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ZARA Interview Diversität

Expertinnen im Interview: „Rassismus ist ein strukturelles Problem, auch in der Arbeitswelt“

Unternehmenskultur Aktualisiert am: 18. März 2024 8 Min.

Im Interview mit Caroline Kerschbaumer und Rita Isiba, den Geschäftsführerinnen des Vereins ZARA*, eruieren wir, wie unbewusste Vorurteile gegenüber Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft abgebaut werden können und welche Bereicherung Vielfalt für ein Unternehmen bedeutet. Außerdem werfen wir die Frage auf, ob ein anonymisierter Bewerbungsprozess in Österreich wünschenswert wäre.

Sieben Prozent der Erwerbsfähigen in Österreich haben aufgrund von Rassismus, also etwa wegen ihrer Hautfarbe oder Herkunft schon einmal Einbußen im Arbeitskontext bemerkt, so die Ergebnisse einer repräsentativen Studie von Marketagent im Auftrag von karriere.at. Eine Umfrage von karriere.at und hokify unter ihren User*innen zeigt ein ganz ähnliches Bild.

Eine Organisation, die sich seit vielen Jahren gegen Rassismus und für mehr Zivilcourage in Österreich einsetzt, ist der Verein ZARA (das Akronym steht für „Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit“). 1999 gegründet, unterstützt der Verein Betroffene im Rahmen von Beratungen und schafft mit den jährlich erscheinenden „Rassismus Reports“ Sichtbarkeit für das Thema. Seit 2017 betreibt ZARA außerdem die Beratungsstelle #GegenHassimNetz, bietet auch hier Unterstützungsleistungen für Betroffene von Hass im Netz und veröffentlicht „#GegenHassimNetz-Berichte“.

Die beiden Geschäftsführerinnen Rita Isiba und Caroline Kerschbaumer* erklären im Interview mit karriere.at, wie unbewusste Vorurteile zu Ungleichbehandlung im Arbeitskontext führen und wie Unternehmen gezielt gegensteuern können.

*Rita Isiba ist seit Frühjahr 2024 die alleinige Geschäftsführerin von ZARA.

Rassismus als strukturelles Problem
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Wie hat sich die Situation für People of Color in Österreich, insbesondere am Arbeitsmarkt, deiner Meinung nach entwickelt? Wo stehen wir heute?

Caroline Kerschbaumer: Das Problem ist ganz klar ein Strukturelles. Wir alle sind mit Rassismus aufgewachsen und wenn wir nicht aktiv gegensteuern, ist dieses Denken in unseren Köpfen drin. Oftmals unbewusst tragen wir also bestimmte Bilder und Vorurteile mit uns und agieren dementsprechend vorurteilsbehaftet. Insofern ist es nicht überraschend, dass Rassismus strukturell in allen Lebensbereichen verankert ist und daher auch im Arbeitsbereich. Vor allem im Recruiting aber auch im Arbeitsalltag sind das sehr relevante Themen, die von Arbeitgeberseite ernst genommen werden müssen.

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Was bedeutet People of Color?

Der Begriff People of Colour (PoC) ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die Rassismus erfahren.

Um diesem strukturellen Problem entgegenzuwirken, braucht es auch strukturelle Maßnahmen wie beispielsweise ein Erlangen von breitem Wissen und Reflexion zu Rassismus und Diskriminierung, regelmäßiges aktives Hinschauen auf Rassismus, ständige betriebsinterne Reflexionen zu Diversität und Inklusion sowie einen österreichweiten, einheitlichen Diskriminierungsschutz für alle Diskriminierungsgründe.

„Rassismus ist ein strukturelles Problem, auch im Arbeitsbereich. Daher braucht es strukturelle Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken.“

Caroline Kerschbaumer · Ehem. Geschäftsführerin des Vereins ZARA
Caroline Kerschbaumer

„Es ist wichtig, eigene Privilegien zu reflektieren.“
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Der Verein ZARA bietet ja auch Trainings für Unternehmen an, unter anderem zum Thema „Umgang mit Vielfalt“. Wie können Unternehmen dazu beitragen, eine inklusivere Arbeitsumgebung für People of Color zu schaffen und bereits beim Recruiting auf Gleichbehandlung achten?

