Zeit für eigene Ideen – Innovationskonzepte für mehr Produktivität
Wie gestaltet man eine kreative und innovative Arbeitskultur? Dazu braucht es nicht unbedingt Innovationsmanager, sondern einfach eine Unternehmenskultur mit gewissen Freiräumen. Welches Innovationskonzept Google erfolgreich gemacht hat und zwei Praxisbeispiele aus dem karriere.at Arbeitsalltag:
#tgif #WochenendehochdieHände … Der Freitag ist der Feiertag des kleinen Mannes, könnte man meinen, wenn man gegen Ende der Woche einen Blick auf die meistgewählten Hashtags auf Social Media wirft. Aber warum feiert die Mehrheit der Mitarbeiter das Ende einer Arbeitswoche, als wär ihr Job ein Fixplatz in der Vorhölle?
In vielen Büroberufen sieht der Arbeitsalltag jeden Tag in etwa gleich aus: Aufgaben abarbeiten, die von oben kommen, ab und zu ein Meeting, und wenn Projekte beendet werden, wartet schon das nächste. Wer sich abseits von Mittagspause oder Kaffeetratsch Raum für kreatives Arbeiten schafft, gilt in vielen Unternehmen leider oft als Faulpelz.
Hochmotivierte, kreative und innovative Mitarbeiter, die blinde Flecken aufdecken, frischen Wind in verkrustete Strukturen bringen und Probleme lösen – das wünschen sich dennoch die meisten Arbeitgeber. Viele stellen dafür gar eigene „Innovationsmanager“ ein. Aber warum nicht einfach bestehende Mitarbeiter zu Innovationstreibern und diese obendrauf auch noch glücklicher machen?
Mehr Freiheit und Eigenverantwortung #
Die Zukunft der Arbeit fordert mit ihren Neuerungen wie Digitalisierung, Automatisierung und Globalisierung auch folgendes ein: Mehr Freiheit für die einzelnen Mitarbeiter. Warum? Weil hierarchische Strukturen in modernen Arbeitswelten kein Bestehen haben und interdisziplinäre Vernetzung und Telearbeit (zunehmend virtuell) genau diese fordern. Damit einher geht viel Vertrauen auf Arbeitgeberseite – in einem erfolgreichen Szenario aber auch eine große Portion Mitarbeiterzufriedenheit.
Wie geht Innovation? 2 Grundlegende Fehler #
Innovation und Weiterentwicklung in Unternehmen umfasst eine Vision für Innovationsstrategien, Prozesse zur Ideen-Entwicklung, -Auswahl und -Implementierung, aber genauso die Unternehmenskultur und Ressourcen wie die Arbeitszeit der Mitarbeiter und deren Wertschätzung. Wie Innovationsmanagement in Unternehmen umgesetzt wird, kann ganz unterschiedlich aussehen und je nach Größe divergieren: Ein kleines, wendiges Startup setzt hier andere Maßstäbe als ein Konzern, der zudem meist eine andere Fehlerkultur hat. Eines sollte allerdings allen Unternehmen bewusst sein: Innovationskultur ist Fehlerkultur. Keine neuen Ideen ohne das Zugeständnis an Leerlauf, Misserfolge und „vergeudete Zeit“.
„Innovationskultur ist Fehlerkultur!“
Zu glauben, dass alle Ideen nur von der Führungsriege kommen dürfen, ist der zweite Kardinalfehler. Überlässt man es alleine dem Chef, Ideen zu spinnen und voranzutreiben, vergibt man viele ungenützte Chancen: In der volatilen Arbeitswelt von heute gibt es nur noch wenige Allround-Talente, die ihr Handwerk allumfassend beherrschen – zu viele Spezialgebiete gibt es, zu schnell verändern sich Gegebenheiten und lebenslanges Lernen ist sowieso die Grundvoraussetzung.
