„Kribbeln im Kopf“ – oder: Wie man kreativ sein lernen kann
Du hältst dich für nicht kreativ? Das ist vermutlich ein Irrtum. Denn Kreativität ist nicht nur Künstlern vorbehalten, sondern wird immer dann genützt, wenn es ums Erschaffen neuer Ideen oder Dinge geht. Eine Fähigkeit also, die sehr häufig gebraucht wird – und sich auch trainieren lässt, wie uns Mario Pricken, Autor der Kreativ-Bibel „Kribbeln im Kopf“, erklärt. Außerdem erzählt er uns, warum er sein Buch mittlerweile als gratis Download zur Verfügung stellt.
„Kombinieren und Verbinden“, „Nimm’s wörtlich“ oder „Morphologische Matrix“ heißen nur drei der über dreißig Denkanleitungen und Kreativitätstechniken aus Mario Prickens „Kribbeln im Kopf“. Vor allem in der Werbebranche gilt es als eines der Standardwerke schlechthin, lautet der Untertitel doch „Kreativitätstechniken und Denkstrategien für Werbung, Marketing und Medien“. Das sollte man aber nicht allzu ernst nehmen, erklärt er uns im Interview.
„Kribbeln im Kopf“: Kreativstrategien nicht nur für Kreative #
Mario, dein Buch ist ein wahrer Klassiker in der Kreativszene. Warum bietest du es jetzt gratis an?
Mario Pricken: Ja, das Buch ist schon einige Jahre alt, aber der Inhalt hat nichts an Aktualität verloren. Lediglich die Beispiele sind nach sieben Auflagen nicht mehr brandneu. Für die achte wäre eine komplette Überarbeitung nötig gewesen, das geht sich zeitlich aber nicht aus. Darum hatte ich eine ganz andere Idee: warum nicht verschenken? Es muss ja nicht immer alles mit Kosten verbunden sein.
Ich kenne „Kribbeln im Kopf“ noch aus meiner Tätigkeit als Werbetexterin. Aber ist es auch für Berufe außerhalb der klassischen Kreativbranche hilfreich?
Mario Pricken: Ja, natürlich. In dem Buch werden Denkprozesse erklärt, die eigentlich universell gültig sind, um auf neue Ideen zu kommen. Ich kombiniere Dinge, oder stell sie auf den Kopf, drehe sie, übertreibe oder mache eine Metapher … Das gilt für alles. Das kann ich in der Produktentwicklung genauso verwenden wie in einem Bewerbungsschreiben. Ich schätze, zu gut siebzig Prozent der Fälle sind diese einsetzbar.
Du willst also auch zeigen, dass Kreativität in allen Bereichen des Lebens wichtig ist, obwohl viele Menschen den Begriff dennoch eher in der künstlerisch-gestalterischen Ecke verorten?
Mario Pricken: Ja, natürlich! Neue Ideen braucht man immer und überall. Sieh dir zum Beispiel an, wie viele verschiedene Arten von Flaschenöffnern es gibt. Da haben sich schon viele Menschen Gedanken darüber gemacht, wie sie anders und besser funktionieren können. Und dann irgendwann hat sich jemand gedacht: Warum überhaupt einen Flaschenöffner? Warum liefert nicht die Flasche selbst die Lösung? Und da sind wir plötzlich beim Drehverschluss.
Eine Fähigkeit mit Zukunft: Warum es immer kreative Menschen geben muss #
Wenn man sich viel mit der Zukunft der Arbeit und den Fähigkeiten, die künftig gefragt sein werden, beschäftigt, dann wird von den meisten Experten Kreativität gefragt – speziell in Abgrenzung zu Automatisierung und Digitalisierung. Wie siehst du das?
Mario Pricken: Das klingt jetzt ein bisschen philosophisch und vielleicht auch abgehoben und möglicherweise überfordert das auch den einen oder anderen, aber der Punkt ist der: Es geht um Sinn und Bedeutung. Also, wenn man mich fragen würde, nach all den Jahren: Was ist denn eigentlich Kreativität? Nicht in dem Sinn, etwas Altes aufzuhübschen und einen grünen Karton rosa zu machen, sondern, wenn es darum geht, wirklich etwas Neues zu erfinden, neue Felder zu erschließen. Dann geht es um Sinn und Bedeutung.
„Kreativität ist für mich das Erzeugen von Sinn. Und Sinn entsteht nur im Menschen.“
Mario Pricken: Kreativität bleibt wahrscheinlich deshalb dem Mensch vorbehalten, weil der Mensch in dem neu Erschaffenen Sinn entdecken muss. Sonst funktioniert das nicht. Natürlich könnte man auch versuchen, eine Maschine dafür zu entwickeln. Sie mit allem Wissen der Welt zu füttern und sie diese Dinge neu kombinieren zu lassen und neue Ideen auszuspucken. Wäre eine interessante Idee. Aber die letzte Instanz, die entscheidet, ob hinter den Ideen auch Sinn steckt und damit ein Wert, das ist der Mensch.
Kreativität lernen: So kann es funktionieren #
Viele glauben aber von sich, nicht kreativ zu sein, keine Fantasie zu haben. Wie kann man das lernen und geht das überhaupt?
