Der 3-Stunden-Arbeitstag – Zukunftsealität?
Die 30-Stunden-Woche: Von Arbeitnehmer*innen oft bejubelt, von Wirtschaftsvertretern gefürchtet. Diskussionen um eine kürzere Arbeitszeit gibt es schon seit Längerem und sie scheinen nicht enden zu wollen. Wie Zukunfts-Szenarien von der Arbeitszeitregelung aussehen können und ob es realistisch ist, dass wir alle in Zukunft nur noch drei Stunden am Tag arbeiten.
2030: Drei Stunden arbeiten am Tag. So malte es sich zumindest John Maynard Keynes vor nicht ganz einem Jahrhundert aus. Er war britischer Ökonom und präsentierte seine Visionen zur Arbeitszeit 1930 in einem bemerkenswerten Aufsatz mit dem Titel „Economic Possibilities for our Grandchildren“. In der damals vorherrschenden schweren Wirtschaftskrise wagte Keynes den positiven Blick in die Zukunft und vermutete, dass aufgrund des Fortschritts, der immer höheren Produktivität und des steigenden Vermögens „das wirtschaftliche Problem innerhalb von hundert Jahren gelöst sein dürfte“.
„Keynesʼ Vermutung: Größtes Problem 2030 ist die Freizeitgestaltung.“
Tatsächlich war Keynes davon überzeugt, dass man in absehbarer Zukunft in einer Fünfzehn-Stunden-Arbeitswoche die Mittel leicht verdienen könne, um seine Lebensbedürfnisse zu befriedigen und die Herausforderung dann eher im Ausfüllen der freien Zeit bestehen würde.
Nicht weniger arbeiten, sondern flexibler #
Was ist nun in der Generation der Enkel bisher wahr geworden? Ernüchternd wenig. Zwar fordern Gewerkschaften immer wieder eine kürzere Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich, schließlich gibt es auch viele negative Indikatoren einer langen Arbeitswoche: Wer viele Überstunden macht, ist nachweislich unzufriedener und auch öfter krank. Außerdem befeuern lange Arbeitszeiten die prekäre Arbeitsmarkt-Situation - so die Arbeitnehmervertreter. Gegen eine Arbeitszeitverkürzung argumentieren immer wieder Interessensvertreter der Unternehmen: Nicht kürzer, vielmehr flexibler müsse die Arbeitszeit gestaltet werden, um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verbessern zu können. Kürzere Arbeitszeiten hingegen würden die Industrie aus Österreich vertreiben und in weiterer Folge den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze bedeuten. Dementsprechend gering sind die bisher erzielten Erfolge.
Die 60-Stunden-Woche #
In der Tat hat sich seit Keynesʼ Aufsatz die Arbeitszeit stets verringert – bis in die 1970-er, seitdem stagniert sie. Um 1900 arbeitete man in Europa noch von Montag bis Samstag etwa 60 Stunden, erst seit Ende der 50-er Jahre gibt es in Österreich die fünf-Tage-Woche. Jedoch hat man 2018 in Österreich die Arbeitszeit-Höchstgrenze auf zwölf Stunden pro Tag bzw. 60 Stunden pro Woche angehoben. Erfreulich: Im selben Jahr hat das erste österreichische Unternehmen die 30-Stunden-Woche (bei vollem Gehalt) eingeführt.
Was Keynes falsch vorausgesagt hat? Die Vernunft des Menschen, denn viele können oder wollen es sich nicht leisten, weniger zu arbeiten. Negativ formuliert könnte man das auch als Gier bezeichnen. Menschen wollen mit mehr Arbeit auch mehr Geld verdienen, Unternehmer Gewinne steigern.
„Die Liebe zum Geld ist abscheulich!“
Zwar hat der britische Volkswirtschaftler die teils pathologische Liebe zum Geld der Menschen sehr wohl festgestellt, doch war er der Ansicht, dass ab dem Punkt, an dem die Grundbedürfnisse nach Essen, Kleidung, Wohnen etc. befriedigt sind, man sich nicht-wirtschaftlichen Zwecken widmen würde. Keynes war also ein Optimist und Philanthrop erster Güte. Leider lag er hier daneben!
„Höhere Produktivität = geringere Arbeitszeit bei gleichem Einkommen. Eine Milchmädchenrechnung?“
Prinzipiell ist die Rechnung recht einfach: Wenn die Produktivität steigt, sollte die Arbeitszeit bei gleichem Einkommen sinken. Nur muss sich die Gesellschaft organisieren und das ist dabei die große Herausforderung, da es Eigenschaften wie Neid und Gier gibt.
Nur 3 Stunden am Tag arbeiten - oder doch nicht... #
Darin liegt Keynesʼ Irrtum: Die Länge der Arbeitszeit hängt dabei nicht mit der Produktivität zusammen, sehr wohl aber mit der Höhe des Einkommens. Die Löhne der meisten arbeitenden Menschen wurden schlicht nicht so weit erhöht, dass sie sich mehr Freizeit leisten könnten. Zudem gilt es heute in einer Gesellschaft, die immer noch sehr an Leistung orientiert ist, eher als Fluch anstatt als Privileg, keine oder nur wenig Arbeit zu haben. In einer Zeit, in der in All-in-Verträgen immer mehr Überstunden miteinberechnet werden, gleichzeitig die Burn-out-Raten in die Höhe schnellen, sollte uns das doch zu denken geben.
Redaktion
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