Wege aus der Krise: Wie Agilität und Teamentscheidungen helfen
Wie bewältigen Unternehmen die Krise möglichst gut? Diese Frage beschäftigt die Gesellschaft dieser Tage besonders. Kurzarbeit, Remote Work und agiles Arbeiten sollen dabei helfen. Dass es aber auch auf die Unternehmenskultur ankommt, haben uns die Mitarbeiter einer internationalen Unternehmensberatung erzählt. Das sind ihre Erkenntnisse:
Die Corona-Pandemie hat Unternehmen und ihre Mitarbeiter vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Um wirtschaftlich möglichst gut daraus hervorzugehen, sind Kurzarbeit und Remote Work sinnvolle Methoden – aber wie setzt man sie so um, dass auch die Unternehmenskultur keinen Schaden nimmt? Bei der internationalen Unternehmensberatung borisgloger consulting setzt man dazu auf Solidarität und Teamentscheidungen.
Anita Hauck, People & Culture Manager, Ellen Thonfeld, Senior Management Consultant in der Finanzbranche, Ssonja Peter, Senior Management Consultant im regionalen Team Frankfurt, und Stefan Nagel, Senior Management Consultant und Product Owner im Versicherungsteam, haben uns erzählt, mit welchen Maßnahmen sie die Krise bisher gemeistert haben.
Solidarisch in Kurzarbeit – oder eben nicht #
Wer von euch war in Kurzarbeit?
Anita Hauck: Ich war von April bis Juni in Kurzarbeit mit durchschnittlich zehn bis zwanzig Prozent Ausfallstunden.
Ellen Thonfeld: Ich war für acht Wochen in Kurzarbeit mit zwanzig Prozent, also ein Tag pro Woche.
Die anderen also nicht? Wie habt ihr das entschieden?
Anita Hauck: In einer virtuellen Konferenz mit allen Kolleginnen und Kollegen nannte unser Führungskreis die Möglichkeiten, um der Krise entgegenzuwirken – darunter auch die Kurzarbeit. In diesem Telefonat klärten wir die Bedingungen, um diese beantragen zu können, was wir im nächsten Schritt auch für fast das gesamte Unternehmen getan haben.
Ellen Thonfeld: Da ich aus der Elternzeit zurückkam und aktuell zu diesem Zeitpunkt keinen Kunden hatte, entschieden mein Team und ich gemeinsam, dass ich zu zwanzig Prozent in Kurzarbeit gehe, bis ich einen neuen Kunden übernehme. Wir haben in den Teams anhand unseres jeweiligen Einsatzes beim Kunden entschieden, wer in Kurzarbeit geht und wer nicht. Die Kollegen, die keinen Auftrag hatten und auch keine weiteren internen Aufgaben übernehmen konnten, sind in Kurzarbeit gegangen. Wichtig war für uns, die wirtschaftlichen Folgen für unsere Teams als auch für unser Unternehmen in Grenzen zu halten.
„Wichtig war für uns, die wirtschaftlichen Folgen für unsere Teams als auch für unser Unternehmen in Grenzen zu halten.“
Transparenz und Eigenverantwortung als Grundrezept #
Gibt es eine „Anleitung“, wie derartige Entscheidungen gefällt werden?
Anita Hauck: Eher ein „Grundrezept“: Bei uns liegen Prinzipien wie Selbstorganisation, Eigenverantwortung und Vertrauen an der Tagesordnung und wir leben diese nicht nur beim Kunden, sondern auch intern und miteinander. Wichtig ist es, den Teams zu vertrauen, dass sie derartige Entscheidungen selbst gewissenhaft treffen können und neben dem Mut dafür auch die nötige Kompetenz mitbringen.
„Wichtig ist es, den Teams zu vertrauen, dass sie derartige Entscheidungen selbst gewissenhaft treffen können.“
Sichergestellt werden muss, dass sie dazu befähigt werden, indem sie alle erforderlichen Informationen, Rahmenbedingungen und Tools vom Führungskreis und dem Hub – hier sind Zentralfunktionen wie Vertrieb, Marketing oder Finanzen angesiedelt – zur Verfügung gestellt bekommen, um auch wirklich eigenständig agieren zu können. Dabei ist stetige Transparenz von beiden Seiten ein wichtiger Punkt und natürlich die Gewissheit, jederzeit Unterstützung zu bekommen, wenn diese benötigt wird.
Ssonja Peter: Wichtig ist, am Anfang die Rahmenbedingungen zu kennen – alle: die des Arbeitgebers, des Gesetzgebers und darüber hinaus natürlich die Kundenwünsche. Die Rahmenbedingungen und notwendigen Informationen bekamen wir über verschiedene Kanäle ad hoc mitgeteilt. Zudem standen die ScrumMaster der jeweiligen Teams für weitere Rückfragen umgehend zur Verfügung.
