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Controlling und Rechnungswesen: Wer übersteht die Digitalisierung?

Arbeitsmarkt Erstellt am: 14. September 2021 6 Min.

Die Digitalisierung ist in vollem Gange und verändert ganze Berufsfelder gravierend. Rechnungswesen und Controlling gehören dazu. Welche Rolle werden Menschen in ein paar Jahren in diesen Berufen noch spielen und welche Fähigkeiten brauchen sie dafür? Wir wagen einen Blick in die Zukunft mit Rita Niedermayr, Geschäftsführerin des Controller Instituts.

Kreative, soziale und intellektuell anspruchsvolle Aufgaben liegen auch in Zukunft in Menschenhand, repetitive und geistig wenig aufwendige Tätigkeiten werden künftig von Maschinen übernommen. Das ist die Prognose, die sich seit Jahren immer mehr bewahrheitet.

Ein Berufsfeld, in dem die Automatisierung bereits große Veränderungen mit sich bringt, ist das Controlling. Damit entstehen jedoch Chancen und neue Perspektiven, wie Rita Niedermayr erklärt. Als Geschäftsführerin des Controller Instituts erzählt sie beim Competence Day am 21.9., worauf sich Controller*innen und Mitarbeitende im CFO-Bereich in Zukunft einstellen müssen. Wir haben sie vorab befragt.

Veränderungen im Controlling: Wie sich die Digitalisierung auswirkt #

Wie hat sich der Bereich Controlling in den vergangenen Jahren verändert?

Rita Niedermayr: Controlling hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert: Agilere Arbeitsweisen und Digitalisierung sind auch in der Controller-Praxis nicht mehr wegzudenken. Unser Controlling Panel 2020 mit mehr als 300 befragten Controlling-Leiter*innen im gesamten DACH-Raum zeigte, dass die Digitalisierung im Controlling (noch vor Corona!) Fahrt aufgenommen hat und zwar im Sinne einer ganzheitlichen und konsequenten Erneuerung der Controlling-Funktion.

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Rita Niedermayr, Geschäftsführung Controller Institut

Dies äußert sich zum einen in der Flexibilisierung der Controlling-Organisation als Top-Hebel zur Leistungssteigerung, aber auch in der Notwendigkeit, die die Unternehmen in der Weiterentwicklung der Data Science- und Business Partner-Kompetenzen sehen. Der Faktor Mensch rückte wieder zunehmend in den Mittelpunkt, da man im Controlling eng mit den Menschen im Management zusammenarbeitet.

Darüber hinaus konnten wir im Rahmen einer Anfang 2021 gemeinsam mit Schulmeister Consulting im CFO-Bereich durchgeführten Studie (n = 800 österreichische Unternehmen) feststellen, dass für 85,3 Prozent der Befragten Agilität und Flexibilität nach der Corona-bedingten Feuerprobe noch weiter an Bedeutung gewinnen. Zudem sprachen sich 80Prozent der befragten Personen auch für eine neue Form der Mitarbeiter*innenführung aus, nachdem Projektteams vermehrt agil arbeiten, klassische Führungsrollen nicht mehr durchgängig vorhanden sind und Hierarchien flacher werden.

Future Jobs: Was fällt weg, was kommt dazu? #

Wie lautet Ihre Prognose: Werden manche Jobs bzw. Tätigkeitsbereiche im Controlling in Zukunft durch die oben genannten Entwicklungen wegfallen oder neu entstehen?

Rita Niedermayr: Die Controller-Rollen werden sich weiter ausdifferenzieren und mit ihnen die entsprechenden Kompetenzprofile. Ausschlaggebend dafür: Transformationen aller Art (digital, green, New Work et cetera).

Ausdifferenzierung heißt jedoch nicht, dass jetzt plötzlich zehn verschiedene Leute mit verschiedenen Titeln oder Jobbezeichnungen im Unternehmen tätig sind, sondern dass sich diejenigen, die Entscheidungen treffen, bewusster werden, was die verschiedenen Rollenbausteine des Controllers sind und in welchem Umfang sie in Zukunft gebraucht werden. Das sind Rollen wie beispielsweise der Process Expert, Data Analyst/Scientist, Data Engineer oder der viel zitierte Business Partner.

