Gegen Rassismus: Leitfaden für einen fairen Bewerbungsprozess
karriere.at unterstützt Arbeitgeber mit Informationen und Handlungsempfehlungen beim Kampf gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Die folgenden Informationen und Handlungsempfehlungen wurden in enger Kooperation mit ZARA, dem Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, erarbeitet.
karriere.at möchte zu mehr Chancengleichheit am österreichischen Arbeitsmarkt beitragen, damit allein die Soft und Hard Skills darüber entscheiden, ob ein Mensch einen Job bekommt oder nicht.
Wir laden Leser*innen dazu ein, eigene Vorurteile und Privilegien zu reflektieren, sich über das Thema Rassismus in der Arbeitswelt zu informieren und mithilfe der downloadbaren Hilfsmaterialien von karriere.at Maßnahmen zu setzen, um faire Bewerbungsprozesse zu etablieren und damit eine diskriminierungsfreie Arbeitswelt zu fördern.
Status Quo in Österreich #
Der „fremd“ klingende Name, die dunkle Hautfarbe, das Kopftuch – Menschen in Österreich sehen sich aufgrund derartiger persönlicher Merkmale mit Schwierigkeiten bei der Jobsuche und im Arbeitsleben konfrontiert. Bei einem Anteil von 29 Prozent der Erwerbspersonen (Erwerbstätige und Arbeitslose; Quelle: Statistik Austria), die in Österreich einen Migrationshintergrund haben, ein nicht zu vernachlässigendes Problem. Die Formen der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und/oder Religion reichen dabei von rassistischen Kommentaren gegenüber Bewerber*innen über Diskriminierung bei der Auswahl von Kandidat*innen zum Bewerbungsgespräch bis hin zu unzulässigen Fragen beim Bewerbungsgespräch, etwa zur Religionspraxis.
Zahlen und Daten zu rassistischer Diskriminierung im Arbeitskontext #
- Die Gleichbehandlungsanwaltschaft des Bundes hat 2022/23 in 700 Fällen zum Thema Diskriminierung im Arbeitskontext aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit oder Religion informiert, beraten und individuell unterstützt.
- Der Verein ZARA für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit dokumentierte 2023 1.302 Meldungen von Rassismus in Österreich.
- In einer Umfrage der Jobplattformen karriere.at und hokify unter insgesamt 2.000 User*innen gaben 7 Prozent an, bereits von Rassismus im Bewerbungsprozess betroffen gewesen zu sein.
- Die European Union Agency for Fundamental Rights (kurz FRA) hat 2023 in einer Studie erhoben, wie häufig Diskriminierung in der Arbeitswelt auf Basis der Kategorie „Race“ passiert. Demzufolge haben in Österreich 34 Prozent der Befragten in den letzten fünf Jahren Diskriminierung bei der Arbeitssuche erfahren. Am Arbeitsplatz direkt waren 31 Prozent betroffen.
Was ist Diskriminierung am Arbeitsplatz? #
Erleben Menschen eine Schlechterstellung oder Benachteiligung im Berufsleben aufgrund von echten oder angenommenen persönlichen Merkmalen, so ist von Diskriminierung die Rede. Bei solchen persönlichen Merkmalen sind das Geschlecht, die ethnische Zugehörigkeit, die Religion oder Weltanschauung, das Alter und die sexuelle Orientierung gemeint. In Österreich verbietet das Gleichbehandlungsgesetz die Diskriminierung von Menschen aufgrund dieser Merkmale.
Diskriminierung ist aber nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Im folgenden Artikel findest du Beispiele für unterschiedlichen Ausprägungen von Diskriminierung am Arbeitsplatz:
Werden Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer Religion diskriminiert, so spricht man von Rassismus. Beim sogenannten „Othering“ wird ein Unterschied zwischen weißen und Schwarzen Menschen konstruiert, wobei weiße Menschen soziale, wirtschaftliche und politische Privilegien haben und Schwarze Menschen diese Privilegien nicht haben und – bewusst und unbewusst – benachteiligt werden.
