Generationenkonflikte? Kolleginnen aus vier Jahrzehnten im Gespräch – Teil 1
Wo unterschiedliche Generationen zusammenkommen, ist das Konfliktpotenzial hoch. Unterschiedliche Erziehung, unterschiedliche Ausbildungen, Erfahrungen und Sichtweisen prallen aufeinander. Streit ist da fast vorprogrammiert. Wie schafft man es aber, diesen zu vermeiden, und wo entstehen Generationenkonflikte am häufigsten? Wir haben Vertreterinnen aus vier Generationen zum Gespräch gebeten und spannende Antworten gefunden.
Arbeiten bis weit über 60 ist keine Seltenheit mehr – so passiert es, dass 45 Jahre und mehr zwischen den Kollegen im Team liegen. Altersunterschiede, die nicht selten zu Generationenkonflikten führen. Auch bei uns im Büro gibt es die – vor allem dann, wenn viele Generationen in ein und derselben Abteilung zusammenarbeiten. Ich hab mich in einer davon umgehört und vier Kolleginnen aus vier Jahrzehnten zum Gespräch gebeten. Als Vertreterin ihrer jeweiligen Generation wollte ich von ihnen wissen, wann altersbedingte Konflikte entstehen, ob sie die gängigen Klischees bestätigen können und ob es vielleicht Themen gibt, bei denen sie sich immer einig sind. Ihre Meinungen sind natürlich nicht repräsentativ für die gesamte Altersklasse, interessant sind sie aber dennoch.
Das sind die Teilnehmerinnen*:
- Elisabeth, 56: Geboren 1963 vertritt sie die Generation der Babyboomer (etwa 1955-1969).
- Maria, 45: Als Jahrgang 1974 steht sie für die Generation X (circa 1965-1980).
- Selina, 34: Die 1985 Geborene gehört zur Generation Y (etwa 1981-1996).
- Daria, 23: 1996 geboren ist sie die Jüngste in der Abteilung und steht an der Grenze zur Generation Z (circa 1997-2012).
*Aus Gründen der Privastsphäre haben wir die Namen der Gesprächsteilnehmerinnen geändert.
Wo Generationenkonflikte entstehen #
Eins gleich vorweg: Warum Konflikte entstehen, ist sicherlich selten nur auf Altersunterschiede oder eben die Generation zurückzuführen. Die Persönlichkeit spielt natürlich immer eine große Rolle. Das vorliegende Gespräch stellt dementsprechend keine Ursachenforschung dar, sondern liefert vielmehr ein Stimmungsbild. Es soll zum Nachdenken anregen über eigene Erfahrungen, eigene Vorurteile und den eigenen Umgang mit älteren und jüngeren Generationen. Den Gesprächsteilnehmerinnen und mir hat es jedenfalls dabei geholfen, einander besser zu verstehen – Nachahmen ist wärmstens empfohlen!
Die Arbeitsmoral: Wann ist Zeit für Spaß? #
Randnotiz: Als ich in der Abteilung gefragt habe, wer für ein Gespräch über Generationenkonflikte bereit wäre, hätte ich nicht damit gerechnet, dass sich so schnell Kandidaten aus jeder Generation finden würden. Aber zehn Minuten nachdem ich das E-Mail geschickt hatte, stand unsere Gruppe fest. Das Thema findet offensichtlich Anklang – ich bin gespannt, wie sich das Gespräch entwickelt. Zur Vorbereitung habe ich den Damen einige Fragen geschickt und fange gleich mit der brennendsten an:
Wann kommt es bei euch zu Generationenkonflikten?
Maria: Ich denke mir bei den Jungen manchmal: Das einzige, was die tun, ist blödeln und singen … Wieso müssen die so laut sein? Aber eine Woche später höre ich, wie sie viel bessere Gespräche führen als ich. Ich habe das anders gelernt: pflichtbewusst sein, die Arbeit erledigen und nicht nörgeln … Das ist aber heute nicht mehr so. Für die Jungen gibts keine Arbeit im Akkord – die lassen sich da nicht so stressen. Und diese zwei Sichtweisen führen manchmal zu Reibereien.
Selina: Ich finde auch, dass die Jüngeren oft die Grenze zwischen Arbeit und Spaß zu wenig ziehen. Spaß muss sein, aber irgendwann ist damit auch wieder Schluss und man muss weiterarbeiten. Diese Einstellung haben die Jungen nicht. Allerdings glaube ich, dass das weniger an der Generation Z liegt, sondern am Alter. Mit Anfang 20 war ich genauso.
Daria, wie siehst du das? Könnt ihr Jungen wirklich nicht zwischen Spaß und Pflicht unterscheiden?
