damit gerechnet werden kann, dass die Empfänger*in noch am selben Tag von der Erklärung Kenntnis erlangt. Wird ein Brief erst am Abend in den Briefkasten eingeworfen, dann geht er auch erst am nächsten Tag zu. Ähnliches muss daher gelten, wenn Emails oder andere elektronische Erklärungen am Ende des Tages in das elektronische Zustellsystem abgelegt werden, und die Versender*in nicht damit rechnen kann, dass die Empfänger*in den Abruf noch am selben Tag tätigt.
„Für einen potenziellen Streitfall ist es wichtig, dass der Zugang der Erklärung nachgewiesen werden kann.“
Geht sich daher der Postversand, eventuell mittels Einschreiben, nicht mehr aus, dann bleibt die Möglichkeit der persönlichen Übergabe - am sinnvollsten im Beisein von Zeugen. Möglich ist auch eine Kündigung per Telefon, unter Umständen mit Konferenzschaltung, um einen Beweis durch Zeugen erbringen zu können. Es ist auch zu empfehlen, sämtliche anderen Kommunikationskanäle zu verwenden. Wenn die Kündigungserklärung der Empfänger*in tatsächlich vor dem Stichtag (Monatsende; 15. des Monats) – gleich in welcher Form auch immer – zugeht, dann ist sie auch rechtswirksam und setzt die Kündigungsfrist in Gang. Anderes gilt nur, wenn sich die Formbedürftigkeit aus Gesetz, Kollektivvertrag oder Sondervereinbarung zwischen den Parteien ergibt, und die Wirksamkeit der Erklärung von der Erfüllung der Form abhängig ist. Wichtig ist in jedem Fall, dass für einen potenziellen Streitfall der Zugang der Erklärung an die Empfänger*in nachgewiesen werden kann.
Sarah Chlebowski
Content Managerin
Mehr erfahren