Wie und von wem wurdet ihr darüber informiert, dass Kurzarbeit nötig wird?
Ssonja Peter: Unser Geschäftsführer hat uns die aktuelle Situation geschildert und Optionen aufgezeigt. Nachdem alle rechtlichen und administrativen Voraussetzungen dafür geschaffen waren, haben die Teams unter Berücksichtigung verschiedener Parameter selber über eine mögliche Kurzarbeit der Team-Mitglieder beraten.
Stefan Nagel: Als Anhaltspunkt galt die Frage: Wer hat gerade keinen Kundenauftrag? Kann der- oder diejenige von Kurzarbeit Gebrauch machen? Jeder war angehalten, unternehmerisch zu denken, denn am Ende geht es darum, das ganze Unternehmen durch diese Krise zu bringen und nicht nur einzelne Teams. Also galt auch hier wieder das Solidarprinzip.
„Jeder war angehalten, unternehmerisch zu denken, denn am Ende geht es darum, das ganze Unternehmen durch diese Krise zu bringen.“
Mit starkem Gemeinschaftsgefühl durch die Krise #
Welche Maßnahmen habt ihr außer der Kurzarbeit ergriffen, um gut durch die Krise zu kommen?
Ssonja Peter: Kontakt halten! Über ein gemeinsames Frühstück einmal wöchentlich via Videokonferenz, in vielen Gespräche darüber, wie es uns geht und unterm Strich auch über die Selbstverantwortung und wie sich jeder selber dabei einbringt. Die Zeit der Pandemie ist eine Extremsituation und eine Belastbarkeitsprobe für jedes Team.
Anita Hauck: Genau, besonders wichtig war es uns, den Kontakt untereinander nicht zu verlieren und füreinander da zu sein – auch virtuell. Mit dem Gedanken, dass wir in einem großen Boot sitzen und diese Krise gemeinsam meistern werden, ist ein unheimlich starkes Gemeinschaftsgefühl entstanden. So frühstücken wir jeden Freitag zwanglos gemeinsam – nur eben virtuell – und die einzelnen Teams organisieren virtuelle Afterworks. Auch unser firmenweites Mitarbeiter-Event im Juni fand im Remote-Modus statt. Für diese Veranstaltung bekamen wir vorab sogenannte „Care-Pakete“ mit Müsli oder Kaffee nach Hause geschickt – eine sehr liebevolle Geste.
„Mit dem Gedanken, dass wir in einem großen Boot sitzen und diese Krise gemeinsam meistern werden, ist ein unheimlich starkes Gemeinschaftsgefühl entstanden.“
Führungskreis und Hub haben außerdem laufend und transparent Neuigkeiten zu den Finanzen oder zu veränderten Regelungen rund um die Kurzarbeit geteilt, um den Leuten den Status quo zu schildern. Ich denke, in so einer instabilen Situation, in der wir privat alle damit zu kämpfen haben, dass wir unsere Familien und Freunde nicht sehen können, ist es enorm wichtig, den Mitarbeitenden zumindest etwas Klarheit und Sicherheit im Job zu geben und ihnen aufzuzeigen, wie es weitergeht. Aus finanzieller Sicht haben wir uns natürlich auch informiert, inwieweit wir für Förderungen berechtigt sind, ob es Möglichkeiten zur Stundung von Steuer- oder Versicherungsbeträgen gibt oder welche Ausgaben wir aktuell einsparen können.
Ellen Thonfeld: Wir haben unser gesamtes Produktportfolio zudem auf „remote“ umgestellt und uns schnell remote-fähige Tools angeeignet, die auch unsere Kunden nutzen konnten. Ferner entwickelten wir neue Produkte, wie zum Beispiel eine Corona-Retrospektive, um unseren Kunden dabei zu helfen, wichtige Lernerfahrungen aus dem Lockdown und dem Krisenmodus zu ziehen.
Weniger reisen, mehr Effizienz: Veränderungen im Arbeitsalltag #
Inwiefern hat sich dein Arbeitsalltag seit Beginn der Corona-Krise verändert?
Ellen Thonfeld: Wir reisen viel weniger. Der Remote-Einsatz ist deutlich gestiegen. Ebenso wie die Akzeptanz, dass man als Berater auch aus dem Homeoffice arbeiten und Wert schaffen kann. Wir nutzen auch viel mehr digitale Tools. Die Arbeiten, die ich vorher am Flipchart durchgeführt habe, mache ich nun auf einem digitalen Whiteboard. Auch habe ich es schätzen gelernt, wie wichtig es ist, die Kamera während eines Trainings oder Workshops an zu haben, um die Teilnehmer und deren Mimik sehen zu können.
