Wie löst man Generationenkonflikte? Kolleginnen aus vier Jahrzehnten im Gespräch - Teil 2
Unterschiedliche Generationen bringen unterschiedliche Sichtweisen zusammen. Konflikte entstehen dabei zwangsläufig, lassen sich aber leicht lösen. Im Gespräch mit vier Arbeitskolleginnen aus vier Jahrzehnten erfahren wir, was der Schlüssel zur Lösung von Generationenkonflikten ist und welche Rolle die Führungskraft dabei spielt.
In Teil 1 des Gesprächs habe ich von meiner bunt gemischten Gesprächsrunde erfahren, in welchen Situationen im Arbeitsalltag die meisten Generationenkonflikte entstehen und dass die Arbeitsmoral, der Stellenwert von Arbeit und die Gründe für die Berufswahl in jeder Altersklasse ein wenig anders sind. Wenn du Teil 1 nicht gelesen hast, solltest du das an dieser Stelle tun. Für alle anderen gibt es hier eine kleine Zusammenfassung zur Erinnerung:
- Generationenkonflikte entstehen in der Abteilung meiner Gesprächsrunde am ehesten, wenn die jüngeren Kolleg*innen "zu viel Spaß" bei der Arbeit haben.
- Spaß und Arbeit sind für ältere Kolleg*innen zwei Paar Schuhe, Arbeit bedeutet Konzentration und Ernsthaftigkeit
- Jüngere Arbeitnehmer*innen sind selbstbewusster und lassen sich nicht mehr so viel gefallen
- Ältere Arbeitnehmer*innen sind eher bereit, viel für den Job in Kauf zu nehmen: "Lieber ein schlechter Job als gar keiner."
- Generation Y und vor allem Z wollen einen Job, der zu ihnen passt, und sind bereit, öfter den Job oder sogar den Beruf zu wechseln.
- Verantwortung und Konsequenzen sind jüngeren Kolleg*innen weniger bewusst, was zu Reibereien führt.
Meine Gesprächspartnerinnen* sind auch in Teil 2 unseres Interviews:
- Elisabeth, 56: Geboren 1963 vertritt sie die Generation der Babyboomer.
- Maria, 45: Als Jahrgang 1974 steht sie für die Generation X.
- Selina, 34: Die 1985 Geborene gehört zur Generation Y.
- Daria, 23: 1996 geboren ist sie die Jüngste in der Abteilung und steht an der Grenze zur Generation Z.
*Zum Schutz der Privatsphäre haben wir die Namen der Gesprächsteilnehmerinnen geändert.
Wie man Generationskonflikte löst: Ein Erfahrungsbericht #
Mit den Gründen für die Berufswahl haben wir unseren ersten Teil abgeschlossen und kamen dabei auf das Thema "Sicherheit" zu sprechen. Die These lautete: Jüngere sind weniger an einem sicheren Job interessiert, da sie eine geringere finanzielle Verantwortung haben und es sich leisten können, öfter zu wechseln. Dabei fand ein interessanter Perspektivenwechsel statt: Die 23-jährige Daria kritisierte ihre Altersgenossen, in gewissen Bereichen zu verantwortungslos und oberflächlich zu sein, die 56-jährige Elisabeth relativierte und sprach sogar ihre Bewunderung aus für das Selbstbewusstsein und den Ehrgeiz vieler junger Menschen. Hier setzen wir unser Gespräch fort:
Die Generation Z: Oberflächlich, undankbar und verantwortungslos? #
Interessanter Perspektivenwechsel. Während Daria ihre Altersgenossen kritisiert, relativiert die 33 Jahre ältere Elisabeth. Ist die Generation Z tatsächlich so oberflächlich, undankbar und verantwortungslos, wie man ihr nachsagt? Ich hake nach:
Glaubt ihr, dass jüngere Menschen weniger Verantwortung übernehmen als ältere?
Selina: Ich denke schon, dass Jüngere nicht so viel Verantwortung übernehmen. Ich war auch so, als ich noch ganz jung war. Mülltrennung zum Beispiel war mir völlig egal. Ich wollte einfach keine Mühe haben, den leichtesten Weg gehen und mir keine Gedanken machen. Das hat sich von Grund auf geändert, weil ich reifer geworden bin. Das ist meiner Meinung nach ein Prozess, den jede Generation durchleben muss.
Daria: Teilweise kommt mir die Generation Z sehr verantwortungslos vor, das regt mich richtig auf. Ich habe das Gefühl, die wollen nur auffallen und polarisieren. Wirkliche Konsequenzen wollen sie aber nicht ziehen. Ich kann nicht für Umweltschutz demonstrieren und dann nicht Müll trennen oder den L17 machen.