Daria: Ja, schon. Wir machen unsere Arbeit und erreichen auch unsere Ziele – aber wir sind oft zu laut, das übersehen wir oft. Darum ist das ganz gut, wenn man uns ein bisschen einbremst. Was aber definitiv stimmt, ist, dass wir vieles einfach lockerer sehen. Was die „Arbeitsmoral“ oder Arbeitsweise angeht, glaube ich, dass sich die Generationen da so unterscheiden, weil sich die Lehrzeiten stark verändert haben. Die Lehrherren waren früher viel strenger und du als Lehrling quasi der Depp vom Dienst. Jetzt hat man als Lehrling schon so viele Rechte, niemand darf dich schlecht behandeln oder dich zum Beispiel zum Putzen oder Jause holen zwingen, wenn gerade nix los ist.
Elisabeth: Was heute zu wenig ist, war früher zu viel. Du musst aufpassen, dass du die Dinge nicht zu locker siehst. Immerhin ist es dein Arbeitsplatz, um den es da geht.
Maria: Genau, das ist die Denkweise, die wir mitbekommen haben. Wenn du etwas falsch machst oder Grenzen überschreitest, musst du Angst um deinen Arbeitsplatz haben. Du musst dich unterordnen. Das war früher ganz üblich – heute hat man bei der Arbeit viel mehr Freiheiten und die Jungen kennen das eben nur so.
Der Stellenwert von Arbeit: Was ist mir mein Job wert? #
Randnotiz: Der Stellenwert von Arbeit scheint
sich bei den verschiedenen Altersstufen zu unterscheiden. Das geht auch
aus Studien hervor: Die jüngeren Generationen, vor allem die Gen Z,
würden Arbeit als nicht mehr so wichtig empfinden – Freizeit, Freunde
und Familie sind wichtiger. Darum sei diese Generation nicht bereit,
sich für ihren Job aufzuopfern und kündigt schneller. Ich konfrontiere
die Gesprächsteilnehmerinnen mit dieser Aussage und will wissen, was sie
davon und von der These halten, die älteren Generationen seien eher
bereit, für ihren Job auch mal „die Krot zu schlucken“, da Arbeit und
Sicherheit für sie einen sehr hohen Stellenwert haben.
Elisabeth: Genau so ist es! Der Job gibt dir zu essen und zahlt deine Miete. Du kannst ja nicht dauernd vom Staat leben, da landest du irgendwann auf der Straße. Ich kann verstehen, wenn es die Jungen nicht lange wo hält, weil sie die Arbeit nicht interessiert. Ich hatte das Gefühl auch, als ich jung war. Aber ich hab erkannt: Meine Arbeit ermöglicht es mir, dass ich mir die Welt ansehe. Nur so kann ich mir das leisten. Und für dieses Ziel hab ich viel in Kauf genommen.
Daria: Aber es hat doch jeder berufliche wie private Ziele, die sich entwickeln oder ändern können. Welche das sein werden, kann ich jetzt noch nicht sagen ... Ich möchte noch studieren und mir mehrere Optionen offen halten. Was ist, wenn mir mein jetziger Job mit vierzig nicht mehr gefällt und ich dann umsteigen will? Ich würde nie einen Job machen, der mir keinen Spaß macht, nur weil er mir Sicherheit bietet.
Maria: Da sieht man auch, wie sich der Arbeitsmarkt gewandelt hat. Ich finde es super, dass es diese Möglichkeiten heutzutage gibt. Wir wären ja mit Anfang Zwanzig gar nicht auf die Idee gekommen! Zu unserer Zeit hieß es: Das lernst du und da bleibst du. Je kürzer der Lebenslauf, umso besser. Mittlerweile ist es eher umgekehrt: Je mehr Erfahrungen du gesammelt hast, umso besser. Wenn jetzt diese verschiedenen Altersstufen zusammenkommen, entstehen zwangsläufig Reibereien. Ich merke, dass das bei Firmen mit älteren Führungskräften oft ein Problem ist. Die haben noch die Denkweise: Wir schreiben einen Job aus und die Leute kommen eh und machen die Arbeit so, wie ich es ihnen vorschreibe – diese Leute verstehen oft nicht, warum sie keine passenden Mitarbeiter*innen finden.
Gründe für die Berufswahl: Sicherheit oder Selbstentfaltung? #
Randnotiz: Die Thesen scheinen sich zu bestätigen. Das zeigt sich sicherlich auch in den Gründen für die Berufswahl, denke ich mir und werde bestätigt: Während die beiden mittleren Generationen sehr ähnliche Gründe hatten, liegen zwischen der 56-jährigen Elisabeth und der 23-jährigen Daria Welten …
Warum habt ihr euch eigentlich genau für diesen Job entschieden?
Selina: Ich war arbeitslos und hab mich für verschiedene Stellen beworben. Ich hab dann den Job angenommen, bei dem ich zuerst die Zusage hatte – ich musste ja meine Miete zahlen und brauchte das Geld. So nach und nach bin ich dann in den Job reingewachsen und es hat angefangen, mir zu gefallen. Am Anfang wars noch Neuland, aber ich wollte einfach in diesen Bereich reinschnuppern.