Ssonja Peter: Verändert hat sich, dass die Grenze zwischen Privatleben und Berufsleben total verschwimmt. Von: Wie sehe ich vor der Kamera aus (irgendwann egal), bis hin zu: Ich nehme meine Kollegen am Telefon auch mal zum Joggen mittags mit. Das habe ich vorher nie gemacht – weder das Mitnehmen noch das Joggen mittags.
„Ich nehme meine Kollegen am Telefon auch mal zum Joggen mittags mit.“
Verändert hat sich die Effizienz in Remote-Meetings, die ist viel höher als noch vor der Krise. Aber auch der Kontakt zum Kunden: Es geht nun mehr um Inhalte, weniger um Form. Auch die Präzision in Aussagen und Inhalten hat sich erhöht, denn in persönlichen Meetings erreicht man viel über Persönlichkeit, auch ohne Worte und Argumente. Remote schränkt das ein.
Stefan Nagel: Mein Kalender sieht nicht viel anders aus als vorher, obwohl es eher mehr als weniger Termine geworden sind – schließlich fällt die Zeit weg, die man braucht, um von einem Meetingraum zum nächsten zu kommen. Da unser Kunde auch virtuell voll arbeitsfähig ist, reiht sich Videokonferenz an Videokonferenz. Das ist anstrengender, als mit Kunden vor Ort in einem Raum und haptisch zu arbeiten, aber dafür entfällt der Reiseaufwand – als Berater ein echter Luxus, der vieles aufwiegt.
OKRs und Co. Krisentaugliche Arbeitsmethoden #
Welche eurer üblichen Arbeitsweisen sind besonders „krisentauglich“? Helfen Methoden wie OKRs dabei, besser mit Krisen umzugehen?
Ellen Thonfeld: Das iterative und inkrementelle Arbeiten – also schrittweise, kurzfristig planen – eignet sich ideal, um schnell auf sich ändernde äußere Gegebenheiten zu reagieren. Die regulären Teammeetings helfen, dass wir den Kontakt untereinander nicht verlieren und uns gegenseitig unterstützen, wenn einem vor lauter Remote-Meetings mal der Kopf raucht.
Ssonja Peter: Geholfen hat, dass wir im Rahmen von dezentralen Teams schon lange Erfahrung mit virtuellen Konferenzen und digitalen Tools haben. So konnten wir auch unseren Kunden einen Mehrwert bieten und zu virtuellem Teamkontakt und Arbeitsmodus beraten. Krisentauglich ist aus meiner Sicht auch die totale Reduktion auf einen KPI: „Wofür ist der Kunde bereit zu bezahlen?“ Das war bei uns immer schon so – neben der strategischen Steuerung über OKR. Die OKRs haben wir uns in der Krisenzeit aber weniger angeschaut, da die Rahmenbedingungen sich verändert haben.
Stefan Nagel: Ein Großteil meiner Arbeit ist die Zusammenarbeit mit Menschen. Ich entwickle Konzepte und Lösungen mit Menschen gemeinsam, nicht ohne sie. Dafür nutzen wir viele Methoden und Tools. Vor Corona sehr haptisch, weil es einfach mehr Spaß macht. Aber mittlerweile findet sich immer eine Möglichkeit, remote genauso mit Gruppen und Menschen zu arbeiten wie digital – unzählige Tools wie Zoom, Miro, Mural oder MS Teams erlauben das. Ich glaube aber nicht, dass bestimmte Methoden geeigneter sind als andere. Meiner Meinung nach kommt es eher auf die eigene Einstellung an.
„Ich glaube nicht, dass bestimmte Methoden geeigneter sind als andere. Meiner Meinung nach kommt es eher auf die eigene Einstellung an.“
Ssonja Peter: Eine weitere Maxime, die wir forciert haben: Bilde dich weiter, wenn du nichts zu tun hast.
Habt ihr neue Arbeitsmethoden entwickelt und werdet ihr sie beibehalten?
Anita Hauck Wir haben gelernt: Längere Meetings, in denen wir üblicherweise physisch und miteinander mit Flipcharts und Post-its hantieren, können wir wunderbar auch virtuell abhalten. Vor allem intern werden wir stärker auf die Tools, die wir uns die letzten Monate verstärkt angeeignet haben, zurückgreifen. Ganz neue Wege gehe ich auch in der Personalarbeit: Vorstellungsgespräche finden virtuell statt, wir stellen laufend neue Mitarbeitende ein und auch Onboardings haben wir zunächst von zu Hause aus via Videokonferenz durchgeführt. All das ist möglich – nichts ersetzt aber den persönlichen Kontakt mit einem neuen Kollegen an seinem ersten Arbeitstag und den darauffolgenden Wochen.
