Auf Jobsuche nach 30 Jahren? So geht bewerben heute
Die letzte Jobsuche ist schon viele Jahre her, doch jetzt wirds Zeit für etwas Neues. Aber wie geht man die Jobsuche an und vor allem: Wie bewirbt man sich zeitgemäß? Karrierecoach Sonja Rieder hat mit uns darüber gesprochen, wie sich Bewerbungen in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben und worauf es heute ankommt.
Klar ist: Handschriftliche Bewerbungsunterlagen werden seit den 1980er Jahren immer unüblicher und sind heutzutage nur mehr in äußerst seltenen Ausnahmefällen gefragt. Doch das ist natürlich nicht alles, was sich in den vergangenen Jahrzehnten bei Jobsuche und Bewerbung verändert hat. Sonja Rieder erzählt aus ihrer Erfahrung als Karrierecoach und ehemalige Recruiterin.
Die erste Bewerbung nach Jahrzehnten: Das hat sich verändert #
Bewerben ist komplexer geworden #
Der Arbeitsmarkt ist sehr heterogen und wer einen neuen Job oder vielleicht sogar einen neuen Beruf sucht, hat die Qual der Wahl zwischen einer Vielzahl an höchst unterschiedlichen Positionen. Viele davon sind erst in den vergangenen Jahren entstanden und weisen sehr vielfältige Anforderungen auf. Dazu kommt: Nicht nur Ausbildung und Berufserfahrung, sondern auch die Persönlichkeit entscheidet über Zu- oder Absage. In oftmals langwierigen Bewerbungsverfahren mit mehreren Gesprächen, Tests oder Assessment-Centern wird die Entscheidung getroffen. Auch (unbezahltes) Probearbeiten wird häufig angeboten.
Die Kanäle sind online #
Bewerbungen werden kaum noch per Post geschickt, sondern online abgewickelt. Die E-Mail-Bewerbung ist (noch) Standard, aber Bewerbungen per Online-Formular oder „One-Click“ nehmen zu, wie wir in diesem Artikel beschrieben haben. Entsprechend wichtig ist es, Bewerbungsunterlagen online zu hinterlegen und Karriereportale zu nützen. Häufig wird man dadurch mittels Active Sourcing direkt von Arbeitgebern kontaktiert.
Social Networking ist Pflicht #
Soziale Medien in Form von Berufsnetzwerken sind in vielen Branchen essenziell und müssen entsprechend gepflegt werden. Sonja Rieder rät: „Auf Social Media sichtbar zu werden, ist heute enorm wichtig. Da ist keine Altersgruppe davon ausgeschlossen! Man darf auch keine Scheu haben, im Bekanntenkreis nach offenen Stellen zu fragen, und sollte auf brancheninterne Veranstaltungen gehen. So erfährt man von Jobs, die noch gar nicht ausgeschrieben sind.“
Veränderung ist die Regel #
Jobwechsel geschieht nicht unbedingt häufiger als früher, Arbeitgeber-Wechsel jedoch schon. Alle zwei bis bis fünf Jahre zu wechseln ist mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme. Die betriebsinterne Karriereleiter erklimmen Mitarbeiter daher seltener. Auch die einzelnen Rollen beziehungsweise Jobs verändern sich sehr schnell, stetige Weiterbildung ist daher essenziell.
Moderne Bewerbungsunterlagen: Bitte wenig Fließtext! #
Kurz, prägnant und gut strukturiert #
Fließtext wird nicht mehr gerne gelesen: Sonja Rieder erzählt: „Das Leseverhalten der Menschen hat sich durch das viele Lesen am Bildschirm generell verändert. Texte werden oft nur noch überflogen. Nicht nur der Lebenslauf, auch das Motivationsschreiben sollte daher unbedingt mit Aufzählungspunkten und Absätzen gegliedert werden. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, das Wichtigste zur Person auf der ersten Seite in wenigen Stichwörtern zusammenzufassen. Das spart PersonalistInnen Zeit.“
Weitere Tipps: Keywords (also wichtige Schlagwörter) hervorheben und Texte in unkomplizierter, direkter Sprache verfassen!
