Trotz Corona: Jede*r Zweite wünscht sich jetzt 30-Stunden-Woche
Weniger arbeiten, mehr Leben – dieses Credo hat sich bei vielen neben anderen Erkenntnissen während des Corona-Lockdowns als zukunftsweisend manifestiert. In unserer Online-Umfrage findet jede*r Zweite: 30 Stunden arbeiten pro Woche sind ideal. Was aber bedeutet eine generelle 30-Stunden-Woche?
Ist Corona die Zeit, um endlich über eine reduzierte Normalarbeitszeit zu diskutieren? #
In unserer Online-Umfrage haben wir 477 Arbeitnehmer*innen und 204 Unternehmensvertreter gefragt: „Was ist für dich die ideale Arbeitszeit?“ Zur Wahl standen 20, 30, 35 und 40 Stunden Arbeit pro Woche. Der klare Gewinner – und das überraschenderweise auf beiden Seiten – ist die 30-Stunden-Woche.
„Was ist für dich die ideale Arbeitszeit?“
Einige Zeit schon gibt es die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Auch in der Corona-Krise wurde dies in der Politik wieder einmal zum Thema. Im Gegensatz zu einem Mindestlohn, der nur eine kleine Schicht der Bevölkerung betreffen würde, setzt eine gesetzlich verfügte Arbeitszeitverkürzung weit allgemeiner an: Alle Arbeitnehmer wären davon „betroffen“.
Die derzeitige Normalarbeitszeit in Österreich beträgt 40 Stunden, in einigen Kollektivverträgen steht auch etwas weniger. Rund 40 Jahre liegt die letzte Arbeitszeit-Verkürzung zurück. Die Entwicklung der Arbeitszeit in Österreich über die Jahre und Prognosen wie einen „3-Stunden-Arbeitstag“ im Jahre 2030 gibt es hier: Der 3-Stunden-Arbeitstag.
Die ideale Arbeitszeit: 30 Stunden pro Woche #
Jeder Zweite (49 Prozent) der 477 in unserer Online-Umfrage befragten Arbeitnehmer*innen meint: 30 Stunden Arbeit pro Woche sind perfekt. Eine Halbierung der Normalarbeitszeit auf 20 Stunden kann sich nur jeder Zehnte vorstellen. Im Mittelfeld liegt die 35-Wochen-Stunde, die von immerhin 23 Prozent der Befragten als Ideal angesehen wird. Knapp jeder Fünfte (18 Prozent) würde an der momentanen Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche nicht rütteln.
Neben einer geringeren Arbeitsbelastung für alle Arbeitnehmer*innen und damit mehr Zeit für Freizeit, Familie, Nebenprojekte und Ehrenamtliches, erwarten sich viele durch eine gesetzliche 30-Stunden-Woche mehr Gleichberechtigung. Vor allem deswegen, weil es meistens Frauen sind, die Teilzeit arbeiten müssen, um Familienleben und Haushalt zu schaffen. Sind Männer durch eine kürzere Arbeitszeit öfter daheim, könnten auch Frauen ihre Stunden wieder erhöhen und wären so zumindest nicht in die Teilzeit (und damit später in eine beschnittene Pension) „gezwungen“. Ein weiterer möglicher Vorteil und in Zeiten von Corona umso spannender: Gleich viel Arbeit auf mehr Arbeitnehmer verteilt, könnte bei hoher Arbeitslosigkeit zumindest eine kleine Abhilfe schaffen.
„Pro 30-Woche-Woche: Mehr Gleichberechtigung, höhere Produktivität, weniger Arbeitslosigkeit, mehr Freizeit und Zufriedenheit ...“
Und auch der Produktivität soll durch eine reduzierte Arbeitszeit auf die Sprünge geholfen werden. Bedenkt man, dass man laut diverser Studien während eines Vollzeit-Arbeitstags ohnehin nur einen Bruchteil der acht Stunden produktiv verbringt, ein echter Anreiz. Laut einer aktuellen britischen Studie sollen wir gar nur drei Stunden mit produktiver Arbeit verbringen, der Rest des Arbeitstages besteht aus Zeitfressern wie Rauchen, Social Media, Tratsch mit den Kollegen etc.
Profitiert man auch als Teilzeit-Kraft von der 30-Stunden-Woche? #
Eine einfache Antwort: ja. Rund zehn Prozent der Männer und immerhin 50 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit. Selbst wenn man unter den 30 Stunden einer gesetzlichen Arbeitszeitverkürzung liegt, würde sich das Grundgehalt an einer geringeren Arbeitszeit bemessen und das würde für Teilzeitbeschäftigte eine Lohnerhöhung bedeuten.
Die 30-Stunden-Woche-Gegner*innen – oder doch nicht? #
Argumente, die gegen eine verkürzte Normalarbeitszeit sprechen, gibt es naturgemäß fast ebenso viele. Viele befürchten etwa die Streichung einiger Posten, weil eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich die Personalkosten erhöht und damit Unternehmen anderswo einsparen müssten. Ob eine gestiegene Produktivität das ausgleichen könnte, ist umstritten und wird am Beispiel der 35-Stunden-Woche in Frankreich gerne verneint. Ein geringeres Gehalt führe schließlich auch zu weniger Kaufkraft und Nachfrage, was der Corona-gebeutelten Wirtschaft zusätzlich schaden könnte.
„Contra 30-Woche-Woche: Weniger Kaufkraft und Nachfrage, höhere Personalkosten ...“
In jeder Krise steckt ein wenig Freiheit #
Was jedenfalls festgestellt werden kann ist, dass die Corona-Pandemie viele Unternehmen flexibler gemacht hat. Für die meisten zwar unerwartet und mit dem Vorschlaghammer, allerdings birgt so ein Umbruch auch enorm viel Potenzial. Solch eine Krisenzeit mit all ihren Veränderungen sollte positiv genutzt werden. Wie Unternehmen das für sich umsetzen, werden wir gespannt beobachten. Wie man sich als Unternehmen von der Vollzeit an eine 30-Stunden-Woche annähern kann, haben wir hier schon mal eruiert: Die 30-Stunden-Woche.
Die 30-Stunden-Woche in der Praxis #
Wie eine 30-Stunden-Woche bei vollem Gehalt in der Praxis aussehen kann und noch weitere flexible Arbeitszeitmodelle, haben wir hier aufgezeigt:
Redaktion
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