FORMAT-Job-Report: Testen Sie anhand der Pendl-&-Piswanger-Gehaltsstudie, ob Sie fair bezahlt sind. Dazu: Tipps für Gehaltsverhandlungen in der Krise und ein Arbeitsmarktausblick.
Wer sich in diesen Tagen Gedanken um seinen Job und sein Gehalt macht – und wer tut das derzeit nicht –, weiß wahrscheinlich schön langsam nicht mehr, was er von all den Meldungen halten soll. Zu widersprüchlich sind die Signale, zu dicht ist auch noch die Nebelsuppe über der Börsen- und Finanzkrise, um tatsächliche und nachhaltige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ernsthaft zu quantifizieren.
So kommt es also, dass gerade die Metaller-Lohnrunde mit einem im Lichte der Vorjahre nur als satt zu bezeichnenden Gehaltssprung von 3,8 Prozent plus Einmalzahlungen abgeschlossen wurde und die Arbeitslosigkeit im Oktober – ganz entgegen den medial intensiv geschürten Erwartungen – in Österreich noch einmal zurückgegangen ist. Andererseits haben heimische Autozulieferer schon vor der Dramatisierung der Finanzkrise begonnen, massiv Zeitarbeitskräfte abzubauen.
Jetzt müssen dort auch die Stammbelegschaften kurzarbeiten und können nur hoffen, dass die Krise ihre Abnehmer in der Autoindustrie doch nicht so heftig erwischt wie erwartet. Andere Unternehmen, insbesondere heimische Töchter ausländischer Konzerne, verhängen gerade Gehalts- und Aufnahmestopps. Im Einflussbereich der ÖIAG wiederum sorgen Post und Telekom Austria für heftige Aufregung mit ihren umstrittenen Personalabbauplänen – die haben jedoch mit der Finanzkrise höchstens am Rande zu tun, schon eher mit dem Versuch, ein seit Jahren hartnäckig ignoriertes Strukturproblem brachial zu lösen (siehe auch Story ab Seite 10).
Fordern oder zittern?
Da im Herbst traditionsgemäß nicht nur über die Kollektivverträge in den einzelnen Branchen verhandelt, sondern auch auf individueller Ebene um die Gehälter für das kommende Jahr gefeilscht wird, stellt sich für viele Arbeitnehmer in Österreich nun die Frage, ob diese Entwicklungen ihre Hoffnung auf einen verdienten Gehaltssprung zunichte machen oder ob sie sich durch allzu forderndes Auftreten womöglich sogar auf eine Abschussliste manövrieren. Ihrer eigenen Einschätzung nach hätten Österreichs Arbeitnehmer ungeachtet der schwierigen Rahmenbedingungen momentan keinen Grund für falsche Bescheidenheit. Eine aktuelle Umfrage des Karriereportals karriere.at zeigt nämlich, dass sich fast zwei Drittel der Beschäftigten im Verhältnis zu ihrer Leistung unterbezahlt fühlen (siehe auch Grafik S. 89).
In dieser ambivalenten Situation bietet FORMAT eine Reihe von Orientierungshilfen: In den Tabellen auf diesen Seiten finden Sie einen schnellen Überblick über die derzeit am Markt üblichen Gehälter in konkreten Jobs. Diese Gehaltsstudie wurde von der Personal- und Managementberatung Pendl & Piswanger (P&P) in den vergangenen Wochen für FORMAT erstellt. „Die Zahlen spiegeln die Situation auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Monaten wider. Vor allem Spezialisten, Verkäufer und Führungskräfte haben in dieser Markt-engen Zeit oft gutes Geld gemacht“, betont Geschäftsführer Karl Piswanger, dass speziell die angeführten Obergrenzen in schlechter werdenden Zeiten nicht mehr unbedingt als Maßstab taugen müssen.
Wer sich angesichts der Gehaltsdaten als zu Unrecht nur durchschnittlich oder gar unterbezahlt fühlt, sollte das seinem Chef aber durchaus kundtun. Wie Sie sich auf ein Gehaltsgespräch vorbereiten müssen und mit welcher Taktik Sie einer allfälligen Krisenargumentation Ihres Chefs begegnen, wenn dieser jetzt partout nicht mehr Geld herausrücken will, lesen Sie im Kasten links.
Schließlich bietet FORMAT ab Seite 94 dieser Ausgabe auch noch eine volkswirtschaftlich fundierte, ausführliche Analyse des heimischen Arbeitsmarktes und zeigt, welche Branchen in den nächsten Monaten am stärksten vom Jobabbau bedroht sind, aber auch, wo es jetzt Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften gibt.
Gefragte Spezialisten.
„Also ich würde mir Sorgen machen, wenn gute Leute jetzt nicht mehr mit Gehaltsforderungen zu mir kämen“, so die etwas überraschende Ansage von Werner Lanthaler, Finanzvorstand des heimischen Biotech-Unternehmens Intercell. „In der Spitzenforschung und -entwicklung geht es um neue Wertschöpfung, dafür muss man die besten Leute finden“, sagt Lanthaler.
