Tandemfahren im Job: nicht Teilzeit, sondern besser
Ein Fahrrad, zwei Fahrer*innen - das kann auch im Job funktionieren. Ein Tandemjob kann effizienter sein, mehr Inspiration und Motivation für alle Beteiligten bieten. Wir haben bei den Gründerinnen der deutschen Online-Jobsharing-Plattform Tandemploy nachgefragt, was es für eine Jobsharing-Stelle braucht und wo die zahlreichen Vorteile für Mitarbeiter*innen und Unternehmen liegen.
Das Tandembike ist eine geniale Erfindung und unterscheidet sich schon recht vom gewöhnlichen Drahtesel: Zu zweit muss man sich besser organisieren, doch ist man mit seinem Partner auch schneller und gemeinsam macht es einfach mehr Spaß! Genau so sollte es auch im Job möglich sein, oder? Immerhin kann man heute sein Auto oder sein Essen via Apps mit anderen teilen, man teilt Erfahrungen auf Bewertungsportalen und Bilder auf sozialen Medien. Tatsächlich geht die Sharing-Mentalität heute auch ins Berufsleben über, dank „Jobsharing“.
Das Besondere am geteilten Job und der Unterschied zur Teilzeit: Zwei oder mehrere Personen teilen sich eine Vollzeitstelle, haben gemeinsame Ziele und arbeiten dabei sehr eng als Team zusammen. Sie legen ihre Arbeitszeiten und Aufgaben individuell untereinander fest.
Jana Tepe und Anna Kaiser sind im deutschen Raum Vorreiter, wenn es um angewandtes Jobsharing geht. Mit ihrem Unternehmen Tandemploy unterstützen sie Menschen und Unternehmen bei der Umsetzung von geteilten Jobs.
„Das Motto von Tandemploy: Stell dir eine Welt vor, in der Menschen mit weniger - aber cleverer! - Arbeit mehr erreichen!“
Wir haben bei den bereits mehrfach ausgezeichneten Jungunternehmerinnen nachgefragt, was Jobsharing für Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen bringt und wie man es richtig umsetzt.
Wie war es, Ihre Idee umzusetzen – mit allen Problemen und Zweifler*innen? #
Jana Tepe: Wir haben Tandemploy ins Leben gerufen, weil wir überzeugt waren, dass es echte Probleme auf dem Arbeitsmarkt auf ganz pragmatische Weise lösen kann. Der Meinung sind wir immer noch, aber natürlich gibt es immer Zweifler und Bedenkenträger, die sagen: „Jobsharing ist eine tolle Sache, ABER …“ Dieses kleine Wörtchen ist ganz schön destruktiv, weshalb wir natürlich alles dafür tun, sämtliche Hürden abzubauen. Das klappt immer besser, weil die Menschen und Unternehmen sehen: „Hoppla, es geht ja doch!“ Immer mehr Erfolgsbeispiele und Vorbilder laden zum Nachahmen ein.
Aus welchen Gründen wird Jobsharing betrieben?
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Anna Kaiser: Das ist ganz unterschiedlich! Viele Menschen interessieren sich für Jobsharing, weil sie sich in bestimmten Lebensphasen mehr Zeit neben dem Job wünschen: für die Familie, eine Weiterbildung, eigene Projekte oder ein Ehrenamt zum Beispiel. Für Firmen ist das proaktive Angebot von Jobsharing ein toller Weg, um neue Zielgruppen anzusprechen und Mitarbeiter in jeder Lebenslage zu halten. Auch ist es für Firmen natürlich vorteilhaft, ein tolles Team auf einer Position zu haben. Zwei können naturgemäß mehr als einer allein, sie bringen unterschiedliche Stärken und Perspektiven, oft auch zwei Netzwerke mit. Sie können sich ideal vertreten, ob im Krankheits- oder im Urlaubsfall. Sie begreifen sich wirklich als ein Team mit einem gemeinsamen Ziel, das macht viel mit der Kommunikation und Kultur – ohne einen großen, komplizierten Change Prozess. Für Organisationen ist Jobsharing ein konkreter, kleiner Schritt, um den Wandel und eine echte Flexibilisierung einzuleiten. Und zwar heute und nicht irgendwann in der „Zukunft der Arbeit“, von der wir immer sprechen.
