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Krisenbewältigung im Homeoffice: Kann man virtuell Trost spenden?

Arbeitsleben Erstellt am: 06. Dezember 2021 5 Min.

Wer viel im Homeoffice arbeitet und manche Kolleg*innen nur remote zu Gesicht bekommt, kennt die Situation vielleicht: Befindet sich das Gegenüber in einer schwierigen Situation – etwa durch einen Krankheits- oder Todesfall in der Familie, eine Trennung oder ähnliches – möchte man helfen und Trost spenden. Doch funktioniert das virtuell? Wie man Kolleg*innen bei der Krisenbewältigung im Homeoffice unterstützen kann, haben wir den Experten für Notfall- und Krisenmanagement Klemens Fraunbaum gefragt.

Im Leben gibt es Situationen, die einen völlig aus der Bahn werfen können: eine schwere Krankheit, der Verlust eines geliebten Menschen, ein zerplatzter Traum … In diesen Phasen braucht man Menschen, die einem Halt geben und die einen durch die schwere Zeit begleiten. Als nahestehende*r Arbeitskolleg*in oder vertraute Führungskraft möchte man diese Person sein – doch wie kann man Trost spenden, wenn man nur virtuell füreinander da sein kann? Klemens Fraunbaum, Experte für Notfall- und Krisenmanagement, erklärt, wie das funktioniert und warum wir beim Trost Spenden oft zu hohe Ansprüche an uns selbst haben

Trost spenden: Ein Wunsch mit Missverständnissen #

„Das Wort Trost ist sehr schwierig, weil Trost suggeriert, dass es einem danach besser geht. Und das funktioniert nicht so einfach“, beginnt Klemens Fraunbaum zu erklären. Möchte man einem*einer Kolleg*in in schweren Zeiten beistehen, sollte man den Anspruch also etwas reduzieren, denn so der Krisenmanagement-Experte: „Trost beendet nicht Trauer, sondern trägt einen durch.“

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Klemens Fraunbaum

„Trost beendet nicht Trauer, sondern trägt einen durch.“

Zur Veranschaulichung lässt er uns an einer Anekdote aus seiner Arbeit beim Kriseninterventionsteam teilhaben: „Ich war vor einigen Jahren mit einer jungen Kollegin bei einem Einsatz, wo sich ein junger Mann das Leben genommen hat. Eine wirklich tragische Geschichte und eine ganz schlimme Situation für die Hinterbliebenen. Für meine Kollegin was das der erste Einsatz. Vor Ort herrschte dann in erster Linie Schweigen – sehr lange und bis auf ein paar organisatorische Dinge hat keiner der Anwesenden ein Wort gesagt. Meine Kollegin war bei der Heimfahrt dann sehr enttäuscht, weil sie erwartet hatte, dass ich als erfahrener Profi den Trauernden ein paar Worte sagen würde und dann würde es ihnen wieder besser gehen. Ich habe ihr dann erklärt, dass ich ein Zauberer wäre, wenn ich das könnte, weil das leider nicht so einfach funktioniert, und dass es manchmal das einzig Hilfreiche ist, das Schweigen mit auszuhalten und nur da zu sein.“

Trauerbewältigung ist ein langwieriger Prozess #

Das ist auch der erste wichtige Hinweis für alle Führungskräften, Kolleg*innen und Freund*innen von Betroffenen: „Trauerbewältigung und Trost sind nichts Einmaliges, sondern ein langwieriger Prozess. Und die endet nicht mit einem Begräbnis oder wenn der*die Kolleg*in wieder zur Arbeit kommt, sondern da gehts dann meist erst richtig los. Wenn für alle Außenstehenden wieder „Normalbetrieb“ eingekehrt ist, während für die Hinterbliebenen die Lücke durch den Tod eines geliebten Menschen an allen Ecken und Enden im Alltag spürbar und belastend ist. Deshalb sollte man sich immer wieder melden und die betroffene Person fragen, wie es ihr geht.“