Individuelle Bewerbungen schreiben #
Qualität vor Quantität: Zwanzig Bewerbungen in einer Woche abschicken? Das ging früher noch leichter, als die Bewerbungen lediglich aus „Ausbildung“, „Arbeitgeber“ und „hiermit bewerbe ich mich“ bestanden haben. Heute sollte jede Bewerbung passend zur jeweiligen Stelle formuliert werden.
„Lebensläufe sollten ergebnisorientiert sein.“
Sonja Rieder ergänzt: „Lebensläufe haben sich total verändert. Sie sollten mittlerweile nicht nur beschreibend chronologisch, also was habe ich wann bei welcher Firma gemacht, sondern auch ergebnisorientiert sein.“ Laut der Karriereberaterin sind zusätzlich zu den einzelnen Stationen Rubriken wie „besondere Beiträge zum Geschäftserfolg“ oder „besondere Erfolge“ sehr anzuraten. Das können Umsatzsteigerungen sein oder andere herausragende Leistungen: „Projekt XY trotz schwieriger Bedingungen on time & on budget abgeschlossen“ oder „MitarbeiterInnen durch konstruktive Kommunikation in Krisenphase an Bord gehalten“, „Auszeichnung mit internem XY-Award“.
Bewerben heißt präsentieren: Selbstmarketing ist gefragt! #
Die Qualifikation gut verkaufen #
Selbstmarketing ist gefragt: Bereits seit den 1990ern ein Begriff, dennoch ist es immer noch bei vielen Bewerbern nicht angekommen, dass sie ihre Qualifikation gut „verkaufen“ müssen. In manchen Branchen haben sich die Verhältnisse zudem verschoben: Unternehmen bewerben sich bei Kandidaten, da sie zu wenige Fachkräfte bekommen.
„Bewerben heißt werben.“
Karrierecoach Sonja Rieder bestätigt: „Bewerben heißt werben. Früher war das viel weniger gefragt. So wie Unternehmen Employer Branding betreiben, dürfen auch BewerberInnen auf ihre Vorzüge hinweisen. Damit tun sich viele schwer, man kann das aber lernen. Sinnvoll ist, jemanden um Rat zu fragen, der mehr Routine damit hat.“
Bewerber dürfen selbstbewusst sein #
Der Arbeitsmarkt ist Internet sei Dank sehr viel transparenter geworden. Arbeitsbedingungen, Gehälter und Kollektivverträge lassen sich leicht recherchieren, entsprechend selbstbewusst können – und dürfen – Bewerber sich präsentieren. Sonja Rieder warnt jedoch vor überzogener Erwartungshaltung bei Bewerbungen: „Manchmal sehe ich Leute, die haben zehn Bewerbungen ausgeschickt und sind bedrückt, dass sich nur ein Interview ergeben hat. Dabei ist eine Einladungsquote von 10 bis 15 Prozent völlig normal!“ Wenn keine Antwort auf eine Bewerbung kommt, so empfiehlt sie, konkret nachzufragen und PersonalistInnen beispielsweise über soziale Berufsnetzwerke noch mal daran zu erinnern.
Achtung: Das Internet vergisst nichts! #
Nicht nur der Arbeitsmarkt ist transparenter, auch wir selbst sind „gläsern“ geworden – ein wesentlicher Unterschied zu früher. Häufig googlen Recruiter die Namen der Bewerber, um vorab mehr über sie zu erfahren. Erscheinen dann peinliche Jugendsünden oder fragwürdige Facebook-Profile, stehen die Chancen auf eine Einstellung denkbar schlecht.
Unser Tipp: Den eigenen Namen selbst googlen und auch die Bilder-Ergebnisse nach unvorteilhaften Fundstücken durchforsten. Findet man welche, entweder gleich selbst löschen (das gilt auch für Uralt-Profile auf nicht mehr genutzten Websites) oder um Löschung ansuchen.
Weiterführende Lektüre
Eine lesenswerte Zeitreise durch Bewerbungsratgeber der vergangenen 30 Jahre unternimmt Karrierebloggerin Svenja Hofert in diesem Artikel.
Bildnachweis: shutterstock/Roman Samborskyi
Redaktion
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