Rita Isiba: Bei einem Gespräch mit Bianca Schönberger, der Geschäftsführerin von ZARA Training, über das Diversity-Training stießen wir auf einen wichtigen Punkt: Die Idee, dass „wir alle divers sind“. Das ist nicht nur ein Slogan, sondern die Erkenntnis, dass jede*r von uns einzigartige Erfahrungen und Perspektiven mitbringt. Und das ist ein großer Vorteil an jedem Arbeitsplatz. Aber der Haken an der Sache ist, dass wir zwar alle unterschiedlich, aber nicht alle mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert sind. Deshalb ist es wichtig, über Privilegien nachzudenken.

Privilegien sind kompliziert, weil sie für diejenigen, die sie haben, oft unsichtbar sind. Es ist wie beim Schwimmen mit dem Strom – du merkst es vielleicht nicht, aber er hilft dir, voranzukommen. Am Arbeitsplatz könnte das bedeuten, dass du als Person aus deiner Mehrheits- oder privilegierten Gruppe lernst, bestimmte Hindernisse zu erkennen, mit denen du noch nie konfrontiert warst. Das kann von Sprachbarrieren bis hin zu kulturellen Stereotypen alles sein.

„‘Wir sind alle divers!‘ – Das ist nicht nur ein Slogan, sondern die Erkenntnis, dass jede*r von uns einzigartige Erfahrungen und Perspektiven mitbringt. Und das ist ein großer Vorteil an jedem Arbeitsplatz.“

Rita Isiba · Geschäftsführerin des Vereins ZARA
Rita Isiba

Schulungen regen zur Reflexion an #

Wie können Unternehmen dieses Verständnis nun in ihre Arbeitskultur einbinden?

Caroline Kerschbaumer: Das fängt mit Schulungen an, die nicht einfach nur Übungen zum Abhaken sind, sondern zum Nachdenken anregen. Wir sprechen hier von Workshops, die die Beschäftigten dazu ermutigen, über ihre Identität und ihre Privilegien nachzudenken. Bei dieser Reflexion geht es nicht um Schuldgefühle, sondern darum, unsere unterschiedlichen Ausgangspositionen zu verstehen.

Wenn Unternehmen diese Unterschiede anerkennen, können sie ihre Personalauswahl- und Arbeitsplatzpolitik bewusster gestalten. Sie können zum Beispiel erkennen, dass in ihrem Recruiting-Prozess bestimmte Gruppen gegenüber anderen bevorzugt werden oder dass ihre Bürokultur ungewollt marginalisierte Gruppen ausschließt. Mit diesem Bewusstsein können sie aktive Schritte unternehmen, um das Spielfeld zu ebnen – sei es durch anonymisierte Recruiting-Prozesse, Mentor*innenprogramme oder einfach nur, um sicherzustellen, dass alle Stimmen in Meetings gehört und wertgeschätzt werden.

„Wir sind alle divers“ bedeutet also nicht, so zu tun, als ob es keine Unterschiede gäbe. Es geht darum, diese Unterschiede anzuerkennen und wertzuschätzen und gleichzeitig die Privilegien zu verstehen und anzusprechen, die das Gleichgewicht stören können. Das ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem wirklich inklusiven Arbeitsplatz, an dem alle, insbesondere Angehörige von marginalisierten Gruppen, einschließlich People of Color, die gleichen Chancen auf Erfolg haben.

„Die Reflexion über die eigene Identität und Privilegien kann in Unternehmen dazu beitragen, unbewusste Vorurteile bei der Personalauswahl zu entdecken und die Arbeitsplatzpolitik bewusster zu gestalten.“

Caroline Kerschbaumer · Ehem. Geschäftsführerin des Vereins ZARA

Anonyme Bewerbungen können Gleichstellung fördern
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Rita, du hast viele Jahre in Großbritannien gelebt. Dort werden Bewerbungen grundsätzlich ohne Foto und teilweise sogar ohne persönliche Daten wie Geburtstag oder Name verschickt. Was ist dein Eindruck – wäre es denkbar und wünschenswert, dieses Vorgehen auch in Österreich zu etablieren?

Rita Isiba: Es liegt in der menschlichen Natur, sich auf der Basis von einem Foto, dem Namen, Alter und Geschlecht ein Bild von jemandem zu machen, das mitunter auf Stereotypen beruht. Unabhängig davon, ob es illegal ist, beeinflussen persönlichen Angabe die Stellensuche von Jobsuchenden weltweit. Ein Foto sowie ein Name, der eine Herkunft widerspiegelt, und ein Geburtsdatum, das Aufschluss über das Alter gibt, führen bei Arbeitgebern im Bewerbungsprozess zu unbewussten Vorurteilen.