„Das Schönheitsideal, das hellere Haut bevorzugt, ist immer noch weit verbreitet und beeinflusst auch den Bewerbungsprozess.“
„Das Schönheitsideal Je heller, desto besser existiert immer noch“, erklärt die Rassismus-Expertin Amina El-Gamal vom Verein ZARA . „Je eher eine Person als Schwarz gelesen wird, desto eher ist sie von Diskriminierung betroffen.“ „Schwarz gelesen“ werden Personen mit dunklerer Hautfarbe, mit den tatsächlichen Farben haben die Bezeichnungen „schwarz“ und „weiß“ nichts zu tun (siehe Info-Box „Zur Schreibweise“ rechts). „Ein Stück Papier ist weiß, aber das ist keine Hautfarbe.“
Zur Schreibweise
In der Fachliteratur wird „Schwarz“ in der Regel großgeschrieben, aber nicht kursiv. „Weiß“ hingegen klein und kursiv. Das macht deutlich, dass die Begriffe nicht die hellere und dunklere Hautfarbe meinen, sondern die gesellschaftliche Positionierung von Personen. „Schwarz“ ist darüber hinaus eine Selbstbezeichnung.
Rassistische Diskriminierung basiert auf Annahmen über Menschen mit hellerer und Menschen mit dunklerer Hautfarbe. Mit den tatsächlichen menschlichen – und fachlichen – Qualitäten der konkreten Person haben diese Zuschreibungen nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um Vorurteile.
Mehr zum Thema Rassismus, wie er entsteht und wie er den Bewerbungsprozess beeinflusst erfährst du im Interview mit Rassismus-Expertin Amina El-Gamal.
Diskriminierungsfreier Bewerbungsprozess, so geht's!
#
Jeder Mensch hat Vorurteile. Sind uns diese nicht bewusst, spricht man von „Unconscious Bias“, also unbewusster bzw. impliziter Voreingenommenheit. Sie kann dazu führen, dass wir ein Gegenüber aufgrund äußerlicher oder persönlicher Merkmale bevorzugen oder ablehnen, ohne mehr über die Person, ihre menschlichen Qualitäten oder fachlichen Qualifikationen zu wissen – also zu (unbeabsichtigter) Diskriminierung.
Um dich dabei zu unterstützen, möglichst objektive Kriterien beim Recruiting anzuwenden, und deinem eigenen Bias ein Schnippchen zu schlagen, haben wir auf dieser Seite Informationen und Handlungsempfehlungen gesammelt. Wir betrachten drei Phasen im Bewerbungsprozess und geben Tipps und Hinweise, was Arbeitgeber bzw. Personalverantwortliche tun können, um rassistische Diskriminierung bei jedem Schritt zu vermeiden.
Stelleninserat #
- Inklusive Formulierungen
Schon im Stelleninserat haben Arbeitgeber die Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass sich die ethnische Herkunft und Religion von Bewerber*innen nicht negativ auf deren Chancen auf eine Position auswirkt: Laut dem aktuellen karriere.at Arbeitsmarktreport enthielten 2023 insgesamt 9 Prozent aller Stelleninserate den Begriff „Vielfalt“, 8 Prozent den Begriff „Chancengleichheit“ und 3 Prozent den Begriff „Diversity“.
„Alle qualifizierten Bewerber*innen werden ohne Rücksicht auf Ethnie, Religion, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Behindertenstatus berücksichtigt.“
Tipp
Hole vor der Veröffentlichung Feedback von der Zielgruppe ein, die du ansprechen möchtest.
Beim Text kann aber nicht nur der Inhalt, sondern auch die Ausdrucksweise dafür sorgen, dass sich jemand bei einem Arbeitgeber bewirbt – oder eben nicht. Wird das Inserat in einfacher Sprache formuliert, spricht es eher Menschen mit Deutsch als Zweitsprache und/oder niedriger Lesekompetenz an. Enthält das Inserat eine lange Liste an Anforderungen, schrecken Frauen eher vor einer Bewerbung zurück als Männer, weil sie denken, alle gefragten Qualifikationen mitbringen zu müssen. Sogar bestimmte Schlagwörter sprechen unterschiedliche Personengruppen stärker an. Alle Informationen über inklusive Sprache im Stelleninserat findest du im Blog-Post (inklusive Checkliste).