Wichtig ist hier, dass es keine eierlegende Wollmilchsau gibt und ein einzelner Controller nicht alles können kann und muss. Daher gilt es, stärker in verschiedenen Rollen zu denken und rollenspezifische Kompetenzprofile zu entwickeln. Das bedeutet, dass so manche traditionelle Rolle (wie z. B. die des Datenlieferanten im Reporting) mehr und mehr zurückgedrängt wird, während andere neu interpretiert werden und weitere wiederum gänzlich neu hinzukommen.

Das WHU Controller Panel bietet einen Überblick über mögliche Rollen im Controlling und ihre Vielfalt.

Fähigkeiten der Zukunft und wie man sie ins Unternehmen bringt #

Welche Fähigkeiten braucht man im Controlling zukünftig?

Rita Niedermayr: Der Kompetenzrahmen für Controller umfasst mehrere Kompetenzfelder. Das sind Finanzen und Controlling, Management, Kommunikation und Zusammenarbeit, Technologie und Analyse, Geschäftsverständnis sowie persönliche Fähigkeiten und Eigenschaften, allen voran Lern- und Veränderungsbereitschaft.

Die hier angesprochenen Kompetenzen decken sich weitgehend mit den Top Skills 2025 des World Economic Forums, die für alle Ausbildungsebenen festgelegt wurden. Diese Felder sind per se nicht wirklich neu. Was sich aber durchaus verändert hat, sind ihre relative Bedeutung und der jeweilige Inhalt.

Unternehmen müssen sich nun aber schleunigst darum kümmern, dass ihre Mitarbeiter*innen mit diesen Kompetenzen ausgestattet sind.

Sind sich Unternehmen dessen bewusst, dass sie für die Weiterbildung und Höherqualifizierung ihrer Mitarbeitenden verantwortlich sind?

Rita Niedermayr: Ob es in den Unternehmen eine klare Strategie für den Ausbau der erfolgskritischen Kompetenzen gibt, ist eine spannende Frage. Die Antwort ist ein klares „Nein“. Auch wenn aufgrund des Corona-bedingt einsetzenden Digitalisierungsschubs und der Future of Work-Diskussion an dieser Stelle ein neues Bewusstsein entstanden ist, herrscht ein sehr hoher Handlungsbedarf. Laut einer Umfrage des Controller Instituts geben nur rund 25 Prozent der Anfang 2021 gemeinsam mit Schulmeister-Consulting befragten Unternehmen an, in ihren CFO-Organisationen über eine klare Strategie für den digitalen Kompetenzaufbau zu verfügen.

Nun wird gerne betont, dass Mitarbeiter für die Weiterentwicklung ihrer beruflichen Kompetenzen selbst verantwortlich sind. Das stimmt natürlich auch. Gleichzeitig müssen Unternehmen überlegen, welche Fähigkeiten sie brauchen, um zukunftsfähig zu bleiben, und wie sie diese Fähigkeiten ins Unternehmen bringen: durch neues Personal oder die Weiterentwicklung des bestehenden. In Zeiten von Fachkräftemangel kommt man um letzteres nicht herum.

Abseits des Controlling: Wie die Digitalisierung unser Arbeitsleben verändert #

Was denken Sie: Werden andere Berufsfelder und Branchen außerhalb des Controllings in ähnlicher Weise betroffen sein?

Rita Niedermayr: Es gibt kaum eine Disziplin oder eine Branche, die nicht betroffen sein wird. Laut dem Bericht des Weltwirtschaftsforums über die Zukunft der Arbeitsplätze werden 50 Prozent aller Arbeitnehmer*innen bis 2025 umgeschult werden müssen, da der Einsatz von Technologie zunimmt. Doch gerade die technologischen Umwälzungen, die Arbeitsplätze verändern, können auch der Schlüssel zu deren Schaffung sein und uns helfen, neue Fähigkeiten zu erlernen. Das Forum schätzt, dass bis 2025 85 Millionen Arbeitsplätze durch eine Verschiebung der Arbeitsteilung zwischen Menschen und Maschine wegfallen könnten. Gleichzeitig könnten 97 Millionen neuer Jobs entstehen.