Und: Mitarbeiter wollen gehört werden. Viele Betriebsblindheiten und „Probleme“ entstehen da, wo Führungskräfte einen toten Winkel haben. Und was schon immer so war: Viele Augen sehen mehr. Jeder hat unterschiedliche Zugänge, Erfahrungen und Talente. Wird Mitarbeitern vermittelt „wir wollen deine Meinung hören, du kannst etwas bewirken!“ kann das etwas ganz Grundlegendes verändern: die Arbeitsmotivation und die Zufriedenheit.
„HiPPO = Highest Paid Person´s Opinion – wenn der Chef ansagt und alle anderen ihre Ideen unter den Tisch kehren.“
Modelle wie HiPPO, die andere Meinungen außerhalb der Führungsetage unterdrücken, sollten ohnehin längst ausgedient haben. Wie schafft man es aber weg von „Dienst nach Vorschrift“ hin zu einer kreativen und innovativen Arbeitskultur?
„Die klügsten Unternehmen sagen ihren Mitarbeitern nicht, wie sie Innovationen schaffen sollen, sie managen das Chaos.“
Es geht nicht nur um Innovation, sondern auch darum, zusammenzuarbeiten, Kollegen besser kennenzulernen und ein bisschen Spaß zu haben – vieles bedingt sich hier gegenseitig. Erreichen kann man das durch Freiräume, Zeit für eigene Ideen und besagtes Vertrauen. Wie wir aus der Innovationsforschung wissen, tut es unserem Einfallsreichtum unglaublich gut, weg von der alltäglichen Routine und hin zu ganz Neuem, Unbekanntem zu gehen. Dann sprudeln auf einmal Ideen zu Problemen, an denen wir uns zuvor die Zähne ausgebissen haben.
Apple- oder LinkedIn-Mitarbeiter dürfen etwa über solche Freiräume verfügen. Das oberösterreichische Unternehmen Runtastic schenkt seinen Mitarbeitern mit dem DONI (Days of new Ideas) einmal im Quartal Zeit, Projekte anzugehen, die nicht unbedingt mit dem Arbeitsalltag zusammenhängen. Und Google hat einige seiner besten Produkte einem Innovationskonzept zu verdanken:
Zeit für eigene Ideen bei Google #
Geht es um New-Work-Konzepte, fällt der Name Google wohl als einer der ersten. Ob Vorzeigebüro der Zukunft (mit Rutsche!) oder innovative Arbeitsweisen – Google war schon immer anders. Warum? Weil man dort verstanden hat, dass es Andersartigkeit braucht, um innovativ und schneller als alle anderen zu sein. Eines der wohl am besten bekannten Innovationskonzepte ist deren „20% Time“-Konzept.
„Verwende 20 Prozent deiner Arbeitszeit für Dinge, die du gut findest. Gut oder nicht?!“
2004 von den Gründern eingeführt, wollte man Mitarbeiter dazu ermutigen, zusätzlich zu ihren regulären Projekten 20 Prozent ihrer Zeit (ein ganzer Wochentag!) dafür zu verwenden an Dingen ohne Druck von oben zu arbeiten, die ihrer Meinung nach gut für Google sein könnten. Google Maps, Gmail oder AdSense – all das sind Produkte, die in diesem Rahmen entstanden sind und heute einen großen Teil des Erfolgs ausmachen. Und das nur, weil ein Mitarbeiter eine kleine Idee hatte und Raum, diese umzusetzen.
Was eben auch dazugehört: Viele dieser Projekte verlaufen im Sand oder schaffen nie den Durchbruch (etwa Google+, Google Wave, Google Lively etc.). Einige aber werden abgeschlossen und haben auch Ergebnisse erzielt. Und wenige werden eben zu echten Cash Cows. Zwar hat man bei neueren Erhebungen herausgefunden, dass nur mehr etwa jeder zehnte Google-Mitarbeiter „20% Time“ nutzt, das Konzept an sich will man aber trotzdem nicht verbannen, denn es geht um die Idee dahinter. Die schon erwähnte Bürde eines Konzerns schlug auch bei Google irgendwann zu: Mit zunehmendem Wachstum und wohl auch zunehmendem Druck auf die Produktivität der Teams wurde dieses Modell abgeschwächt bzw. wollte man nicht mehr viele kleine Projekte, sondern nur große, verfolgungswürdige absegnen und weiterverfolgen.
