Achtung: Komplimente an Kolleg*innen können auch zur Falle werden
In einem Team zu arbeiten kann oft fordernd sein – auch zwischenmenschlich. Mit Komplimenten kann man bei Kolleg*innen viel erreichen. Oft kommen solche aber nicht wirklich an und gehen sogar nach hinten los. Was gute und schlechte Komplimente unterscheidet, erklärt eine aktuelle Studie. Ganz schlecht: Gut gemeinte Äußerungen, die auf Stereotypen aufbauen.
Komplimente unter Arbeitskolleg*innen sind häufig ein gutes Mittel, um Vertrauen aufzubauen. Ist die Kolleg*in nett, geht eine anerkennende Bemerkung auch leicht über die Lippen. Warum ein Kompliment aber nicht immer positiv sein kann, zeigen wir hier:
Komplimente, die nach hinten losgehen #
Ein Beispiel: Peter hat eine undankbare Aufgabe vor sich. Er soll dem Management berichten, dass ein großes Projekt eine negative Wendung genommen hat. Weil er die Konfrontation scheut, hat er vor, Daniela darum zu bitten. Die beiden haben ein gutes Verhältnis und helfen gern einander aus. Er offenbart ihr also sein Dilemma und meint, sie könne das dem Chef doch viel besser kommunizieren – schließlich sei sie eine Frau und Frauen seien von Grund auf empathischer. Deswegen werde sie auch nicht mit so viel negativer Resonanz rechnen müssen wie er als Mann. Daniela lehnt beleidigt ab. Was hat Peter falsch gemacht? Oder anders formuliert: Wie hätte er es besser machen können?
Was schwingt alles mit? #
Das Forschungsteam um John Oliver Siy und Sapna Cheryan hat sich mit Komplimenten dieser Art beschäftigt. Die Frage: Wie wirken sich Vorurteile, sogenannte Stereotypen, aus, wenn sie positiv sind? Wenn man beispielsweise annimmt, dass Frauen im Allgemeinen einfühlsamer sind? Die Grundannahme war folgende: Ein positives Vorurteil resultiert nicht in einem positiven Eindruck, sondern vielmehr darin, dass sich der Empfänger des vermeintlichen Kompliments auf seine Gruppenzugehörigkeit reduziert fühlt.
- Im konkreten Fall hieße das, Daniela fühlt sich auf die Tatsache reduziert, dass sie eine Frau ist.
- Zudem nahm das Forschungsteam an, dass eine Person, die solch ein positives Vorurteil äußert, gleichzeitig auch den Eindruck vermittelt, negative Vorurteile zu haben.
- Wenn Peter also denkt, dass alle Frauen generell mitfühlender sind, ginge er demnach etwa auch davon aus, dass alle Frauen naiv sind.
Der Test: Nur nicht verallgemeinern! #
In der Studie untersuchte man, wie sich die Äußerung positiver Vorurteile gegenüber Frauen (z.B. Frauen sind warmherzig und fürsorglich) auf die Wahrnehmung des Gegenübers auswirken. Dazu wurden Studentinnen auf drei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe erhielt einen Text, in dem ein Mann Komplimente gegenüber einer Frau äußerte. Im Text der zweiten Gruppe wurde die Frau nicht stereotypisiert. Die dritte Gruppe der Studentinnen las einen Text, in dem wie bei Gruppe 1 eine Frau von einem Mann als warmherzig bezeichnet wurde, allerdings auf individueller Basis und nicht als Verallgemeinerung aufgrund ihres Geschlechts. Danach fragte man die Teilnehmerinnen, für wie sexistisch und voreingenommen sie den dargestellten Mann hielten.
Falsche Komplimente gibt es auf vielen Terrains #
Tatsächlich bestätigte das Ergebnis die Theorie der Forschenden. Der Mann wurde von der Gruppe, die den Text mit dem positiven Vorurteil gelesen hatte, als voreingenommener eingestuft und man hielt es für wahrscheinlicher, dass er auch negative Vorurteile gegenüber Frauen pflegt. Zudem fühlte sich diese Gruppe eher auf ihr weibliches Geschlecht reduziert.
Dieses Muster ließ sich auch in einer späteren Studie bestätigen, in der Amerikaner*innen mit asiatischen Wurzeln eine Person als rassistischer beurteilten, wenn diese zuvor erwähnte, dass Personen asiatischer Herkunft gut in Mathematik seien.
Besser persönliche Komplimente als Stereotypen bringen #
Beide Studien zeigen also, dass nicht nur negative Vorurteile wie beispielsweise „Frauen sind zu emotional“ oder „Asiaten sind distanziert“ dafür sorgen, dass Menschen dadurch voreingenommen erscheinen, sondern auch die positive Variante von Stereotypen. Das muss im Umkehrschluss nicht bedeuten, dass freundlich gemeinte Komplimente sofort negativ aufgefasst werden, allerdings sollte man vermeiden, eine Person auf ein Vorurteil zu reduzieren – egal ob positiv oder negativ.
Im Nachhinein betrachtet, könnte man also schlussfolgern: Hätte Peter zu Daniela gesagt, dass er sie empathisch findet und dabei nicht extra betont, dass sie besonders empathisch sei, weil sie eine Frau sei – vielleicht wäre sie auf seine Bitte eingegangen und hätte an seiner Stelle dem Chef die Hiobsbotschaft überbracht.
In diesem Sinne: Seid nett zu euren Kolleg*in! Am besten mit ehrlichen, individuell gemeinten Komplimenten.
Bildnachweis: studiostoks, imtmphoto / Shutterstock
Redaktion
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