Playground Style. Wie eine kreative und abwechslungsreich gestaltete Arbeitsumgebung motivierend wirkt und zugleich zu einem optimalen Ablauf der Prozesse beiträgt: drei Beispiel für Smart Working.
von Wolfgang Pozsogar
Am Ende ihres Arbeitstages kann Martha Bousek auf abwechslungsreiche Stunden zurückblicken. Und das bezieht sich nicht allein auf die beruflichen Herausforderungen: “Ich habe heute am Stehpult und an einem normalen Schreibtisch gearbeitet, war im Meeting-Raum, dann für eine Telekonferenz in einem abgeschlossenen Zimmer, natürlich in der Cafeteria, das war’s glaube ich”, sagt Bousek, die beim Pharmakonzern GlaxoSmithKline für Kommunikation verantwortlich ist.
Der Grund für so viel Abwechslung: GlaxoSmithKline setzt in seinem neuen Wiener Büro auf Smart Working. Die Zeiten, in denen jeder seinen eigenen Schreibtisch samt Stuhl und Stauraum hatte, sind dort vorbei. Auf den 1150 Quadratmetern im neuen Büro in Meidling warten verschiedenste Arbeitsmöglichkeiten vom Schreibtisch über Stehpult bis zur Couch. “Damit soll den unterschiedlichen Tätigkeiten die jeweils beste Umgebungen geboten werden”, erklärt Alexandra Wattie von Moocon, einem Unternehmens- und Objektberater, der das neue Büro konzipiert hat.
Seit Juni werken 80 Innen- und 70 Außendienstmitarbeiter von GlaxoSmithKline in dieser Büroumgebung. Sie haben sich mittlerweile an die abwechslungsreiche Arbeitswelt gewöhnt. Und auch an Regeln, die Grundlage für ein konfliktfreies Miteinander sind. Etwa dass der Arbeitsplatz beim Verlassen komplett zu leeren ist, “nicht einmal ein Post-it darf zurückbleiben”, erzählt Martha Bousek. Reservieren eines Schreibtisches für den nächsten Tag ist ebenfalls unangebracht. Frühaufsteher, die zeitig genug erscheinen und einen um diese Zeit noch freien Arbeitsplatz mit Aussicht auf Wien wählen, können dort für den Rest des Tages bleiben, sagt Bousek: “Das ist kein Problem und ärgert niemanden, da genug attraktive Arbeitsplätze vorhanden sind.” Neben den Arbeitsanforderungen beeinflusse der Geräuschpegel die Platzwahl, so Bousek. Wer Kommunikation benötigt, setzt sich in gemeinsame Bereiche, wer Ruhe braucht, sucht ein stilles Kämmerchen auf.
Vorbilder für diese neue Art des Arbeitens – Activity Based Working -, sind US-Internetkonzerne wie Google. Ein österreichischer Akteur im weltweiten Netz, das Jobportal karriere.at, hat vor der Gestaltung seines neuen Büros die Ideen der großen Brüder in den USA unter die Lupe genommen. Verwirklicht wurde von den Linzern aber eine abgespeckte Version: “Wir kamen zum Schluss, dass manches zu verspielt ist und haben deshalb sozusagen einen erwachsenen Playground Style entwickelt”, erzählt Klaus Hofbauer, Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter des Portals. Das vom Anbieter Hali konzipierte und eingerichtete Büro wirkt jung und frisch, zugleich aber auch stilvoll, “etwa mit traditionellen Holztischen, wie man sie auch zu Hause gern hätte”, sagt Hofbauer. Im Gegensatz zu GlaxoSmithKline ist Desksharing kein wesentliches Thema. “Wir sind überzeugt, dass Mitarbeiter ihren dezidierten Platz haben sollen, sozusagen ihr persönliches Reich”, meint Hofbauer.
Die Highlights des fünfstöckigen Bürogebäudes mit einer Nutzfläche von 2400 Quadratmetern sind gemeinsam genützte Räume: Im vierten Stock etwa gibt es Empfang, Cafeteria und Terrasse, “das ist der repräsentativste Teil des Büros mit Rundblick auf Linz und die Donau, diesen Bereich haben wir unseren Mitarbeitern gewidmet”, erzählt Hofbauer. Die Büros selbst sind sehr offen gestaltet. Für einige wenige Mitarbeiter gibt es Einzelbüros. Und gewechselt werden kann auch, erzählt Klaus Hofbauer: “Wir haben leere Büros, die jeder nutzen kann, der Ruhe braucht, einen Steharbeitsplatz für einen Mitarbeiter mit Bandscheibenproblemen oder Couches, auf denen man sich zusammensetzen kann.”
Die Kommunikationsräume sind auch eine Besonderheit der neuen Büros der Kapsch CarrierCom AG. Nach dem Motto “eben noch im Büro und jetzt in einer anderen Welt” kann man sich hier etwa in einem Boxring, einem Heurigen, einem Jagdzimmer oder einer mongolischen Jurte treffen. Die von einem Innenarchitekten eingerichteten Räume wirken kreativ, manche sogar sehr wohnlich. Die Themen wurden von den Mitarbeitern ausgewählt und sollen die globale Tätigkeit des Unternehmens widerspiegeln.
In den eigentlichen Büros hat jeder Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz. Es sind Gruppenbüros, in denen Teams durch die Anordnung der Schreibtische optimal zusammenarbeiten können. Für viele Mitarbeiter, die vorher in Zellenbüros arbeiteten, war das ein großer Schritt und sie wurden in Workshops mit der Situation am neuen Standort vertraut gemacht. “Ein Google-Büro war nicht Ziel bei der Gestaltung dieser Büroräume”, erklärt Christian Schrotta vom Teamgnesda, der als externer Projektleiter gemeinsam mit Kapsch CarrierCom das Konzept der neuen Büros geschaffen hat. “Mache ich einen zu großen Schritt, verliere ich die Akzeptanz der Mitarbeiter.”
Die Gestaltung von Büros nach diesen Prinzipien erfordert ebenfalls neues Vorgehen, erzählt Jürgen Holler, der für Hali das Projekt karriere.at geplant hat: “Hier geht es nicht um die Frage, welche Möbel benötigt der Kunde, sondern wie schaut sein Organigramm aus, welche Kultur hat sein Unternehmen, welche Prozesse laufen im Büro, was will er verbessern und wie kann die Gestaltung des Büros dazu beitragen.” Anhand dieser Soft Facts werden die Pläne erarbeitet und mit dem Auftraggeber und dessen Mitarbeitern diskutiert. “Ein Büro verändert allerdings nicht die Kultur, es kann nur dazu beitragen, dass sich die Kultur weiterentwickelt und es unterstützt die Organisation, damit Prozesse optimaler ablaufen”, warnt Jürgen Holler vor zu großen Hoffnungen in die neue Form des Arbeitens. Oder anders ausgedrückt: Ein Activity-Based-Working-Büro allein macht aus den Staatsdienern der MA 2412 noch lang kein kreatives Google-Team.
Quelle: Die Presse, 27. September 2014