In der Linzer Tabakfabrik wird ein neuer Start-up-Campus eröffnet, gegründet von den Business Angels der startup300 AG.
Ursprünglich diente ein kleiner Meetingraum in einem Coworking Space als improvisierte Zentrale. Mehr benötigte das im Dezember 2015 in Linz gegründete Business-Angel-Netzwerk startup300 nicht, zu dem 110 heimische Investoren zählen, die in Summe bereits über sieben Millionen Euro in 27 Start-ups gesteckt haben. Die Kommunikation zwischen den Angels erfolgt über WhatsApp, eine Zusammenkunft vor Ort zählt eher zu den Ausnahmen.
Doch dann meldete sich der Linzer Bürgermeister Klaus Luger bei den beiden startup300-Gründern Michael Eisler und Bernhard Lehner. Luger ist gleichzeitig auch Aufsichtsratsvorsitzender der Tabakfabrik Linz -eines riesigen denkmalgeschützten Gebäudekomplexes, in dem bis 2009 Zigaretten produziert wurden und der nun von der Stadt Stück für Stück durch Ansiedlung von Kulturschaffenden, Designern und anderen gestaltenden Berufsgruppen in ein Kreativzentrum umgewandelt wird -„ein international beachtetes Quellgebiet für junge Entrepreneure, wo klassische und kreative Industrien verschmelzen“, wie es Luger nennt. Und dazu zählt für ihn vor allem auch die Start-up-Kultur: „Linz soll die Stadt der Start-ups werden, als europäische Antwort auf die Gründerkultur im Silicon Valley.“
In dieser Mission wandte er sich also an die startup300 AG mit dem Angebot, auf vorerst 700 Quadratmetern einen Start-up-Campus zu eröffnen. Ein Offert, das die heimische Business-Angel-Elite, zu der unter anderen Hansi Hansmann, Michael Altrichter, Gabriel Grabner, Markus Ertler und die vier Runtastic- Gründer zählen, gerne annahm. Unter dem Namen factory300 entsteht auf diese Weise nun quasi ihre neue Firmenzentrale, gerade einmal hundert Meter vom Brucknerhaus Linz entfernt, mitten im sogenannten „Bau 1“ der Tabakfabrik. Es soll ein Ort für Start-up-und Karriereevents, Workshops, Netzwerktreffen, Konferenzen und Beratung sein und wird am 19. Juni feierlich -unter anderem mit einem Besuch von Kanzler Christian Kern -eröffnet.
„Unser Start-up-Campus soll das Wohnzimmer der Tabakfabrik werden“, erklärt startup300-Vorstandsmitglied Lehner, „eine Begegnungszone für Startups, Business Angels, Investoren und klassische Unternehmen.“ Es gehe dabei nicht darum, jene Gründer, an denen die startup300 AG beteiligt ist, auf einer neuen Bürofläche zusammenzuziehen, sondern es soll ein neuer, kreativer Platz für die Ideenfindung geschaffen werden: „Die factory300 wird zur Krabbelstube für ganz junge Start-ups.“ Wenn sie dann größer werden und ein eigenes Kinderzimmer brauchen, so Lehner, gäbe es sicherlich innerhalb der Tabakfabrik mit insgesamt 80.000 Quadratmeter Nutzfläche noch genügend Platz, um sich auszubreiten. Schließlich will ja Bürgermeister Luger mit seiner Initiative auch „neue Arbeitsplätze schaffen und die wirtschaftliche Attraktivität der gesamten Region steigern“.
Für Lehner ist die neue Start-up- Fabrik außerdem eine ideale Möglichkeit, um den Neogründern die Grundlagen des Start-up-Business zu vermitteln, konkret im Laufe von fünf Workshops, von Recht bis Marketing, deren Absolvierung Voraussetzung für ein potenzielles Investment der Business Angels ist.
Zudem soll die innovative Drehscheibe gezielte Anknüpfungspunkte zu Corporates bieten, die Kontakt zu der Start-up-Szene suchen und Interesse an ihrem kreativen Potenzial haben. „Think300“ heißt das Programm dazu, im Rahmen dessen ausgewählte Partner verschiedener Branchen -derzeit sind KPMG, karriere.at, Catalysts und die IV Oberösterreich an Bord – ihr Wissen nicht nur an die Start-ups weitergeben, sondern auch etablierte Unternehmen bei ihrer Suche nach disruptiven Lösungen für neue Produkte und Märkte unterstützen sowie den Zugang zu den innovativen Gründern begleiten.
Für den neuen startup300-Aufsichtsrat Hansmann ist die factory300 „ein tolles Beispiel, was durch partnerschaftliches Zusammenspiel zwischen Politik, privatem Kapital und einem schlagkräftigen Team entstehen kann“. Und Aufsichtsratspräsident Altrichter freut sich vor allem über die neu geschaffenen „Voraussetzungen für einen schnellen, effizienten Finanzierungsprozess“. Schließlich gebe es in Österreich noch viel zu wenig Risikokapital, obwohl das heimische Vermögen derzeit rund 1.400 Milliarden Euro betrage. Einen kleinen Teil dieses Geldes will Altrichter nun durch die neue Begegnungszone für kapitalsuchende Start-ups losschlagen.
Vorstand Lehner denkt sogar noch weiter:“Wenn wir es schaffen, dieses Ecosystem einmal richtig zum Laufen zu bringen, dann wäre es durchaus auch denkbar, in anderen Städten eine factory300 zu gründen.“ Meint er damit nur innerhalb Österreichs oder auch die eine oder andere Stadt Europas?“Alles ist möglich“, lächelt Lehner verschmitzt.
Quelle: trend, 9. Juni 2017