Brauch ich ein Motivationsschreiben? Das meinen Recruiter*innen
Ist ein Motivationsschreiben sinnvoll oder kann ich mir die sogenannte dritte Seite in der Bewerbung sparen? Viele Jobsuchende stellen sich diese Frage ganz zurecht. Die Antwort lautet Jein …
Der Lebenslauf ist das Wichtigste in der Bewerbung. So weit sind sich Personalverantwortliche einig. Auch ein aussagekräftiges Bewerbungsschreiben ist – obwohl immer wieder totgesagt – nach wie vor sehr wichtig. An der „dritten Seite“, dem Motivationsschreiben, scheiden sich aber die Geister. „Sinnvolle Zusatzinformation“ meinen die einen, „unnötige Zeitverschwendung“ die anderen. Wir haben uns Argumente für und gegen ein Motivationsschreiben angehört und festgestellt: Die Motivation der Bewerber*innen ist für Recruiting-Verantwortliche ganz entscheidend, ein eigenes Schreiben ist aber oft unnötig.
Die Motivation in der Bewerbung klar betonen #
Claudia Reisinger, HR-Managerin bei karriere.at, erklärt den Sinn eines Motivationsschreibens folgendermaßen: „Wie das Wort Motivationsschreiben schon besagt, könnt ihr in diesem Schreiben eure Motivation für die Stelle und das Unternehmen hervorheben. Das ist ganz wichtig für unsere Führungskräfte und uns Recruiter, um vorab schon herauszufinden, was euch antreibt, warum ihr gerne diese Position ausüben würdet und was euch von anderen Kandidat*innen unterscheidet.“
Die dritte Seite muss nicht sein #
Dafür braucht es aber nicht unbedingt eine dritte Seite, meint Hubert Lehenbauer, Personalleiter der .mc Beratungsgruppe und Lehrgangsleiter am WIFI OÖ: „Wir Recruiter benötigen unbedingt ein aussagekräftiges Bewerbungsschreiben, jedoch kein eigenes Motivationsschreiben. Ein gutes Bewerbungsschreiben sollte die Motivation der Kandidat*innen ausreichend vermitteln.“
Der Sinn von Motivationsschreiben #
Am besten funktioniert das, so die Meinung beider Recruiter, anhand von Praxisbeispielen und bisherigen Erfahrungen, erklärt HR-Managerin Claudia Reisinger den Sinn von Motivationsschreiben: „Nicht zu vergessen sind praktische Beispiele aus dem beruflichen bzw. privaten Umfeld, die eure Ausführungen hinsichtlich eurer Motivation oder euren Charakterzügen nochmals untermauern. Wir lieben es, kreative und praxisnahe Anschreiben zu lesen und so manche Bewerber*innen bleiben uns dadurch auch längerfristig in den Köpfen. Das ist doch euer Ziel, oder? Sich langfristig und positiv in den Köpfen der Führungskräfte und Recruiter zu verankern. Das Motivationsschreiben ist der perfekte Platz, dies zu schaffen.“ – Hier wird deutlich: Ob die Motivation nun in einem eigenen Schreiben betont wird oder direkt im Anschreiben/Bewerbungsschreiben, ist weniger wichtig.
Die Motivation richtig beschreiben #
Anhand einschlägiger Berufserfahrung #
Hubert Lehenbauer bestätigt den Stellenwert von Berufserfahrung und Tätigkeitsbeschreibungen in der Bewerbung. „Ein gutes Bewerbungsschreiben bringt die Motivation des Kandidaten auf den Punkt und weckt so das Interesse des Personalverantwortlichen. Dies geschieht üblicherweise mit der bisher ausgeübten Tätigkeit, d.h. dass man bereits mehrjährige Branchenerfahrung oder Tätigkeitserfahrung hat. Sehr gut kommt es meist an, wenn man dabei mit Zahlen, Daten und Fakten argumentiert.“
Als Quereinsteiger oder Berufsanfänger #
Ohne konkrete Berufserfahrung ist das natürlich schwierig. Berufs- und Quereinsteiger*innen sollten daher auf Erfahrungen und Tätigkeiten aus ihrer Ausbildung oder Freizeit verweisen. Hubert Lehenbauer erzählt: „Bei der Suche nach einem Bankmitarbeiter hat sich ein Gymnasium-Abgänger beworben, der eigentlich nicht die bevorzugte Zielgruppe war, denn dies wären eher HAK-Absolventen gewesen. Er formulierte bereits im ersten Absatz, wie groß sein Interesse für Aktien- und Anleihenmärkte ist. Natürlich habe ich ihn eingeladen. Oder eine Bewerbung eines Pflichtschulabgängers zum KFZ-Techniker, der am Wochenende am liebsten an seinem Moped herumschraubt. Jemand der sich für Medientechnik und -design interessiert, sollte wohl schon eine Homepage für den Tennisverein gestaltet oder ein Video mit einer coolen Story geschnitten haben.“ Ist das der Fall, erzählst du davon in deiner Bewerbung und schickst das Video, den Link zur Website oder aber einfach ein Foto des selbst aufgemotzten Mopeds mit den Bewerbungsunterlagen mit.