In Großbritannien, wo bei Bewerbungen Fotos und gewisse persönliche Angaben weggelassen werden, ist es möglich, unbewusste Voreingenommenheit gegenüber Menschen mit einer bestimmten ethnischen Herkunft, einem bestimmten Alter oder Geschlecht zu minimieren und sich ausschließlich auf Fähigkeiten und Erfahrungen zu konzentrieren. Diese Praxis fördert die Gleichstellung. Jede*r erhält eine faire Chance auf der Basis von Leistungen und nicht aufgrund persönlicher Details. Es hat jedoch auch einen Nachteil, denn es lässt den Einstellungsprozess weniger persönlich und menschlich erscheinen.

„Ein Foto sowie ein Name, der eine Herkunft widerspiegelt, und ein Geburtsdatum, das Aufschluss über das Alter gibt, führen bei Arbeitgebern im Bewerbungsprozess zu unbewussten Vorurteilen. Die Anonymisierung von Lebenslauf und Bewerbungsschreiben kann hier Abhilfe schaffen.“

Rita Isiba · Geschäftsführerin des Vereins ZARA

In Anbetracht des derzeitigen Arbeitskräftemangels in Österreich kann die Einführung eines anonymeren Bewerbungsverfahrens ein entscheidender Schritt sein. Es geht nicht nur um Fairness, sondern auch darum, einen vielfältigen Talentepool zu erschließen.

Durch den Abbau von Vorurteilen, die mit Porträts, Namen und Geburtstagen verbunden sind, können Unternehmen auf ein breiteres Spektrum von Bewerber*innen zugreifen und so den Arbeitskräftemangel effektiver bekämpfen. Dieser Ansatz ist nicht nur moralisch richtig, er ist auch wirtschaftlich sinnvoll. Er öffnet Türen für talentierte Personen, die sonst vielleicht übersehen würden, und bereichert die Belegschaft um vielfältige Fähigkeiten und Perspektiven. Es gibt also überzeugende Argumente für Unternehmen, die traditionellen Einstellungspraktiken in Österreich zu überdenken.

2023 ist fast vorbei, das neue Jahr steht vor der Tür – was steht für den Verein ZARA im kommenden Jahr 2024 an?

Caroline Kerschbaumer: Der Plan für 2024 sieht vor, mehrere Plattformen für den Austausch zu schaffen, die Akteur*innen für Aktionen zum Abbau rassistischer Strukturen zu mobilisieren, die öffentliche Sichtbarkeit von Aktionen zu erhöhen, kontinuierlich Beratung für betroffene Menschen von systemischer Diskriminierung online und offline anzubieten und sich gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung einzusetzen.

Deshalb fordert ZARA von der österreichischen Bundesregierung die Ausarbeitung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus, der Ziele und Maßnahmen enthält, die Rassismus auf struktureller Ebene entgegenwirken.

Rita Isiba: Der Verein ZARA hat längst erkannt, dass struktureller Rassismus in jedem Bereich unserer Gesellschaft vorherrscht, insbesondere in der Arbeitswelt, Bildung, im Gesundheitswesen und bei der Vergabe von Wohnraum.

Jede Person sollte dazu beitragen, Vorurteile und Strukturen zu bekämpfen, die die Ungleichheit in unserer Gesellschaft aufrechterhalten. Wenn Sie Zeug*in von Diskriminierung werden, melden Sie sich. Kontaktieren Sie ZARA. Durch Zivilcourage kann Ihre Stimme eine starke Kraft für Veränderungen sein. Gemeinsam können wir eine gerechte und inklusive österreichische Gesellschaft entwickeln.

Über die Gesprächspartnerinnen #

Rita Isiba ist Geschäftsführerin von ZARA, einer NGO für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit. Sie ist auch die Gründerin von Aphropean Partners, das Engagement-Dienstleistungen für Teamzusammenhalt und Inklusion am Arbeitsplatz bietet. Als Corporate Trainerin bietet Rita Workshops an und hält Vorträge für Organisationen von der Austrian Development Agency bis zu Dynatrace. Als Dozentin an der Universität für Angewandte Kunst Wien lehrt Rita Community-Engagement für das Masterprogramm für Angewandte Menschenrechte.

Caroline Kerschbaumer ist ehemalige Geschäftsführerin vom Verein ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, welcher auch die Beratungsstelle #GegenHassimNetz betreibt. Sie ist Juristin mit Schwerpunkt Menschenrechte sowie ausgebildete Organisationsberaterin.

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B schedlberger

Bianca Schedlberger
Content Managerin
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