Exit-Gespräch: Weil es nicht egal ist, warum Arbeitnehmer*innen kündigen
Unternehmenskultur
UnternehmenskulturAktualisiert am:
08. Februar 2023202302087 Min.7 Min.
Die Kündigung von Mitarbeiter*innen wird von Arbeitgeber meistens hingenommen, aber nicht immer hinterfragt. Möchte eine Organisation dazulernen, sollte sie aber genau das tun. Exit- oder Austrittsgespräche sind ein Personalentwicklungsinstrument, das sich dafür bestens eignet, aber nicht immer angewendet wird. Wie man ein Austrittsgespräch führt und welche Fragen dabei gestellt werden können, haben wir in unserem Leitfaden zusammengefasst:
Wenn Arbeitnehmer*innen kündigen, können Führungskraft und Arbeitgeber*innen auf zwei Arten reagieren: Entweder sie ziehen sich (eventuell sogar schmollend) zurück und sinnieren darüber, wie man so ein tolles Unternehmen einfach verlassen kann oder sie suchen das Gespräch, um die Gründe für den Austritt zu erfahren. Warum es schlau ist, Letzteres zu tun, weiß HR-Expertin Christina Wurm.
Die Gründe, warum jemand den Arbeitgeber verlässt, können vielfältig sein: Zu wenig Geld, schlechtes Arbeitsklima, nervige Kolleg*innen, cholerische Vorgesetzte, fehlende Karriereperspektiven oder andere Gründe, die man als Arbeitgeber nicht immer erfährt oder hinterfragt. „Mitarbeiter*innen, die selbst kündigen, haben nichts oder weniger zu verlieren. Daher erfährt man eher etwas über Verbesserungsmöglichkeiten und Schwierigkeiten im Unternehmen, als von bestehenden Arbeitnehmer*innen“, erklärt Christina Wurm.
Die Vorteile, die Austrittsgespräche mit sich bringen: #
Künftige Kündigungen aus immer wiederkehrenden Gründen vermeiden
Mitarbeiter*innenbindung und Zufriedenheit steigern
Führungsschwächen sichtbar machen
Offen formulierte Verbesserungsvorschläge aufgreifen und Maßnahmen ergreifen
Einblick in die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt
„Ein wichtiger Punkt ist auch der Imagegewinn, den ein Unternehmen durch das Führen von Austrittsgesprächen gewinnt. Schließlich signalisiert es dadurch, dass ihm die Mitarbeiter*innen wichtig sind, dass es sie wertschätzt und dass ihre Meinung für das Unternehmen wichtig ist. Voraussetzung ist natürlich, dass dieses Gespräch nicht das erste und einzige Mal ist, dass der Mitarbeiter nach seiner Meinung gefragt wurde“, sagt Wurm.
Dem Employer Branding zuträglich ist ein Exit-Gespräch aber auch nur dann, wenn die Ergebnisse zu Maßnahmen führen. „Arbeitgeber können zum Beispiel das Gehalt anpassen, Aufstiegs- oder Weiterbildungsmöglichkeiten oder generelle Arbeitsbedingungen verbessern. Oft liefern ausscheidende Mitarbeiter*innen auch sehr gute Verbesserungsvorschläge, die sie sonst nie geäußert hätten, weil sie nie gefragt wurden oder sich nicht getraut hätten“, erklärt Wurm. Als Arbeitgeber profitiert man also in mehrfacher Hinsicht vom Trennungsgespräch. Vorausgesetzt, man nimmt sich Vorschläge und Kritik zu Herzen und trifft auch entsprechende Verbesserungsmaßnahmen.
Das Exit-Gespräch wird nicht sofort im Anschluss an eine ausgesprochene Kündigung geführt, sondern mit zeitlichem Abstand zum Kündigungsgespräch. Damit sich die emotionalen Wogen auf beiden Seiten glätten können und man mit der nötigen Rationalität ins Gespräch gehen kann, bieten sich – je nach Kündigungsfrist oder Austrittstermin – die letzten zwei bis drei Wochen des*der Mitarbeiter*in an.
