Beziehungskiller Arbeit und Kind: Wie man trotzdem Paar bleibt
Es war irgendwie wenig überraschend, dass das Buch "Wieder Paar sein - Erfüllte Zweisamkeit trotz Arbeit und Kind" von Sascha Schmidt auf meinem Schreibtisch gelandet ist. Als Jungmama von zwei kleinen Kindern, die seit Februar wieder arbeitet, ist mir dieses Thema nicht fremd. Im Interview berichtet der Autor und Paarberater von den Fallen, in die gerade junge Eltern oft tappen und gibt Tipps für eine funktionierende Beziehung trotz Arbeit und Kind.
Frauen vermissen Unterstützung, Männer ihre Partnerin #
Wie merkt man, dass etwas in der Partnerschaft nicht mehr stimmt?
Sascha Schmidt: Meistens ist es ein schleichendes Auseinanderleben, dass die Paare zu mir in die Beratung bringt. Eine typisch weibliche Perspektive ist hier: "Er interessiert sich nicht mehr für meine Lebenswelt und ich habe keine Unterstützung". Von Männern hingegen höre ich oft: "Sie lebt nur mehr für die Familie, ich habe da gar keinen Platz mehr." Besonders dann, wenn die Frau wieder in den Beruf eingestiegen ist, wird oft festgestellt: "Mir fehlt etwas, ich bekomme nicht die nötige Unterstützung."
Gibt es eine Phase im Leben der Eltern, die besonders "anfällig" für Probleme ist?
Sascha Schmidt: Ja, die gibt es. Die meisten Klienten kommen zu mir, wenn das Kind im Kindergartenalter ist, also etwa zwischen drei und fünf Jahre alt. Wenn man als Paar zur Familie wird, und sich im Vorfeld gut abgesprochen hat, funktioniert es anfangs meist recht gut. In den meisten Fällen nimmt die Frau eine etwas längere Elternteilzeit und in den ersten zwei Jahren passt das häufig für beide Partner recht gut. Steigt die Frau aber wieder, meist Teilzeit, in den Beruf ein, fehlt ihr häufig die Unterstützung vom Partner. Die Männer hingegen klagen oft darüber, ihre Frau nur mehr als Mutter zu erleben und sie als Partnerin zu vermissen.
Väter wünschen sich mehr Zeit mit ihren Kindern #
Würde ein Rollentausch mehr Verständnis bringen?
Sascha Schmidt: Ich denke nicht, dass dies die Lösung wäre. Ich hatte in meiner Praxis bisher kein Paar, bei dem die Frau gesagt hat: "Mein Mann soll zu Hause bleiben, damit ich arbeiten kann." Die meisten Frauen verbringen gerne den Großteil der Zeit mit ihren Kindern und fühlen sich damit wohl. Sie möchten eben parallel dazu arbeiten, weil sie eine andere Art von Anerkennung haben möchten. Den Frauen geht es meist um mehr Unterstützung, darum, mehr gesehen zu werden.
Es gibt momentan aber ein Dilemma: Die Männer fangen zum Glück an, aktive Väter sein zu wollen. Dies bedeutet, sie wollen eine aktive Bindung und Beziehung zu ihren Kindern aufbauen und nicht nur mehr der Ernährer sein, wie das bei unseren Eltern oder Großeltern noch der Fall war. Damit dies funktioniert, müssten die Väter aber aktiv Zeit mit ihren Kindern verbringen - nicht nur am Wochenende. Oft kapitulieren die Väter aber, weil dieser Wunsch mit dem Job nicht unter einen Hut zu bekommen ist.
"Männer brauchen oft viel Mut, sich für die Familie zu entscheiden" #
Haben es Eltern heute schwerer?