„Für Unternehmen ist es von Vorteil, ein tolles Team auf einer Position zu haben.“
Wie kann so etwas organisatorisch und rechtlich bewältigt werden – wie viel Aufwand steckt dahinter?
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Jana Tepe: Das ist in der Umsetzung gar nicht so kompliziert. Jobsharer können ganz klassische Teilzeitverträge haben. Wenn man dazu noch jobsharing-spezifische Besonderheiten (wie eine Vertretungsregelung oder die Aufteilung von Boni) schriftlich festhalten möchte, kann man das z.B. in einem Dach- bzw. Zusatzvertrag machen. Organisatorisch funktioniert Jobsharing so, dass sich das Tandem weitestgehend selbst organisiert. Das ist übrigens auch ganz charmant für den Arbeitgeber. Man muss nicht einzelne Teilzeitkräfte organisieren und managen, die Jobsharer tun das selber und sehr eigenverantwortlich.
Ist jeder fürs Jobsharing geeignet bzw. welche Jobs sind sharing-tauglich?
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Anna Kaiser: Sicherlich nicht jeder, aber sehr viele. Der Wunsch, im Team zu arbeiten, sollte schon da sein. Und natürlich auch die Fähigkeiten dazu: Jobsharing lebt von einer offenen, transparenten Kommunikation, von Kritikfähigkeit und Vertrauen.
Jana Tepe: Auf Arbeitgeberseite sind eigentlich alle Unternehmen geeignet, die wirklich wollen und sich trauen, auch einfach mal zu machen. Wir erleben Jobsharing über alle Unternehmensgrößen und Branchen hinweg. So viele Stellen da draußen profitieren von tollen Teams, enger Kooperation und vor allem von der engeren Vernetzung von Wissen.
Mit weniger Arbeit mehr erreichen – wie geht das?
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Jana Tepe: Wir wissen mittlerweile so viel über „gute Arbeit“ und Produktivität, haben ganz eindeutige Zahlen und Studien, die uns zeigen, wie wir Arbeit sinnvoller gestalten können. Wir müssen dieses Wissen nur nutzen. Auf der anderen Seite ändert sich unsere Arbeitswelt – und damit auch unsere Gesellschaft – gerade rasend schnell. Maschinen nehmen uns Arbeit ab, technische Tools erleichtern unsere täglichen Prozesse und machen uns schneller. Was wir daraus machen, ist die eigentlich entscheidende Frage. Wie nutzen wir die Zeit, die wir gewinnen? Für noch mehr Arbeit? Oder zu Reflexion, Kreation und Regeneration?
„Innovation zu begrüßen, aber niemals zu handeln bringt nichts. Traut euch und fangt heute an!“
Sie betreiben ja auch eine Plattform, auf der sich angehende Jobsharer und Unternehmen finden können. Wie ist der Stand der Dinge - wie wird das Angebot angenommen? #
Anna Kaiser: Sehr gut und auch immer besser. Trotzdem ist natürlich immer Luft nach oben. Unternehmen, die ihr dies lest, traut euch und fangt heute an :-)!
Wenn wir Innovation zwar immer begrüßen, aber die Entscheidung zum Handeln in die Zukunft verschieben, tut sich nie was.
Jana Tepe: Tandemploy.com macht Jobsharing für jeden einfach umsetzbar. Menschen aus der DACH-Region finden bei uns durch einen Matching-Algorithmus die perfekte Partner*in zum Teilen eines Jobs und aufgeschlossene, wirklich flexible Unternehmen. Wenn Firmen Jobsharing erst einmal intern umsetzen möchten, nutzen sie unsere SaaS-Lösung. Hier können sich die eigenen Mitarbeiter*innen im geschlossenen Raum anmelden, innerhalb der Firma passende Tandempartner*innen finden und sich vor allem offen, aber diskret über ihre Teilzeitwünsche austauschen. Oft ist das ja eine riesen Hürde. Man könnte sagen, es ist Talent Management andersherum: Die Talente organisieren selber Lösungen, wie sie in bestimmten Phasen flexibler arbeiten können - und gehen schon mit fertigen Lösungen auf ihre Vorgesetzten oder die HR zu, á la „Ich möchte reduzieren, habe auch schon die perfekte Idee, wie das gehen könnte, Kollege XY aus Abteilung X würde ebenfalls gern...“ usw.