Stefan Nagel: Digitale Tools, die wir vorab schon viel genutzt haben, sind nun noch stärker im Einsatz. Für mich persönlich hat sich durch die Pandemie mein Arbeitsort ins Homeoffice verschoben, methodisch arbeite ich weiter wie bisher – nur eben noch digitaler: Wo ich früher am Flipchart stand, nutze ich jetzt "Miro", frühere Abfragen in Projekten im Dialog kann man toll mit "Mentimeter" machen.
„Wir sind soziale Wesen“: Learnings aus der Krise #
Was habt ihr bisher aus der Krise gelernt?
Ellen Thonfeld: Wir haben gelernt, wie elementar es ist, sich schnell an äußere Umstände anzupassen und somit unseren Kunden zu zeigen, wie flott das in einem agilen Umfeld funktioniert. Wichtig ist zudem, einen sehr engen Kontakt zum Kunden aufrechtzuerhalten und zu schauen, wie es ihm geht. Das Gleiche gilt intern: Wir sind noch ein Stück näher zusammengerückt.
Ssonja Peter: Ich habe gelernt: Kein Schulungsprogramm bereitet dich auf eine solche Krise vor. Es geht darum, dem Team bewusst zu machen, was und wie es Herausforderungen gemeistert hat, zum Beispiel durch so strukturierte Fragen wie diese, und dann gemeinsam zu überlegen: Was davon wollen wir beibehalten und was davon möchten wir nie wieder so tun?
Stefan Nagel: Ich hab zwei Sachen gelernt. Zum einen, dass die Arbeit mit Menschen vor Ort viel mehr Energie und Spaß bringt, als die ganze Zeit in eine Laptopkamera zu schauen, auch wenn die Inhalte gleich sind. Ich als Mensch bin ein soziales Wesen. Zum anderen ermöglicht uns die Digitalisierung, mit dieser Krise sehr viel resilienter umzugehen und das konnten wir als Unternehmen auch als unsere Stärke ausspielen. Ich glaube: Noch vor zehn Jahren hätte die Corona-Krise Wirtschaft, Unternehmen und Menschen noch viel härter getroffen.
Über die Personen: #
Anita Hauck ist People & Culture Manager bei borisgloger consulting, eine der führenden Managementberatungen im Bereich des agilen Change-Managements und der agilen Produktentwicklung in der DACH-Region. In dieser Funktion steuert sie als HR-Allrounder alle Personalprozesse für den deutschen und österreichischen Standort. Anita Hauck ist studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerin.
Ellen Thonfeld ist Senior Management Consultant bei borisgloger consulting und hat über sieben Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Produkten mit agilen Methoden. Angefangen mit Kanban im Maschinenbau, entschloss sich die Wirtschaftspädagogin und Bankkauffrau, die Digitalisierung im Banken- und Finanzbereich eben mit diesen Methoden voranzubringen. Seit vier Jahren ist sie auf diesen Bereich spezialisiert und begleitet vorrangig große Digitalisierungsprojekte im Großbankensektor. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Bankenauditing.
Ssonja Peter: Das Bankgeschäft kennt die Betriebswirtin und Bankkauffrau bis ins kleinste Detail. Seit 2000 hat sie in verschiedenen Führungspositionen in deutschen Großbanken den fundamentalen Wandel der Branche selbst mitgestaltet. Aktuell ist sie als Senior Management Consultant bei borisgloger consulting gemeinsam mit einem Team aus Management Consultants kundenverantwortlich für ein Transformationsprojekt einer großen deutschen Bank sowie eines großen Automobilherstellers.
Stefan Nagel ist Senior Management Consultant bei borisgloger consulting. Er hat Unternehmen im Finanzbereich bei der Implementierung von BizDevOps unterstützt sowie mehrere komplexe IT-Projekte mit agilen Methoden zum Erfolg geführt. Seine Erfahrung fließt heute in die Zusammenarbeit mit Versicherern ein, die er im Rahmen von Digitalisierungsinitiativen begleitet.
Über borisgloger consulting #
Die borisgloger consulting GmbH gehört in der DACH-Region zu den führenden Managementberatungen im Bereich des agilen Change-Managements und der agilen Produktentwicklung. Auf Basis von Frameworks wie Scrum, Kanban und Design Thinking unterstützt das Consulting-Unternehmen seine Kunden bei Innovations- und Transformationsprozessen. Außerdem bietet borisgloger consulting Training und Consulting für Fach- und Führungskräfte an. Das 2008 gegründete Unternehmen beschäftigt derzeit rund 55 Mitarbeiter.
Bildnachweis: shutterstock/Pasuwan; borisgloger consulting
Redaktion
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