„Die Jungen wachsen in absolutem Wohlstand auf, da kann man leicht jede Verantwortung von sich schieben.“
Elisabeth: Ich glaube, die Jungen denken nicht an Konsequenzen, weil sie keine kennen. Sie wachsen in absolutem Wohlstand auf, es fehlt ihnen an nichts. Da kann man leicht jede Verantwortung von sich schieben, dafür habe ich auch Verständnis. Meine Generation ist einfach noch näher an der Nachkriegszeit dran, wir kennen zumindest aus Erzählungen von unseren Eltern noch, was Hunger bedeutet. Und was es bedeutet, in so einer Situation nicht in Selbstmitleid zu versinken, sondern die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken. Das Denken klingt jetzt vielleicht altmodisch, aber ich glaube, das hat einen großen Einfluss.
Maria: Ich glaube auch. Diese Denkweise haben wir von unseren Eltern mitbekommen und das prägt schon. Deshalb ist es für Ältere sicher sehr schwierig, die Arbeitseinstellung von Jungen zu verstehen. Arbeit und Spaß mischen, das wäre früher einfach nicht gegangen, weil die Zeiten viel ernster waren.
Selina: Aber sollten wir uns nicht freuen, dass die jüngeren Generationen das eben nicht mehr miterleben müssen? Das ist doch schön für sie und deshalb kann man ihnen eigentlich auch nicht böse sein. Sie kennen es nicht anders und das ist gut so.
Dankbarkeit und Wertschätzung: ein Generationenthema?
Randnotiz: Das Gespräch entwickelt sich in eine interessante Richtung. Ich denke, wir haben den Kern der Generationenkonflikte aufgedeckt: „Sie wissen nicht, wie gut es ihnen geht.“ Vielleicht ist gegenseitiger Erfahrungsaustausch der Schlüssel zur Konfliktlösung. Zuerst will ich aber wissen, ob die Jungen wirklich so undankbar sind, wie man es ihnen unterstellt:
Ein Vorurteil, das man über jüngere Generationen immer wieder hört, ist, sie wüssten nicht, wie gut es ihnen geht und könnten das gar nicht wertschätzen. Sehr ihr das auch so?
Maria: Jüngere sind sicher über andere Dinge dankbar als wir. Das kann man nicht vergleichen.
Selina: Sie haben ja keinen Vergleich.
Elisabeth: Das ist eben der Wohlstand.
Selina: Elisabeth, ich hab jetzt den größten Respekt vor dir, seit ich weiß, was du schon alles in deinem Leben durchgemacht hast.
Macht euch das dankbarer und mehr bewusst, wie gut es uns jetzt geht?
Selina und Daria (unisono): Ja, total.
Daria: Ich würde unter solchen Umständen, wie sie Elisabeth erlebt hat, nicht mal eine Woche bleiben. Vielleicht liegt das an meiner Generation. Aber ich weiß, welche Rechte ich habe und sag, wenn mir was nicht passt.
Elisabeth: Das ging bei mir nicht. Ich hab ja keinen Beruf erlernt und da schluckst du lange, ehe du dich nach etwas anderem umschaust.
Maria: Genau, man hat gelernt, dass man durchhalten muss, dass man sich viel gefallen lassen muss. Lieber einen schlechten Job haben als gar keinen.
Selina: Sicher tut man sich als junger Mensch leichter, weil man leichter einen Job findet. Aber heutzutage traut man sich auch viel mehr, wie Daria vorhin gesagt hat. Die Jungen sind viel selbstbewusster und sagen: "Wenn mir die Chef*in blöd kommt, geh ich. Das lass ich mir nicht gefallen!"
Daria: Die Psyche lass ich mir nicht zerstören.
Weiterbildung und Offenheit – Der Schlüssel zum Verständnis? #
Daria: Ich hab mir als Lehrling ein Büro mit einem 60-jährigen Kollegen geteilt – da gabs oft Konflikte, obwohl wir uns nach einiger Zeit sehr gut verstanden haben. Zum Beispiel war ihm sehr wichtig, dass man sich ganz strikt an die Regeln und Vorgaben des Unternehmens hält. Diesbezüglich habe ich das Gefühl, dass ältere Menschen oft sehr stur sind und nicht interessiert sind an der Meinung Jüngerer. Sie sind oft schon sehr festgefahren in ihrer Denkweise und lassen keine andere zu.