Wie findet Jobsharing bei Ihnen im Unternehmen statt?
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Jana Tepe: Bei uns arbeitet über die Hälfte des Teams selber im Jobsharing. Klappt super und ist für uns aus Arbeitgebersicht eine totale Entlastung. Alle arbeiten sehr eigenverantwortlich, es entsteht eine sehr schöne Dynamik.
Anna Kaiser: Außerdem haben wir so gut wie keine Ausfalltage, weil immer der gut informierte Tandempartner einspringen kann. Das ist ganz anders als bei einer normalen „Vertretung“, die eigentlich kaum mit den Tätigkeiten vertraut ist, keine Entscheidungen treffen kann oder darf.
Jana Tepe: Übrigens arbeiten all unsere Tandems gemeinsam mehr als die klassische 40-Stunden-Woche, jeweils zwischen 25 und 32 Stunden. Wir haben uns hier bewusst vom Stellendenken gelöst und uns einfach gefragt: Was brauchen wir für diese und jene Aufgabe? Welches KnowHow, welche Erfahrung, welche Persönlichkeiten? Oft war ein Tandem einfach die beste Wahl.
Wie wirkt sich Ihrer Meinung nach das Konzept „Jobsharing“ allgemein auf Menschen, Unternehmen und die Wirtschaft aus?
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Anna Kaiser: Es macht auf jeden Fall etwas mit den Menschen und Unternehmen. Das merken wir ganz deutlich. Die Menschen, die in diesem Modell bereits länger arbeiten, sind überdurchschnittlich zufrieden mit ihrer Arbeit. Das liegt u.a. daran, dass Jobsharing einen flexiblen Zugang zu spannenden, ja, auch sehr hochqualifizierten Aufgaben ermöglicht. Das war vorher schwer zu finden und hat viele Leute zu Recht frustriert. Es ist aber sicherlich auch darin begründet, dass die enge Kooperation im Tandem einfach Freude macht. Man hat eine Sparringspartner*in, jemanden, mit dem man sich auf Augenhöhe austauschen kann.
„Jobsharing ist eine Chance, eine konkrete Lösung für viele Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt.“
Jana Tepe: In Firmen merken wir, wie die gelebte Teamarbeit nicht nur im Tandem bleibt, sondern abfärbt. Auf die Kollegen, die Abteilung, die Kultur. Ja, natürlich auch auf Bewerber*innen. Für die Wirtschaft ist Jobsharing sicher eine Chance, eine konkrete Lösung für viele Herausforderungen, die wir einfach haben: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Integration von Fachkräften, die Zusammenarbeit von Jung und Alt, den Fachkräftemangel, einen Wertewandel der jungen Generation. Es kann und darf nicht die einzige Lösung sein - aber ist ganz sicher ein guter erster Schritt.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Jobsharens?
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Anna Kaiser: Dass jeder, der von dem Modell profitieren kann, es kennt – und sich schnell und offen an die Umsetzung traut! Die Hürden sind nur in den Köpfen.
Zu den Personen #
Anna Kaiser und Jana Tepe kommen ursprünglich aus der Personalberatung und sind die Gründerinnen und Geschäftsführerinnen von Tandemploy. Damit unterstützten sie Menschen und Unternehmen ganz gezielt bei der Umsetzung von Jobsharing - und setzen sich damit stark für eine flexiblere & lebensfreundlichere Arbeitswelt ein. Für ihre Geschäftsidee und als Unternehmerinnen wurden die beiden bereits mehrfach ausgezeichnet, u.a. als Unternehmerinnen des Jahres 2015 (Business Angel Verband Berlin-Brandenburg).
Redaktion
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