Wie gut die aktuellen Chancen im Gehaltspoker sind, hängt also stark von der Branche und dem Beruf ab. „Es gibt auch Tätigkeiten, deren Bedeutung man sich in der Krise besonders bewusst wird“, meint dazu Personalexperte Christian Havranek von Deloitte Human Capital und nennt als Beispiele dafür Controller, Risk-Management-Experten und Prozessmanager.
Für P&P-Geschäftsführer Karl Piswanger gibt es solche Jobs auch in auf den ersten Blick eher gefährdeten Branchen: „Auch wenn es überraschend klingt, Baukalkulanten werden dringend gesucht.“ Auch Vertriebsspezialisten, Controller und Techniker müssen sich aus seiner Sicht derzeit alles andere als Sorgen um den Job machen. Allerdings kommt es laut Piswanger bei der Bezahlung immer stärker auf die individuelle Leistungsfähigkeit, auf Flexibilität und unverzichtbare Soft Facts wie Präsentations- und Motivationsfähigkeit an als auf die formale Ausbildung. „Unternehmen kaufen Leistung ein, nicht Arbeitszeit, das Gehalt wird viel individualisierter“, so Piswanger.
Online-Jobvermittler Oliver Sonnleithner, Geschäftsführer von karriere.at, beobachtet seit einigen Wochen konkrete Auswirkungen der aktuellen Lage auf die Aktivitäten im Web: „Die Zahl der von den Unternehmen ausgeschriebenen Stellen geht leicht zurück. Dafür steigen die Zugriffszahlen von Jobinteressenten deutlich an.“ Sonnleithner merkt, dass in vielen Firmen derzeit Projekte verschoben und Aufnahmestopps verhängt wurden.
Krisenpanik.
Gerade in psychologischen Kurzschlussreaktionen überforderter Manager, die in ihrer Krisenpanik jetzt personelle Kahlschlagaktionen setzen, um kurzfristig ihre Jahresergebnisse – und damit auch ihre Bonuszahlungen – zu retten, sehen Experten sogar die größere Gefahr für den Arbeitsmarkt als im Übergreifen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft. „Kostenbewusstsein ist eine gute Sache“, sagt Piswanger, „in der aktuellen Situation sind aber auch hysterische Reaktionen und Sparwellen nicht auszuschließen.“ Rupert Petry, Geschäftsführer von Roland Berger in Österreich, meint dazu: „Der erste Reflex in der Krise heißt typischerweise Kostensenkung – und damit verbunden Stellenabbau. Das ist aber zu kurz gedacht.“
Dieser Ansicht ist auch Martin Unger, geschäftsführender Partner der Contrast Management Beratung: „Maßnahmen auf der Kostenseite sind unabdingbar, müssen aber zielgerichtet und ausbalanciert gesetzt werden, um für den Wiederaufschwung vorbereitet zu sein. Wer in der Krise nur auf der Kostenseite agiert, schafft meist auch dann kein Wachstum mehr, wenn der Markt wieder nach oben dreht.“
Sonderfall Managementpositionen.
Den Topmanagern kommt aber nicht nur eine entscheidende Rolle im personalpolitischen Umgang mit der Krise zu, sie zählen auch selbst zu den Betroffenen – manche sogar zu ihren Opfern. „2008 wird für Manager noch ein gutes Jahr mit guten Ergebnissen und Bonifikationen“, konstatiert Andreas Landgrebe, der als Headhunter gerade mit dem Wiener Office von Boyden, einer der weltgrößten Executive-Search-Firmen, durchstartet. Laut P&P-Erhebung verdient ein heimischer Unternehmensvorstand 2008 rund 200.000 Euro – immerhin etwa das Vierfache eines Qualitätsmanagers oder Rechnungswesen-Mitarbeiters oder dreimal so viel wie ein guter Key Account Manager.
Wer als Führungskraft jetzt wechselt – oder sich verändern muss –, tut laut Landgrebe jedenfalls gut daran, sich nicht mit überzogenen Forderungen selbst aus dem Markt zu kicken, und sollte auch bereit sein, höhere variable Gehaltsanteile zu akzeptieren. Managern aus der Finanzbranche, für die es am Arbeitsmarkt nun eng werden könnte, rät Landgrebe, sich auch in anderen Branchen umzusehen, ob dort etwa Vertriebs- und Expansionsexpertise auf umkämpften Märkten gefragt ist (s. auch Kasten links). Auch Deloitte-Experte Havranek mahnt die Manager dazu, bei ihren Gehaltsambitionen Maß zu halten: „Dort, wo es jetzt Sozialpläne und Kündigungen gibt, wäre Zurückhaltung aus taktischen Gründen angebracht.“
Wer sich daran hält, kann sich, ebenso wie alle, die ihre Forderungen trotz taktischer Verhandlungsfinessen doch nicht durchbringen, mit Piswangers zusammenfassender Erkenntnis aus der Gehaltsstudie trösten: „Das Gehaltsniveau in Österreich ist nicht schlecht und durchaus EU-konform – für Manager und für Mitarbeiter.“
(Format)