- Diverse Bildsprache
Ein altes Sprichwort besagt: „Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte.“ Studien unterstreichen diese Weisheit, denn unser Gehirn verarbeitet Bilder 60.000 Mal schneller als Text. Diesen Fakt können sich Arbeitgeber bei der Gestaltung ihrer Stelleninserate zunutze machen. Denn diese informieren Jobsuchende nicht nur über offene Positionen, sondern geben durch die Integration von Bildern auch Einblicke in die Unternehmenskultur.
Arbeitgeber, die bei der Bildauswahl bedacht vorgehen, können sich bereits mit dem Stelleninserat als divers und inklusiv positionieren. Durch diese Haltung punkten sie bei Arbeitnehmer*innen und sprechen eine breitere Zielgruppe an Menschen an.
Im Artikel erfährst du, worauf du bei diverser Bildsprache achten musst und erhältst sieben Tipps für die Umsetzung. Im Sinne der Verständlichkeit werden sowohl positive als auch negative Beispiele für diverse Bildsprache vorgestellt.
Auswahl der Kandidat*innen #
Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft und Religion ist in Österreich verboten. Dennoch ist sie im Einzelfall oft schwer nachzuprüfen. Studien zeigen jedoch, dass Menschen, die einen „fremd“ klingenden Namen, einen dunklen Hautton haben und/oder Kopftuch tragen, bei identischem Lebenslauf seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden.
Eine Studie der Linzer Johannes-Kepler-Universität erregte vor einigen Jahren Aufsehen: Der Versand eines Lebenslaufs mit einem deutsch klingenden Namen hatte deutlich häufiger eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch nach sich gezogen (in 19 Prozent der Fälle) als der Versand eines Lebenslaufs mit einem türkisch klingenden Namen (13 Prozent) – bei ansonsten identischer Qualifikation! Am seltensten erfolgte eine positive Rückmeldung auf den Lebenslauf mit türkisch klingendem Namen und einem Bewerbungsfoto, das eine Frau mit Kopftuch zeigte. Nur in 4 Prozent der Fälle wurde diese fiktive Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
„Umso sichtbarer bestimmte Merkmale sind, umso eher sind Personen von Diskriminierung betroffen. Personen, die ein Kopftuch tragen und als muslimisch gelesen werden sind in Österreich sehr häufig von Diskriminierung betroffen“, bestätigt auch Amina El-Gamal. Ob diese Personen tatsächlich muslimisch seien, sei in den meisten Fällen nicht bekannt – und darf in Bezug auf eine Bewerbung laut Gleichbehandlungsgesetz auch keine Rolle spielen.
„Umso sichtbarer bestimmte Merkmale sind, umso eher sind Personen von Diskriminierung betroffen. Personen, die ein Kopftuch tragen und als muslimisch gelesen werden sind in Österreich sehr häufig von Diskriminierung betroffen.“
- Anonymisierte Bewerbungsverfahren
Im angelsächsischen Raum, Skandinavien und einigen weiteren europäischen Ländern haben sich anonymisierte Bewerbungsverfahren als Standard etabliert, allen voran der Verzicht auf das Foto im Lebenslauf.
Bei vollständig anonymisierten Bewerbungsverfahren erhalten Personalverantwortliche keine Angaben zu persönlichen Daten wie Alter, Geschlecht, Familienstand oder Staatsangehörigkeit. Das soll dazu führen, dass lediglich die fachliche Qualifikation und Motivation als Basis für die Entscheidung dient, ob jemand für eine Stelle in Betracht gezogen wird oder nicht.
Dabei gibt es die Möglichkeit, auf die Angabe von persönlichen Daten in Bewerbungen von vornherein zu verzichten oder diese nachträglich zu anonymisieren, bevor Personalverantwortliche eine (Vor-)Auswahl treffen. Ist die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch erfolgt, können die persönlichen Angaben bekannt gegeben werden, sodass diese den Personalverantwortlichen zum Zeitpunkt des Gesprächs bekannt sind.
„Der Abbau von Vorurteilen, die mit Porträts, Namen und Geburtsdaten verbunden sind, öffnet die Türen für talentierte Personen, die sonst vielleicht übersehen würden, und bereichert die Belegschaft um vielfältige Fähigkeiten und Perspektiven.“
Die deutsche Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat in Kooperation mit verschiedenen Unternehmen und Arbeitgebern aus dem öffentlichen Dienst 12 Monate lang anonymisierte Bewerbungsverfahren getestet. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass „anonymisierte Bewerbungsverfahren technisch leicht umsetzbar sind und vor allem Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund bessere Chancen zur Einladung zum Bewerbungsgespräch bringen können“. Ihre Erfahrungen sowie eine umfangreiche Handlungsanleitung wurden im Leitfaden für Arbeitgeber veröffentlicht.