Buchhalter oder Steuerberater sind laut dem Future of Jobs Report besonders stark von der Digitalisierung betroffen und könnten in ihrer heutigen Form schon in einigen Jahren nicht mehr existieren …

Rita Niedermayr: Ja, diese Berufsfelder werden sicherlich stark durch die Digitalisierung verändert werden. Ich denke aber nicht, dass es dann keine Menschen im Rechnungswesen mehr geben wird. Sie werden stattdessen andere Aufgaben übernehmen, die intellektuell anspruchsvoller sein werden. Repetitive Aufgaben werden automatisiert werden, aber jemand muss diese Automatisierung erst einmal konzipieren und dann überwachen, ob sie funktioniert. Buchalter*innen werden zukünftig vermutlich weniger Eingangsrechnungen verbuchen, sondern überprüfen, ob die Prozesse richtig aufgesetzt sind bzw. den regulatorischen und fachlichen Anforderungen entsprechen oder darum diese laufend weiterzuentwickeln. Weiters steht das intelligente Management von Daten – als Basis einer jeden Digitalisierung – im Mittelpunkt sowie auch die Nutzung neuer analytischer Werkzeuge und Methoden.

Nicht umsonst stehen kritisches Denken und Problemlösung ganz oben auf der Liste der Fähigkeiten, von denen Arbeitgeber*innen glauben, dass sie in den nächsten fünf Jahren an Bedeutung gewinnen werden. Neu hinzugekommen sind in diesem Jahr Fähigkeiten des Selbstmanagements wie aktives Lernen, Belastbarkeit, Stresstoleranz und Flexibilität.

Tipps für angehende Controller*innen #

Was ist Ihr Rat für angehende Controller*innen oder Menschen, die sich für eine Ausbildung/einen Job im Controlling interessieren?

Rita Niedermayr: Karrieren im Controlling sind in Zukunft vielfältiger und damit noch interessanter. Angehenden Controller*innen empfehle ich einen Blick auf die unterschiedlichen, sich dynamisch verändernden Rollen und den damit einhergehenden Karrierepfaden. Wir gehen davon aus, dass wir bei der Mehrzahl der Controller zukünftig eher über Karrieren von Manager*innen reden. Eine Controllertätigkeit kann damit mehr denn je ein attraktives Sprungbrett in eine Managementfunktion sein.

Daneben wird es weiterhin spezifische Expert*innenlaufbahnen geben, wie die Rollen des Data Engineers oder des Service Experts. Darin eröffnen sich spannende und zukunftsträchtige, weil mit viel Innovation verbundene Aufgaben- und Entwicklungsfelder für smarte und analytisch starke junge Leute.

Zum Competence Day #

Wie entwickelt sich der Controlling Bereich? Welche aufkommenden Kompetenzanforderungen, Future Skills, Berufsbilder und Jobs wird es in Zukunft geben? Das ist das Thema des Competence Day, einer kostenlosen Online-Konferenz des Controller Instituts. Führungskräfte und Mitarbeiter*innen aus der Finanz- sowie HR-Organisation mit Interesse an der digitalen und nachhaltigen Transformation sind ebenso willkommen wie angehende Controller*innen und Interessierte.

Über Rita Niedermayr

Rita Niedermayr ist seit 1990 Geschäftsführerin des Controller Instituts bzw. seit 1992 Partnerin und seit 2001 Geschäftsführerin bei Contrast Management-Consulting GmbH. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der WU Wien widmete sie sich der Lehr-, Forschungs- und Beratertätigkeit in den Fachgebieten Controlling sowie Finanz- und Rechnungswesen und strategische Unternehmensführung. Seit 2018 ist die gebürtige Linzerin zudem Associate Partner bei Contrast EY Management Consulting.


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