Sascha Schmidt: Auf der einen Seite haben sie es leichter, andererseits ist Freiheit auch immer mit Eigenverantwortung verbunden und das ist schwierig. Leichter ist es, weil die Kinderbetreuung aber auch das Verständnis der Unternehmen - Stichwort Betriebskindergarten oder Teilzeitmodelle - sich deutlich verbessert hat. Auch die beiden Vätermonate sind kein Karriereabbruch mehr. Ich würde also sagen, gesellschaftlich aber auch seitens der Wirtschaft hat sich einiges zum Besseren verändert. Zugleich ist es aber auch schwieriger geworden, weil ein höherer, innerer Anforderungsdruck enstanden ist. Gerade in städtischen Gesellschaften muss eine Frau sich heute eher rechtfertigen, wenn sie länger zu Hause bleiben möchte. Bei den Männern hingegen erlebe ich oft, dass es viel Mut braucht, sich für die Familie und gegen den nächsten Karrieresprung zu entscheiden. Gerade ältere Chefs bzw. direkte Vorgesetzte verstehen solche Entscheidungen oft weniger gut.
„Frau- bzw. Mannsein als zentrale Energietankstelle“
„Einen Job kann man verschieben, ein Kind nicht.“
Man darf aber auch die Kinder bei dieser ganzen Diskussion nicht aus dem Blick lassen: Jedes Kind ist anders und für mich heißt es, dass ich immer schauen muss, wie es meinem Kind in einer Situation geht und wie es sich entwickelt. In meinen Augen ist es die Verantwortung von uns Eltern, eventuell auch zurückzustecken, wenn es dem Kind nicht gut geht - da hat das Kind immer Priorität. Einen Job kann man verschieben, ein Kind nicht.
3 Tipps für eine funktionierende Beziehung #
Haben Sie Tipps für eine funktionierende Beziehung als Eltern?
- Tipp 1: Sich bereits vor der Geburt des Kindes bewusst machen, dass mit dem Zeitpunkt der Geburt alles kopf steht und man emotional Sachen an sich kennen lernen wird, die man vorher nicht planen kann. Man muss sich auch bewusst machen, dass die Paarzeit eine Pause haben wird - das ist ganz normal.
- Tipp 2: Man sollte den Partner immer wieder einmal bewusst anschauen und zueinander sagen: "Wir sind immer noch Frau und Mann und wir erleben gerade gemeinsam das Abenteuer Familie". Das kann ein Blick sein, der Gute-Nacht-Kuss oder die Frage: "Wie ging es dir heute?" Hier geht es darum, aus der reinen Vater- oder Mutterrolle herauszutreten und die Verbindung zueinander aufrechtzuerhalten. Spätestens nach zwei Jahren Elternschaft rate ich immer ganz stark dazu, sich wieder gezielt Zeit als Paar zu nehmen. Sei es ein gemeinsamer Abend, ein Spaziergang oder ein Wochenende ohne Kinder. Je nach Situation und Möglichkeit wäre es ideal, wenn diese Paarzeit wieder zur Routine wird. Das dann aber bitte ganz ohne Zwang - es muss nicht der perfekte Abend oder das perfekte Date werden. Es gibt hierbei eigentlich nur eine Regel: "Wir reden nicht über das Kind und planen nicht den Alltag der nächsten Woche." Das ist eine Trainings- und Übungssache, und gelingt immer besser, Sie werden sehen.
- Tipp 3: Bleiben Sie in Kontakt zueinander. Versuchen Sie, immer wieder zu schauen: "Wo stehen wir und was fehlt dir oder was fehlt mir?" Man kann das gut vergleichen mit einem Oldtimer, den man in die Garage stellt, wenn das Kind da ist. Wenn man erst nach zwei Jahren wieder reinschaut, ist er verrostet. Schaut man hingegen auch dazwischen immer wieder einmal nach, macht zum Beispiel einen Ölwechsel und kümmert sich, dann ist er nach zwei Jahren nicht verrostet, sondern nur ein bisschen verstaubt - aber absolut fahrtüchtig. Und darauf kommt es an.
Zur Person
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Sascha Schmidt ist Business Coach (Karriere & Familie) und Paarberater für berufstätige Eltern in München. Er ist mehrfacher Buchautor und gefragter Interviewpartner rund um das Thema Vereinbarkeit von Beruf & Familie.
Bildnachweis: Schmidt, Shutterstock / Evgeny Atamanenko
Redaktion
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