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Aufrüstung auf der Visitkarte

16.08.2016

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Warum aus Bereichsleitern immer öfter Chefs werden, akademische Titel weniger relevant sind, aber der Status wichtiger ist als früher. Ein Blick auf die neue schräge Welt der Jobtitel.

Im Sommer haben sie Hochsaison. Vom Kaffeekochen bis zur Mitarbeit an wichtigen Projekten schnuppern sie hinein in die Bürowelt. Was sie über die meist karge Bezahlung hinwegtröstet – sie gehen neuerdings mit einem Titel nach Hause, der sich im Lebenslauf gut macht: Young Professional Officer (YPO). Klingt doch gleich viel besser als Praktikant.

Beim Studieren von Stellenanzeigen fällt der massive Gebrauch englischer Jobtitel ins Auge. Hauptgrund ist wohl eine verstärkte internationale Verflechtung im Geschäft und damit eine leichtere Verständlichkeit. Daneben verortet Christoph Weissenböck von karriere.at aber eine starke Dominanz junger Branchen: “Sehr viele Jobs entstehen derzeit im Tech-, IT- und Onlinebereich oder im Marketing. Hier werden die Funktionsbezeichnungen aus dem angloamerikanischen Raum übernommen.“

Oft bilden auch die tradierten Bezeichnungen die konkrete Aufgabe nicht mehr korrekt ab. Wenn eine Handelskette einen “Visual Merchandiser“ sucht, hat das mit der Schaufensterdekoration von früher wenig gemein. Wo welche Ware den Kunden im Geschäft anlacht, ist heute weniger das Ergebnis kreativer Prozesse denn knallharter Berechnung. Nur konsequent, dass aus dem Filialleiter dann auch ein “Senior Store Manager“ wird.

“Generell stellen wir fest, dass durch den Trend zu flacheren Hierarchien die jeweilige Tätigkeit im Titel stärker betont wird“, so Weissenböck. Hilfreich ist ein aussagekräftiger Titel auch aus ganz profanen Gründen. Wo die Stellenausschreibung primär online passiert, wird aus dem Jobtitel die Schlagzeile – der Aspirant soll nicht erst im dritten Absatz verstehen, wofür er sich bewirbt.

Das hohe C. Immer neue Titelkreationen sind auch in großen Organisationen zu beobachten, wenn es um die Vorstandsetage geht: den C-Level. CEO, CFO und CTO (Chief Executive/Financial/Technology Officer) bekommen Zuwachs: vom “Chief Sales Officer“, dem “Chief Strategy Officer“ oder gar dem “Chief Philanthropy Officer“, der Spenden sammelt. Schön langsam gehen die Buchstabenkombinationen aus.

Besonders oft gesucht werden aktuell “Chief Innovation Officer“, “Chief Customer Experience Officer“ oder “Chief Digital Officer“ – die Digitalisierung treibt die Konzerne um. “Auf Kundenseite beobachten wir einen durchaus inflationären Einsatz dieser neuen Funktionsbezeichnungen oder, wie man es auch nennen könnte, ‚Upgrades‘. Der C-Level wird dabei stark erweitert“, beobachtet Andreas Landgrebe von Boyden Executive Search. Unabhängig von Aufgabengebieten drücke das C eine besondere Wertschätzung aus: “Eingesetzt wird das, um jemandem eine Freude zu machen. Ein klingender Titel suggeriert Mehrwert und erzeugt Begehrlichkeit. Schon Maria Theresia wusste, dass ein Titel oft genauso gut ist wie mehr Gehalt“, sagt er. Der solcherart “erweiterte“ Vorstand bildet aber noch keine gesellschaftsrechtliche Ordnung ab. Früher wäre dieselbe Funktion wohl mit “Bereichsleitung“ ausgewiesen worden.

Wie wichtig den Bewerbern eine Positionsbezeichnung für Visitenkarte und E-Mail-Signatur sein kann, beobachtet auch Florens Eblinger von der gleichnamigen Personalberatung, wenn es an die finalen Vertragsverhandlungen geht: “Da wird aus dem Finanzleiter dann schon einmal der, Director Finance‘. Auf das lassen sich Unternehmen gern ein, wenn es denn zur Firmenkultur passt.“ Solche Statusbekundungen sind heute vielen wichtiger als akademische Grade auf der Visitkarte. “Durch neue Ausbildungsformen wie Bachelor, Master und PhD ist es fast unzeitgemäß, einen Titel unterhalb des Doktors auf der Karte zu führen“, sagt Landgrebe, “das Gegenüber geht davon aus, dass jemand in einer bestimmten Position einen akademischen Grad hat. Die letzte Titel-Bastion ist der öffentliche Dienst.“

Evangelisten. Besonders kreativ in der Titelfindung ist traditionell die Technologiebranche. Durch den hohen Innovationsgrad war die Notwendigkeit zwar gegeben, Neues zu benennen: Zur ersten Dotcom-Phase waren Verkäufer schon einmal Kreuzritter und arrivierte Konzerne wie IBM glaubten gar, einen “Vice President of Talent“ statt Personalchef haben zu müssen. Wo sich fast die ganze Branche selbst unter Genie-Verdacht gestellt hatte, mussten neue Superlative her. Der ehemalige Apple-Mitarbeiter Guy Kawasaki machte den Begriff “Evangelist“ salonfähig, den heute viele IT-Experten tragen, die für Innovationen im und außerhalb des Unternehmens “missionieren“.

Der forcierte Technologieeinsatz führt aber auch in einst technologiefernen Branchen zu neuen Positionen. Heute werden “Data Scientists“ gesucht – keine Wissenschaftler im eigentliche Sinne, sondern Mitarbeiter, die mit der Konsolidierung und Auswertung von Daten umgehen können. Es gibt Funktionen, die vor einigen Jahren noch nicht einmal im Ansatz sichtbar waren. “Wer dachte vor zehn Jahren, dass man 2016 nicht nur einen, Web Developer‘ für einen Internetauftritt braucht, sondern auch einen, Mobile Developer‘ und im besten Fall eine, User-Experience-Designerin‘? Neue Technologien schaffen so neue Berufstitel“, sagt Corporate-Communications-Manager Weissenböck von karriere.at.

Eblinger beobachtet neue Rollenbilder übrigens auch in der klassischen Industrie, wo Jobprofile in Abteilungen neu entwickelt werden, die man früher so nicht kannte: “Ein, Advanced Purchaser‘ ist sehr nah an der Entwicklung dran, treibt sie aber gemeinsam mit den Lieferanten voran und bringt deren Innovationen in die Firma. Das hat mit dem klassischen Einkäufer nicht mehr viel zu tun.“

In der Start-up-Szene selbst präsentiert man sich heute hingegen gern seriös, ja fast konservativ. Landgrebe: “Das macht im Hinblick auf Partnerschaften mit Konzernen oder der Zusammenarbeit mit Finanzinvestoren ja Sinn. Wenn sie gründen, dann oft eine AG, und eine Drei-Mann-Firma besteht dann eben aus aus drei Vorständen.“

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