Jobmarkt Kreative Bewerbungen gehören zu den schwierigsten und risikoreichsten Formen der Jobsuche.
STEFANIE ENGE
Auffallen, sich von der Masse abheben und den Personalchef beeindrucken – wie sollen all diese Punkte in eine einzelne Bewerbung passen? Die Antwort finden viele Jobsuchende inzwischen in einer aussergewöhnlichen Kreativbewerbung. Und in vielen kreativen Berufen sind sie eher die Regel als die Ausnahme: Bewerbungen sind in diesem Falle sozusagen die erste Arbeitsprobe.
Doch auch in anderen Branchen können Kreativbewerbungen dem Personalchef ein positives Gefühl entlocken – sofern sie nicht aufdringlich gestaltet wurden. “Je nach Fachbereich und Branche macht es mehr oder weniger Sinn”, sagt Michel Kaufmann, Leiter Marketing & Product Management bei jobs.ch. Grundsätzlich seien Bewerbungen, die aus dem Rahmen fallen, bei kreativen Jobs angebracht – der Kandidat zeige damit, was er auf dem Kasten hat. “Bei ausgeschriebenen Stellen mit grosser Nachfrage ist eine Prise Kreativität aber auch nicht verkehrt. Das ist eine gute Möglichkeit, aus der Masse hervorzustechen.”
Den richtigen Spagat zwischen professionell und auffällig zu finden, ist schwer, aber nicht unmöglich. Passend zu seinem Beruf als Web Product Manager hat sich zum Beispiel der Franzose Philippe Dubost eine aussergewöhnliche Bewerbung ausgedacht. Statt seinen Lebenslauf an verschiedene Firmen zu schicken, hat er seine Fähigkeiten wie eine Produktbeschreibung bei Online-Händler Amazon als Webseite angelegt und sich so selbst als Objekt zum Verkauf angeboten. Seine Ausbildung und seine Erfahrungen finden sich unter www.phildub.com als Produktdetails wieder. Sogar Bewertungen hat das “Produkt” bekommen: Dahinter verstecken sich gute Empfehlungstexte von früheren Arbeitgebern. Dubost hatte mit seinem Konzept Erfolg: Nach nur zwei Monaten und 1,5 Millionen Seitenaufrufen hat er seinen Traumjob bekommen. Die Webseite hat er daraufhin im Amazon-Stil mit dem Hinweis “ausverkauft” aktualisiert.
Warum hatte Dubost Erfolg mit seiner Bewerbung? Er hat seiner Berufsbezeichnung folgend eine Idee stilvoll umgesetzt: Sich in der Position als Web Product Manager selbst als Web-Produkt zum Verkauf anzubieten, war der Schlüssel. “Die Art der Bewerbung sollte zum Jobprofil passen. Was etwa im Marketing Sinn macht, passt eventuell in einem anderen Bereich weniger”, so Swisscom-Sprecher Sepp Huber. “Passend können auch ein Video oder andere visuelle Auftritte sein, die das Motivationsschreiben ersetzen.”
Auch im Videospielbereich können besondere Bewerbungen erfolgreich sein: Für einen Job beim Entwicklerstudio Double Fine hat der deutsche Spiele-Designer Marius Fietzek das kleine Spiel “The Applicant” programmiert, das sein Bewerbungsgespräch im Unternehmen simuliert. Der Spieler übernimmt die Rolle des Personalchefs und löchert Fietzek mit vielen Fragen. Die Antworten treffen dabei den Humor von alten Spielen wie “Monkey Island”, die der Chef von Double Fine, Tim Schafer, entwickelt hat. Aus diesem Grund hat Schafer auch nicht lange gezögert, um Fietzek einzustellen. Die gute Nachricht hat Fietzek in einer Fortsetzungssequenz des kleinen Spiels verbreitet. Darin freut sich sein Alter-Ego und fängt an zu tanzen, wird aber von Tim Schafer unterbrochen und zurück an seinen Schreibtisch zitiert.
Doch nicht immer führen aussergewöhnliche Ideen zum Erfolg. “Wenn eine Person nicht authentisch ist und sich die originelle Idee sozusagen ‹kauft›, ist der kreative Weg nicht angebracht”, erklärt Michel Kaufmann. Der Bewerber verkaufe sich so bereits im ersten Prozessschritt für etwas, was er nicht ist. “Keine gute Grundlage für eine mögliche Zusammenarbeit.” Bewerber sollten sich überlegen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Person, die im Unternehmen die erste Auswahl trifft, ihre “Kreativität” überhaupt beurteilen kann. “Im ersten Schritt werden Bewerbungen häufig von der HR-Abteilung sondiert, und die eigentlichen Entscheider werden gar nicht erreicht.” Heisst: Wenn man den Chef einer Firma beeindrucken will und sich etwas überlegt hat, das ihm gefallen könnte, finden das die Entscheider in der Vorauswahl vielleicht nicht so gut. Auch wer auf Teufel komm raus unbedingt kreativ sein will, sollte vorsichtig damit sein. “Es ist nicht leicht, wirklich originell zu sein. Das kann rasch aufgesetzt wirken”, so Kaufmann.