Am deutlichsten „beweist“ du deine Motivation für eine Stelle also, indem du erklärst, wie lange du dich bereits für das Thema interessierst und wie du dir welche Kompetenz angeeignet hast. Nehmen die fachspezifischen Tätigkeiten sogar einen Platz in deiner Freizeit ein, liegt die Motivation für die Stelle auf der Hand.
Beispielformulierungen fürs Motivationsschreiben #
Damit du Inspiration für dein nächstes Bewerbungs- oder Motivationsschreiben bekommst, haben wir die beiden Personalverantwortlichen gefragt, welche Formulierungen sie überzeugen würden. Sie zeigen dir, wie du deine Motivation gut in der Bewerbung argumentieren kannst. Wichtig ist dabei aber immer, dass die Formulierung zu DIR passt und die Argumente der Wahrheit entsprechen. Also bitte nicht einfach kopieren, sondern auf dich anpassen:
- „… aufgrund meiner 5-jährigen Tätigkeit bei … bewerbe ich mich für …“
- „Bei meinem letzten erfolgreichen Projekt konnte ich folgende Erfolge feiern: …“
- „Bei meinen Aufträgen konnte ich einen durchschnittlichen Deckungsbeitrag von … erzielen“
- „In meiner Verantwortung steigerte ich in 5 Jahren den Umsatz der Abteilung von € XX auf € XY.“
- „Da ich mich in meiner Freizeit gerne mit … beschäftige, bewerbe ich mich bei Ihnen als …“.
- „XXX ist nicht nur eines meiner jetzigen Aufgabengebiete, sondern auch mein Steckenpferd und ich hoffe, es bringt mich zu euch.“
- „Ich schreibe, also bin ich. Die Leidenschaft für Sprache, das Verfassen von Texten und für die Konzeption und Umsetzung von Kampagnen begleiten mich auch in meiner bisherigen Berufserfahrung.“
- „Ich liebe es, mit Worten Neues entstehen zu lassen, zu fesseln und einem Unternehmen, einer Organisation und den Menschen dahinter das bestmögliche Auftreten zu verleihen. Wenn Sie einen Headline-Hunter mit dem Gespür für das richtige Wort und auf den Punkt gebrachte Messages suchen, liegen Sie bei mir genau richtig.“
- „Nach der Schulzeit hab ich mir meinen großen Traum erfüllt, für ein halbes Jahr nach Neuseeland zu gehen, um meine Englischkenntnisse zu erweitern und das Land kennenzulernen. Wieder zuhause angekommen, möchte ich jetzt ins Berufsleben einsteigen und meine Erfahrungen und sprachlichen Fähigkeiten in Ihrem international tätigen Unternehmen einbringen.“
Über Hubert Lehenbauer
Der ehemalige Bankangestellte studierte im zweiten Bildungsweg an der JKU in Linz Unternehmensführung, Personal und Marketing. Seit 2000 ist er als Personalleiter tätig, seit 2011 bei der .mc Beratungsgruppe. Sein Wissen aus der Praxis gibt er seit 2005 am WIFI OÖ als Bewerbungstrainer und -coach weiter, seit 2009 ist er zudem Lehrgangsleiter. Privat ist Hubert Lehenbauer leidenschaftlicher Ironman und Marathonläufer.
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