Arbeitslos ist nicht gleich arbeitslos: Forscher definiert fünf Typen
Arbeitslosigkeit hat viele Gesichter. Wie diese empfunden wird, hängt freilich von der individuellen Situation ab. Manche Menschen fühlen eine starke psychische Belastung, andere leiden kaum darunter, für wieder andere ist Arbeitslosigkeit sogar ein Gewinn. Eine völlig neue Sicht auf ein heikles Thema wagt Benedikt Rogge von der Universität Bremen.
Verschiedene Auswirkungen auf Selbstbild und Gesundheit #
Bisher wurden Arbeitslose in der Forschung meist als - überspitzt formuliert - Arme oder auch Kranke beschrieben. Historisch bemerkenswert und an dieser Stelle zu erwähnen ist die Untersuchung unter dem Namen "Die Arbeitslosen von Marienthal", durch die 1933 die Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit untersucht wurden. Aber zurück in die heutige Zeit. Der deutsche Forscher Benedikt Rogge zeigt mit seiner Studie, dass Arbeitslosigkeit verschiedene Auswirkungen auf das Selbstbild aber auch die psychische Gesundheit eines Menschen haben kann. Konkret definiert er fünf Möglichkeiten. Arbeitslosigkeit kann nach Rogge auf fünf idealtypische Weisen erfahren werden: Als wiederkehrende Umstellung, als ersehnte Befreiung, als ungewisser Kampf, als dauerhafter Verfall oder als positive Transformation. Nun zu den Möglichkeiten im Detail:
1. Die wiederkehrende Umstellung #
In diese Gruppe fallen laut Rogge vor Menschen mit geringerer Qualifikation, die immer wieder - meist aber nur für kurze Zeit - arbeitslos werden. Sie können sich rasch auf die jeweilige Situation einstellen und sind auch stets optimistisch, rasch wieder Arbeit zu finden. Diese Gruppe bezeichnet sich selbst als "normale Arbeitslose", ob gerade ein Beschäftigungsverhältnis besteht oder nicht, macht für ihr Wohlbefinden wenig Unterschied.
2. Der Befreiungsmodus #
Personen, die in diese Gruppe fallen, fühlen sich - wie der Name schon sagt - durch den Wegfall der Arbeit befreit. Diese Gruppe verfügt in der Regel über ausreichende finanzielle und berufliche Ressourcen, legt Wert auf Freizeit und sieht die Zeit ohne Arbeit auch als eine Art Pause, die mit mehr Lebensqualität einher geht. Auch diese Gruppe hat wenig Zweifel daran, wieder eine Beschäftigung zu finden. Die Arbeitslosigkeit ist durch Kündigung meist selbst gewählt - ihnen geht es meist besser als vor der Arbeitslosigkeit. Durch den mutigen Schritt der Befreiung sehen sich diese Personen als "heroische Arbeitslose".
3. Der Kampfmodus #
Wie der Titel schon vermuten lässt, hat diese Gruppe mit der vorigen wenig gemein. Diese Personen haben Angst, sozial auf Dauer abzurutschen, nie wieder Fuss fassen zu können. Der Alltag wird dominiert von der Arbeitssuche, Nervösität und Erschöpfungsind nicht selten. Auch das soziale Leben der Betroffenen leidet, Eltern machen sich in dieser Situation naturgemäß besonders große Sorgen.
4. Der Verfallsmodus #
5. Die Transformation #
In dieser Phase finden sich Langzeitarbeitslose mit ihrer Situation ab und enwickeln eine Lebensführung außerhalb des Arbeitsmarktes. Eine Stabilisierung tritt ein und wirkt sich auch positiv auf die psychische Gesundheit aus.
Kein Druck von Außen #
Wie Rogge weiter zeigt, hängt die persönliche Empfindung der Arbeitslosigkeit auch stark vom Umfeld der Personen ab. Wird Arbeitslosigkeit stigmatisiert, tabuisiert oder als Katastrophe dargestellt, wächst auch der individuelle Druck auf die Betroffenen, fordert er ein Ende der Stigmatisierung. Auch ein pauschales Über-den-Kamm-Kehren lehnt der Forscher ab.
Näheres zu Methode und Person #
Die Studie basiert auf knapp 60 Interviews mit Kurz- und Langzeitarbeitslosen aus Bremen bzw. Dortmund. Es kamen sowohl Interviews als auch klinische Skalen zu Änstlichkeit, Aggressivität und Wohlbefinden zum Einsatz.
Zur Person: Benedikt Rogge ist Sozialforscher bei der Bremen International Graduate School of Social Sciences. Unter anderem ist kürzlich erschienen das Buch: "Wie uns Arbeitslosigkeit unter die Haut geht"
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