„Ein Gespräch erst kurz vor dem Austritt erhöht die Chancen auf ehrliches Feedback.“
Christina Wurm rät zudem: „Keinesfalls sollte das Gespräch vor der Ausstellung des Dienstzeugnisses erfolgen. Die Arbeitnehmer*in soll nicht befürchten müssen, dass sich kritische Anmerkungen negativ auf seine*ihre Beurteilung auswirken. Ein Gespräch erst kurz vor dem Austritt erhöht die Chance auf ehrliches Feedback.“ Auch deshalb, weil Menschen, die nach dem Gespräch noch ein paar Wochen in der Firma arbeiten, mehr Angst vor möglichen Konflikten haben, als wenn sie sich nach Feedback und Kritik zeitnah verabschieden können.
Für ein gelungenes Exit-Gespräch müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Laut Wurm gelten dieselben Rahmenbedingungen wie für ein Mitarbeitergespräch: „Das Exit-Gespräch ist ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch und sollte in angenehmer Atmosphäre geführt werden – mit wesentlich höherem Gesprächsanteil der Mitarbeiter*in als der Interviewer*in.“
Dafür gilt:
keine Störungen
Handy ausschalten
kein Notebook, Notizen besser handschriftlich machen
Raum mit größtmöglicher Privatsphäre wählen
Wie auch Mitarbeiter- oder Gehaltsgespräche sollten Austrittsgespräche persönlich stattfinden. In Videocalls sind die Rahmenbedingungen meist nicht so günstig für ein offenes Gespräch.
Und wer führt das Gespräch eigentlich? „Um die tatsächlichen Kündigungsgründe zu erfahren, sollte das Gespräch durch eine möglichst neutrale Person geführt werden. Entweder durch eine HR-Verantwortliche*n oder eine externe Berater*in. Insbesondere dann ist das wichtig, wenn man auch etwas über das tatsächliche Verhältnis der Mitarbeitenden zu ihren direkten Vorgesetzten herausfinden möchte“, sagt die HR-Expertin. Selbstverständlich sollte sein, dass das Feedback vertraulich behandelt wird. Möchte man Informationen mit anderen Führungskräften oder Mitarbeiter*innen besprechen, sollte man vorher das Einverständnis der ausscheidenden Kolleg*in einholen.
Für beide Seiten gilt: Ein Exit-Gespräch ist nicht der Ort für einen theatralischen Showdown, einen Schlagabtausch oder die finale Abrechnung. „Wichtig ist es, empathisch, wertschätzend und sachlich zu bleiben. Unternehmensvertreter*innen müssen der Mitarbeiter*in ausreichend Redezeit einzuräumen, sollten die Firma nicht verteidigen oder mit Rechtfertigungen beginnen. Es geht darum, mehr über die Erfahrungen und Sorgen der (Ex)-Angestellten zu erfahren. Auf keinen Fall darf das Gespräch wie ein Verhör wirken“, erklärt Wurm.
„Auf keinen Fall darf das Gespräch wie ein Verhör wirken.“
Ein positiver Abschied ebnet den Weg für ein Comeback #
Einen letzten Aspekt gibt es laut Wurm noch, der für Exit-Gespräche spricht: „Professionell geführt, eröffnet es die Möglichkeit, zukünftig eventuell wieder ein Arbeitsverhältnis miteinander einzugehen. Das ist besonders bei Mitarbeiter*innen interessant, die nur deshalb ausscheiden, weil sich zum aktuellen Zeitpunkt keine passenden Karrierechancen im Unternehmen bieten.“ Wie heißt es so schön? Man sieht sich immer zweimal im Leben.
Für Mitarbeitergespräche sind Leitfäden oder Fragenkataloge längst Standard, auch für Exit-Gespräche kann man sich einen Leitfaden zurechtlegen. Aus den Empfehlungen von Christina Wurm und den Fragen, die sich bei karriere.at bewährt haben, ist dieser Fragebogen entstanden, den ihr euch als kostenlosen Leitfaden für Exit-Gespräche herunterladen könnt.
Ein Tipp: Nicht alle Fragen passen zu jedem Unternehmen oder zu jeder Situation. Ergänzt und adaptiert den Leitfaden so, dass er bestmöglich für euch geeignet ist.
Christina Wurm blickt auf
langjährige Praxiserfahrung im Personalmanagement zurück und hat die
Personalentwicklung in namhaften oberösterreichischen Unternehmen
aufgebaut. Im Zuge ihrer Tätigkeit als Personalberaterin hat sie sich
neben der Personalsuche und -auswahl für Unternehmen, auf die Einführung
von Personalentwicklungsmaßnahmen, Recruitingtraining für
Führungskräfte sowie Bewerbungscoaching spezialisiert.
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