Die Herausforderung: Werden Mitarbeiter im Arbeitsalltag so gefordert, dass aus der Zeit für eigene Ideen Überstunden werden, herrscht keine Win-win-Situation mehr. Oft nicht einmal mehr eine Win-Situation für eine Seite. Ausschlaggebend ist schließlich ein reflektierter Umgang und ständiges (gemeinsames) Evaluieren von solchen Konzepten. Mehr dazu gleich.
Innovationskonzepte: Konkrete Beispiele aus dem karriere.at Arbeitsalltag #
Innovationskonzepte sind wunderbar. Wie schon erwähnt, gilt es trotzdem, ein paar Fehler zu umschiffen, damit Arbeitgeber wie auch Mitarbeiter wirklich davon profitieren können.
Bereits vor einiger Zeit haben wir bei karriere.at den „Chapter Day“ eingeführt – ein Innovationsmodell mit mäßigem Erfolg. Warum? Weil die Regeln nicht klar definiert wurden, die anfangs sprudelnden Ideen zu lange herumlagen und die Motivation diese umzusetzen irgendwann schwand. Unser Fazit: Innovationsmodelle bedürfen klarer Regeln (ein vermeintlicher Gegensatz zum Freiraum scheint eben nur widersprüchlich …) und sollten keineswegs starr sein. Wie schon beim oben genannten Beispiel von Google angemerkt, sollten sich diese mit Unternehmen (weiter-)entwickeln.
Mittlerweile gibt bei karriere.at zwei verschiedene „Lernkonzepte“.
1. NarF – „Not a regular Friday“ #
Viele arbeiten immer mit Aussicht auf den Freitag – schließlich steht dann endlich das Wochenende an. Die Entwicklerinnen und Entwickler bei karriere.at freuen sich vor allem auf den Freitag, weil dann der NarF, „Not a regular Friday“, ansteht. Alle 2 Wochen konzentrieren sie sich am Freitag auf Themen, Ideen oder Konzepte, die während dem Arbeitsalltag zu kurz kommen. Auch die eigene Weiterbildung oder gegenseitiges Coachen findet hier Raum.
Die karriere.at Entwickler arbeiten nach Scrum – ein Modell des Projekt- und Produktmanagements, welches vor allem für die agile Softwareentwicklung herangezogen wird. Man arbeitet sich quasi von Ticket zu Ticket, für Innovationen bleibt üblicherweise eher wenig Zeit.
Zu Beginn von NarF gab es einige Skeptiker (was auch dem weniger guten Ende des schon erwähnten „Chapter Day“ zu schulden war). Nach über einem Jahr NarF können wir aber eine absolut positive Bilanz ziehen: Nach wie vor nutzen viele die „freie Arbeitszeit“, um Vernachlässigtes, Herzensprojekte oder Alltagsprobleme anzugehen. Die Vorteile fürs Development Team und ganz karriere.at sind bereits sichtbar geworden:
Es können ganz alltägliche Probleme sein, um die man sich endlich annehmen kann. Back-End Developer Johannes etwa hat es geärgert, dass die Verfügbarkeit von Besprechungsräumen bei karriere.at nur über Outlook einsehbar war. Deshalb hat er sich an einem NarF hingesetzt und eine Kalender-App für ein Tablet programmiert, die einem beim Vorbeigehen verrät, ob der Raum gebucht oder frei ist.
Viele Artikel für den hauseigenen Dev-Blog sind an einem NarF entstanden, Präsentationen und Vorträge für Talks oder den Unterricht an Hochschulen, an denen manche unserer Developer nebenbei unterrichten. Mitarbeiter bilden sich weiter und verwenden die Zeit am NarF, um sich in noch unbekanntes Terrain einzulesen, neue Aufgaben zu übernehmen und sich intern weiterzuentwickeln.