Ein bekanntes Negativbeispiel ist jenes einer Dame, die einen Föhn mit den Worten “Ich bringe frischen Wind in Ihr Unternehmen” eingereicht hatte. Der Arbeitgeber fand diese Idee nicht witzig und schickte den Föhn mit der Antwort “Heisse Luft können wir selber produzieren” zurück. Im Idealfall sollte der Bewerber immer wissen, ob die Firma offen für kreative Anschreiben ist. “Auffallen heisst immer auch, ein gewisses Risiko einzugehen. Polarisiert die Bewerbung, ist das im besten Fall ein Freipass in die erste Bewerbungsrunde – im schlechtesten führt sie zu einer eindeutigen Absage”, so Kaufmann weiter. Daher solle man sich nur dann für eine kreative Bewerbung entscheiden, wenn man absolut dahinter steht. Eine Alternative könne seiner Meinung nach sein, nach dem ersten Gespräch etwas Kreatives nachzuliefern, um bei den Gesprächspartnern in Erinnerung zu bleiben.
Seit die sozialen Netzwerke wie Facebook populär geworden sind, haben sich Unternehmen ihre Bewerber auch auf diesen Plattformen genauer angeguckt, bevor es zu Bewerbungsgesprächen kam. Aus diesem Grund hat der Amerikaner Brandon Kleinman ein öffentliches Fotoalbum auf seinem Facebook-Profil angelegt. Auf verschiedenen Tafelbildern sind seine Qualifikationen zu sehen. Ausserdem erklärt er, warum er der Richtige für den Job ist – und spricht seinen Arbeitgeber direkt an. Diese personalisierte Bewerbungsmethode funktioniert allerdings nur, wenn man sich parallel nicht für mehrere Arbeitsplätze bewirbt.
Bevor man anfängt, an seiner kreativen Bewerbung zu schreiben oder zu dekorieren, sollte man herausfinden, ob sein Wunscharbeitgeber auch offen für etwas Unkonventionelles ist. “Ein Blick auf die Unternehmenswebsite gepaart mit ausführlicher Online-Recherche schafft schnell ein Bild über die Ausrichtung des Wunscharbeitgebers”, so Jürgen Smid, geschäftsführender Gesellschafter von karriere.at, Österreichs grösstem Jobportal. Noch besser sei ein persönlicher Kontakt im Unternehmen, der darüber Auskunft geben kann. “Im Zweifelsfall gilt: Je klassischer die vom Unternehmen gewählte Recruitingmethode, umso eher sollte man auf kreative Elemente verzichten.”
Viele Unternehmen setzen inzwischen auf vorgefertigte Online-Formulare, die die Jobanwärter ausfüllen müssen. So ist es einfacher, die Bewerber zu vergleichen, da sich alle in derselben Form präsentieren. Beim Nahrungsmittelkonzern Nestlé spielen Kreativbewerbungen deshalb zum Beispiel keine Rolle. Der Grund hierfür sei, dass die Bewerbungen über ein Online-Bewerbungsportal eingereicht werden. Dabei hätten die Bewerber nur wenig Spielraum für aussergewöhnliche Gestaltungselemente. Anders ist das beim Touristikunternehmen TUI Suisse: “Eine Person, welche sich für die Aufgabe als Reiseberater bewarb, sandte uns eine musikalisch untermalte Bilderpräsentation von Ferienorten zu. Diese Orte hatte die Person bereits besucht. Damit wollte sie die Vielfalt der Kenntnisse aufzeigen”, so Roland Schmid, Mediensprecher bei TUI Suisse. “Obwohl die Show ausserordentlich gut gemacht war, kam es nicht zur Anstellung. Die fachliche Qualifikation reichte leider nicht aus.” Eine allgemeine Regel für die Gestaltung einer Bewerbung gebe es nicht im Unternehmen. “Sie machen Freude beim ersten Anblick, doch dann zählt der Inhalt der Bewerbung und die Persönlichkeit des Menschen.”
Ob nun eine klassische oder eine kreative Bewerbung zu mehr Erfolg führt, lässt sich somit nicht klar abgrenzen. Je nach Branche und Unternehmen ändert sich die Auffassung des Wortes “originell”. Michel Kaufmann meint dazu: “Man sollte sich im Klaren darüber sein, dass dies auch immer ein gewisses Risiko birgt. Wer es aber mit einer guten Idee und aus Überzeugung heraus tut, kann durchaus seine Chancen verbessern.”
Quelle: Handelszeitung, 17. Juli 2014