Maria: Bei mir wars ähnlich. Ich wollte zwar Matura machen und studieren, aber meine Eltern haben erwartet, dass ich eine Lehre mache und Geld verdiene. Ich hab dann eben das genommen, was am greifbarsten und am schnellsten verfügbar war. Begeistert war ich nicht, aber ich bin reingewachsen. Nein sagen und aus der Pflicht ausbrechen war damals keine Option – das ist zum Glück heute anders.
Elisabeth: Ich durfte keinen Beruf erlernen, musste nach der Schule gleich arbeiten gehen. Ich war dann zuerst in verschiedenen Textilfabriken am Fließband tätig, hab geackert wie ein Gaul. Für die Führungskräfte waren wir nur Roboter, die haben uns angeschrien, uns Überstunden aufgebrummt, ohne auf irgendetwas Rücksicht zu nehmen. Nach der Geburt meiner zwei Kinder war ich sechs Jahre lang zuhause, aber wollte unbedingt wieder arbeiten, nur war mir bewusst: In der Fabrik mit zwei kleinen Kindern – das geht nicht mehr. Ich hatte dann Glück und hab einen Job im telefonischen Kundendienst bekommen und gemerkt: Das liegt mir. Ich hab mich schließlich hier beworben und durfte mich beweisen.
Daria: Ich wollte eigentlich in eine andere Richtung gehen, das ist aber nichts geworden. Daraufhin hab ich mich für die Bürokauffrau-Lehre entschieden und konnte mich zwischen zwei Lehrstellen entscheiden. Mein jetziger Job macht mir Spaß, aber ich überlege schon: Ist das in zwanzig Jahren auch noch so?
Also im Vergleich zu Elisabeth hattest du ganz andere
Beweggründe: Du hast überlegt, was dir Freude macht, und nicht das
Erstbeste genommen.
Daria: Ja, genau. So denken viele in meinem Alter. Ich glaube nicht, dass meine Generation oder noch Jüngere ihr Leben lang denselben Beruf machen wollen – außer man kann sein Hobby zum Beruf machen. Aber es stehen einem heutzutage so viele Möglichkeiten offen. Warum sollte ich dann etwas machen, das mir nicht zu 100 Prozent Spaß macht? Genau deshalb schauen auch viele in meiner Altersklasse, dass sie sich nebenbei ein zweites Standbein aufbauen können, studieren, einen zweiten Bildungsweg einschlagen.
Maria: Diese Denkweise können wir uns zum Vorbild nehmen. Ich bin jetzt 45 und arbeite sicher noch zwanzig Jahre lang. Da denke ich mir mittlerweile auch, ich will noch etwas dazulernen. Vielleicht nur nebenbei, aber die Einstellung der Jungen inspiriert mich da sehr.
Selina: Wobei man sagen muss: Die Jungen können das noch leichter, die haben noch keine Familie, kein Haus zu erhalten, die haben noch nicht diese finanzielle Verantwortung wie meine Altersklasse. Ich hab ein Haus, ich brauche einen sicheren Job. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht noch nebenbei studieren gehen, weil ein Haus auch sehr viel Arbeit bedeutet. Ich hab mich aber bewusst dafür entschieden: Mir ist die Zeit für Privates sehr wichtig, wichtiger als eine große Karriere. Außerdem kann etwas Neues auch immer schiefgehen – und das kann ich mir nicht leisten.
Maria: Dieses Sicherheitsdenken haben wir sicher mehr als die Jungen.
Daria: Das glaub ich nicht. Jeder mit Hausverstand weiß, dass eine gewisse Sicherheit nötig ist. Ich muss ja auch meine Miete zahlen und kann mich nicht darauf verlassen, dass das jemand anderer für mich tut. Wobei, es stimmt schon: Es gibt genug Menschen aus der Generation Z, die noch gar nicht an die Zukunft oder an Konsequenzen denken. Teilweise sind sie auch von zuhause zu sehr verwöhnt und verlassen sich darauf, dass es die Mama wieder richtet, wenn sie etwas verbockt haben.
Elisabeth: Das ist sicher eine Persönlichkeitsfrage. Es gibt Junge, die verlassen sich zu sehr aufs Hotel Mama. Und es gibt andere, die wollen alles ohne Hilfe selbst schaffen. Das bewundere ich.
Randnotiz: Interessanter Perspektivenwechsel. Während Daria ihre
Altersgenossen kritisiert, relativiert die 33 Jahre ältere Elisabeth.
Ist die Generation Z tatsächlich so oberflächlich, undankbar und
verantwortungslos, wie man ihr nachsagt? Das besprechen wir im zweiten Teil des Gesprächs ...
Redaktion
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