Was den NarF im Unterschied zum „Chapter Day“ langfristig erfolgreich gemacht hat? Konkrete Regeln, die zwar kurz und knackig sind, die Grundrisse aber für jeden klar machen:
NarF-Regeln:
Regel #1: Keine Tickets! Um Barrieren zu vermeiden, gibt es keine klassischen Tickets in einem Projektmanagementtool, sondern eine einfaches Textdokument: Titel und kurze Beschreibung reichen, jeder hat Zugang zum Dokument und kann bei Interesse beim Ideengeber anfragen und mitarbeiten.
Regel #2: NarF ist völlig freiwillig! Wer nicht teilnehmen möchte, muss nicht teilnehmen und kann einen völlig normalen Arbeitstag verbringen.
Regel #3: Zeig, was du gemacht hast! Alles, was beim NarF herauskommt, wird dem gesamten Development Team gezeigt.
Weil der NarF so gut angenommen wurde und wir fanden, dass nicht nur unser Entwicklungsteam von so einem Ideen-fördernden Konzept profitieren sollte, haben wir auch ein interdisziplinäres Innovationsmodell eingeführt: GTI, „Getting Things Innovated“:
2. GTI – „Getting Things Innovated“ #
Hier gehts nicht um Autos und Wörthersee, sondern vielmehr um Produktivität. Der Name ist inspiriert von David Allens Bestseller der Selbstmanagement-Literatur „Getting Things Done – the art of stress-free productivity“.
Dieses Standardwerk haben wir uns bei karriere.at zum Vorbild genommen: GTI ist bei karriere.at eine Community of Practice, in der Ideen entwickelt und (weiter-)bearbeitet werden, um karriere.at zu verbessern. Seit Ende 2018 gibt es den GTI-Donnerstag: Alle 2 Wochen kann donnerstags von 14 bis 17 Uhr in einem Stockwerk von karriere.at an GTI-Themen gearbeitet werden. Damit setzen wir auf die Crowd-Intelligence und gegenseitige Motivation von Vertrieb, Customer Care, Marketing … einfach allen Abteilungen von karriere.at.
Was sind GTI-Themen?
Jeder Mitarbeiter kann ein eigenes Thema einbringen und/oder an vorhandenen Themen freiwillig mitarbeiten. Das kann theoretisch beginnen bei „Obstkörbe in jedem Stockwerk“ bis hin zu „Hunde bei karriere.at“ gehen, aber auch Themen wie bessere Visibilität von Projektergebnissen behandeln:
- Prozessverbesserungen (ablauftechnisch, Tools, …)
- Dinge, die Zeit oder Geld sparen (und Zeit ist ja bekanntlich Geld)
- Neue Technologien (Werkzeuge/Software Programmiersprachen, …)
- Verringerung des ökologischen Fußabdrucks der Firma
- Verbesserung der Außenwirksamkeit (Open Source Contributions, Dev Blog Artikel, …)
- Weiterbildung (Fachbücher, Tutorials, Videos, Workshops, Dev-Café-Talks)
- etc.
Nicht-Themen: individuelle Probleme, die direkt mit der eigenen Führungskraft gelöst werden können, oder Teil des Tagesgeschäfts sind. Für organisatorische sowie inhaltliche Fragen stehen die Mitglieder des sogenannten Lenkungskreises bereit. Outcome soll immer folgendes sein: der Mehrwert für karriere.at und natürlich alle Mitarbeiter.
Innovationskonzepte in der Praxis – Learnings #
Unsere Arbeitswelt verändert sich und das schneller als je zuvor. Konzepte, die modern sind und sich nach New Work anhören unhinterfragt zu implementieren ist kein Allheimmittel. Je nach Branche und Arbeitsstruktur können unterschiedliche Modelle zu recht divergierenden Ergebnissen führen. Trial & Error ist hier gefragt und Offenheit für eine gesunde Fehlerkultur unumgänglich, um langfristig davon profitieren zu können. Was wir in unser Praxis gelernt haben: Viel Freiheit braucht viel Vertrauen, aber auch konkrete Regeln!
Redaktion
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