Darin nennt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes drei Methoden der Anonymisierung von Bewerbungsunterlagen:
- Anonymisierte Online-Bewerbungsbögen, in denen Kompetenzen, Qualifikationen und Motivation von Bewerbenden erfasst werden.
- Einheitliche, anonymisierte Bewerbungsformulare, die Bewerbende per Download, E-Mail oder Post erhalten und ausgefüllt zurückschicken.
- Nachträgliche Anonymisierung der herkömmlichen Bewerbungsunterlagen (durch Schwärzen oder Übertragen von Daten)
- Dokumentation zur Entscheidung
Schon beim Sichten von Bewerbungsunterlagen ist es sinnvoll schriftlich festzuhalten, warum eine Person zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird oder nicht. Wird eine Entscheidung im Nachhinein kritisiert oder hinterfragt, ist es leichter, sie sachlich zu begründen. Bewahre die Unterlagen nach Abschluss des Auswahlverfahrens mindestens ein halbes Jahr auf. So lange können abgelehnte Bewerber*innen Ansprüche nach dem Gleichbehandlungsgesetz geltend machen.
Tipp: Religiöse Feiertage beachten
Lege den Termin des Bewerbungsgesprächs nicht auf einen Feiertag einer in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaft. Diese findest du zum Beispiel im Interkulturellen Kalender der Stadt Wien.
Bewerbungsgespräch #
Um den Einfluss unbewusster Vorurteile auf die Beurteilung von Kandidat*innen zu reduzieren, können schon einige simple Maßnahmen helfen:
- Vier-Augen-Prinzip: Mehr als eine Person führt das Bewerbungsgespräch, um Intersubjektivität sicherzustellen.
- Standardisierte Fragen: Jeder Kandidat*in werden die gleichen für die Position relevanten Fragen gestellt.
- Schriftliche Dokumentation: Zur späteren Nachvollziehbarkeit werden Antworten und Eindrücke während des Gesprächs notiert.
Weitere Maßnahmen und praktische Download-Materialien findest du im folgenden ausführlichen Blog-Artikel:
Weiterführende Quellen #
Unterstützung für Arbeitnehmer*innen #
Von Rassismus betroffene Arbeitnehmer*innen erhalten Beratung und Unterstützung bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft, einer unabhängigen Dienststelle des Bundeskanzleramts.
Unterstützung für Arbeitgeber #
Personalverantwortliche und Arbeitgeber, die sich in Bezug auf Diskriminierung am Arbeitsplatz weiterbilden möchten, ohne selbst davon betroffen zu sein, können sich ebenso an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden oder Angebote von Vereinen wie ZARA (z.B. Unternehmens-Workshops von ZARA Training) oder privaten Beratungsdienstleistern in Anspruch nehmen.
Lese- und Hörtipps #
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Über die Expertinnen #
Rita Isiba ist Geschäftsführerin vom Verein ZARA. Sie ist auch die Gründerin von Aphropean Partners, das Engagement-Dienstleistungen für Teamzusammenhalt und Inklusion am Arbeitsplatz bietet. Als Corporate Trainerin bietet Rita Workshops an und hält Vorträge für Organisationen von der Austrian Development Agency bis zu Dynatrace. Als Dozentin an der Universität für Angewandte Kunst Wien lehrt Rita Community-Engagement für das Masterprogramm für Angewandte Menschenrechte.
Amina El-Gamal studierte Erziehungswissenschaften und Spanisch im Bachelor an der Universität Innsbruck und absolvierte ihren Master in Internationaler Entwicklung an der Universität Wien. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind Entwicklungsforschung, Geschlechterforschung, Anti-Diskriminierung und Intersektionalität. Sie war bei verschiedenen feministischen und entwicklungspolitischen Organisationen, an der Universität Wien sowie als Autorin und Radiomacherin tätig. Bei ZARA ist sie seit 2022 die Leitung des Public Outreach und Projektkoordination.
Lust auf Austausch und mehr Information? #
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Maresa Mayer
PR Managerin
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