Selina: Ja, ich hatte ähnliche Erfahrungen in meiner früheren Firma. Ich durfte einen 60-Jährigen einschulen und das war sehr schwierig, weil er sich viele Dinge nicht merken konnte. Meine Tipps, sich Notizen zumachen, hat er nicht angenommen. Er hat einfach immer darauf beharrt, dass er halt schon älter ist und nicht mehr so leicht lernt.
Elisabeth: Das Alter ist aber keine Entschuldigung. Nur weil ich älter bin, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht lernen kann. Wichtig ist, sich von anderen etwas sagen zu lassen, egal wie alt.
Voneinander lernen – Wovon die Generationen profitieren #
Zeit für ein vorläufiges Fazit: Konflikte entstehen in dieser Abteilung also eher durch unterschiedliche Einstellungen zu Spaß und Pflicht, lassen sich aber lösen, wenn man Verständnis füreinander aufbringen kann. Was im ganzen Interview immer wieder betont wird, ist der Nutzen, den der Generationenmix für die persönliche Weiterentwicklung bringt. Denn, so sind sich alle einig: Wenn viele Altersklassen zusammenarbeiten, kann man viel voneinander lernen.
Ihr habt jetzt oft angesprochen, dass ihr froh seid, so
durchmischt zu sein. Was sind die Vorteile und was lernt ihr
voneinander?
Maria: Wir würden weniger über den Tellerrand schauen. Die Mischung ist gut, denn wir können den Jungen etwas beibringen und sie halten uns jung. Ich setze mich selbst oft unter Druck, wenn ich etwas nicht sofort erledigen kann. Wenn ich dann sehe, wie locker Daria und die Kolleg*innen in ihrem Alter an die Arbeit gehen, beruhigt mich das und ich werde gelassener. Weil ich sehe: So geht’s ja auch …
„Lockerheit und Spaß von den Jüngeren, Ruhe und Gelassenheit von Älteren.“
Selina: Mir gehts genauso. Die Arbeitseinstellung der Jungen macht mich viel lockerer. Von den Älteren habe ich die Ruhe gelernt. Sich in stressigen Zeiten nicht aus dem Konzept bringen zu lassen und sich nicht aufzuregen, sondern einfach eins nach dem anderen erledigen. Also Lockerheit und Spaß von den Jüngeren und Ruhe und Gelassenheit von den Älteren.
Daria: Ich seh das auch so. Wenn ich mich mal über etwas aufrege und laut werde, dann beruhigen mich die Älteren. Und sie zeigen mir auch, wie man Dinge einfacher machen kann. „Denk nicht so kompliziert“ hör ich sicher zwanzigmal am Tag.
Elisabeth: Ich bekomme von den Jungen die Materie mit. Die wachsen ja in einem ganz anderen Zeitalter auf. Ich versuche zwar, mitzuhalten – mich interessiert das ja auch – aber ich tu mir teilweise schon hart. Wenn mir die Jungen erklären, wie etwas funktioniert, versteh ich das viel besser, als wenn ich es mir selbst beibringen muss. Sie haben ein ganz anderes Verständnis für Technik und Technologie, davon kann ich viel lernen.
Die Rolle der Firma und der Führungskraft #
Randnotiz: Mit der Zeit zu gehen, offen bleiben und einander unabhängig von Alter und Geschlecht ernst zu nehmen – das kann eine Firma fördern beziehungsweise fordern oder aber auch unterbinden, wenn sie keine Veränderungen zulässt. Letztere, so die Meinung unserer Vierergruppe, tun sich sicher schwerer, junge Mitarbeitende zu finden und werden vermehrt Generationenkonflikte haben. Die Unternehmenskultur und auf die jeweilige Führungskraft hat also einen entscheidenden Einfluss darauf, wie sich die Generationen verstehen.
Welche Rolle spielt euer Chef bei Generationenkonflikten?
Selina: Wir verstünden uns nicht so gut, wenn unser Chef nicht so liberal wäre. Er haut nicht auf den Tisch, sondern lässt uns unsere Konflikte selbst lösen. Er schreitet höchstens ein, bevor wir uns gegenseitig die Haare ausreißen, dann vermittelt er zwischen uns.
Elisabeth: Er hält die Balance zwischen alter und junger Generation. Er kann sich gut in andere hineinversetzen und Sichtweisen vermitteln.
Maria: Er ist offen und davon lernen wir auch, offen zu sein. Deshalb funktioniert unser Team so gut.
Hast du den ersten Teil des Gesprächs verpasst?
Redaktion
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