Mario Pricken: Inzwischen denke ich ein bisschen differenzierter darüber, ich glaube das lässt sich nicht so leicht beantworten. Aber ja, grundsätzlich hat jeder das Potenzial, kreativ zu sein. Es ist ja relativ einfach.
„Grundsätzlich hat jeder das Potenzial, kreativ zu sein.“
Mario Pricken: Kombiniere zum Beispiel einen Flaschenöffner mit einem Baum. Dann würde ich vielleicht sagen: Da kommt ein Flaschenöffner heraus, der sich in der Größe verändern lässt, je nachdem, welche Flasche ich damit öffnen möchte. Woher kommt das jetzt? Ich hab einfach den Öffner mit der Idee des Baumes, der wächst, kombiniert. Das kann im Prinzip jeder machen, der diese Methode kennt, zwei Dinge zu kombinieren, die vorher nichts miteinander zu tun hatten. Und aus dem heraus leite ich Ideen ab. Aber was ich gelernt habe, ist, dass nicht jeder auch die Motivation hat, das zu tun.
„Ich bin nicht kreativ“ heißt also oft einfach „ich will nicht kreativ sein“?
Mario Pricken: Wir leben in einer komischen Zeit, in der man hört: Du musst dies tun können, du musst jenes tun können. Auch wenn du gar nicht die innere Motivation hast. Ich weiß nicht, ob das zum Ziel führt. Denn ich habe gelernt, dass Motivation einer der wichtigsten Impulsgeber ist, um kreativ zu sein. Ich muss es wollen. Das wird klarer, wenn ich deine Frage umdrehe. Ich frage: Kann jeder auf einem Pferd reiten? Ja, das kann eigentlich jeder. Das kann auch jeder lernen, überall in Österreich geht das. Interessanterweise hab ich bis heute nicht reiten gelernt. Warum? Weils mich nicht interessiert. Also auch bei der Kreativität gilt: Prinzipiell kann das jeder lernen, vielleicht bringt er sogar ein gewisses Grundtalent mit, aber die Frage ist: Hab ich den innerlichen Antrieb?
„Kreativ sein funktioniert nicht auf Knopfdruck“, hört man auch immer wieder. Deine Denkanleitungen suggerieren aber das Gegenteil. Wie funktionieren sie?
Mario Pricken: Wir sind ja hauptsächlich in der Kreativbranche tätig, in Werbung und Marketing, Medien und Design, da könnte man sagen, wir haben es mit richtigen Profis zu tun. Was wir in unserem Berufsalltag aber immer wieder merken, ist folgendes: Wenn man mal wirklich in die Tiefe geht, und die Kreativprofis dort fragt: „Weißt du eigentlich, wie du neue Ideen entwickelst? Was sich dabei in deinem Kopf abspielt?“ Dann kann das kaum jemand beantworten. Das finde ich sehr spannend. Das bedeutet, es wird sehr intuitiv, sehr aus dem Bauch heraus, gearbeitet. Aber ich hab gelernt:
„Je mehr ich weiß, was sich in meinem Kopf tut, desto eher kann ich kreativ sein.“
Mario Pricken: Damit ist kein großer Zauber gemeint, sondern das Kopfkino. Die Denkanleitungen in „Kribbeln im Kopf“ sind eigentlich nichts anderes als Regieanweisungen. Ich gebe mir damit also selbst Anweisungen für mein Kopfkino und entwickle so Ideen. Interessant ist, dass auch hochtalentierte Kreative nicht wissen, dass sie das so machen. Das läuft so unbewusst ab, dass sie das nicht richtig mitbekommen. Meiner Meinung nach ist das nicht so gut, weil ich dann dem ausgeliefert bin, was ich gut kann. Gute Kreative wenden meist nur vier bis fünf der Denkstrategien aus „Kribbeln im Kopf“ an. Wenn ich jetzt aber weiß, was bei mir im Kopf passiert, kann ich alle Denkstrategien anwenden und damit auf völlig neue Ideen kommen.
Kreativitätstechniken kostenlos downloaden #
Du willst kreativ sein lernen und verschiedenste Kreativitätstechniken trainieren? Hier kannst du Mario Prickens Buch „Kribbeln im Kopf“ kostenlos herunterladen.
Über Mario Pricken #
Mario Pricken zählt zu den international gefragtesten Experten in den Bereichen Kreativität und Ideenmanagement sowie Strategieentwicklung und Innovation. Gemeinsam mit Dieter Weidhofer leitet er die neun Innovation Labs der Kreativagentur Mario Pricken Dieter Weidhofer, arbeitet als Innovation Director mit internationalen Unternehmen zusammen und unterrichtet als Universitätslektor an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Sein Bestseller „Kribbeln im Kopf“ wurde seit 2001 mehr als 130.000 Mal in acht Sprachen verkauft und gilt als international anerkanntes Standardwerk. Mario Pricken ist zudem Autor von „Think outside the frame“, „Clou“, Visuelle Kreativität“ und „Die Aura des Wertvollen“.
Bildnachweis: shutterstock/ Rawpixel; Mario Pricken
Redaktion
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