Krisenbewältigung geht auch im Homeoffice #

Krisenbewaeltigung im homeoffice

„Interesse zu zeigen funktioniert auch remote.“

Das, ist der diplomierte Sozialarbeiter überzeugt, gelingt auch bei räumlicher Distanz. „Interesse zu zeigen ist ganz wichtig und das geht auch remote sehr gut. Die Grundlage ist aber immer die Beziehung, die man vor der Krise hatte.“ Das bedeutet: War das Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter*in vor dem Schicksalsschlag eher professionell-sachlich, wäre es unpassend, wenn man in der Krisensituation ständig anruft und über Emotionen sprechen möchte.

Manchmal können Beziehungen aber genau durch solche Erlebnisse vertieft werden. „Das passiert vor allem dann, wenn man ähnliches erlebt hat“, ergänzt Klemens Fraunbaum. „Oft bieten sich die entsprechenden Kolleg*innen auch als erste für Gespräche an oder melden sich häufiger, weil sie oft weniger Scheu haben, über dieses Thema zu reden. Das hilft den Betroffenen meistens sehr gut.“

Organisatorische Erleichterung durch das Unternehmen #

Arbeitgeber*innen können auch über organisatorische Erleichterungen sehr viel Linderung verschaffen, empfiehlt der Krisenmanagement-Experte: „Das kann auf unterschiedlichste Weise erfolgen: Zum Beispiel, indem man den Wechsel ins Homeoffice möglich macht, oder aber im Gegenteil die betroffene Person wieder tageweise ins Büro kommen lässt, damit sie aus der trauerbehafteten Umgebung rauskommt.“

Auch Arbeitszeit zu reduzieren ist eine Möglichkeit, die vielen Menschen in Krisensituationen helfen kann. „Manche wollen aber dann erst recht arbeiten, um auf andere Gedanken zu kommen. Hier kann ein*e Arbeitgeber*in Zusatzaufgaben geben, wenn die Person das möchte. Natürlich mit Augenmaß und ohne Erfolgsdruck. Wesentlich ist es, die tatsächlichen Bedürfnisse des*der betroffenen Mitarbieter*in zu erfragen und nicht nur Vermutungen anzustellen “

Zuhören statt Ratschläge geben #

Virtuell troesten

Für die Kolleg*innen oder Freund*innen ist es in der Regel sehr schmerzhaft, den Betroffenen in ihrer Trauer nicht richtig helfen zu können. Das weiß auch Klemens: „Menschen haben oft das Gefühl, wir müssen jetzt intervenieren und gute Ratschläge geben. Das ist aber gar nicht nötig. Interesse und Verständnis zu zeigen ist schon sehr wertvoll. Zeit und ein Ohr zu haben: Brauchst du etwas? Wie gehts dir? Oder einfach nur zuhören. Zeit miteinander zu verbringen – und auch gemeinsam zu schweigen. Und das ist ein ganz wesentlicher Beitrag, auch wenn man das Gefühl hat, gar nichts gemacht zu haben.“

„Im Schockzustand können Informationen gar nicht richtig verarbeitet werden.“

Einfach nur da zu sein – wenn auch virtuell oder telefonisch – ist dann besonders wichtig, wenn die Krisensituation noch akut ist. „Da befinden sich die meisten in einem Schockzustand, in dem sie Informationen gar nicht richtig verarbeiten können“, erklärt Klemens und untermauert mit einer weiteren Anekdote: „Eine Betroffene hat mir einmal im Nachhinein erzählt, sie wisse noch genau, dass ich im Krisenmoment für sie da war und dass sie sehr froh darüber gewesen sei. Aber sie könne sich an kein einziges Wort mehr erinnern, das wir gewechselt haben. Da sieht man sehr schön, dass kluge Ratschläge in dem Moment viel unwichtiger sind, als einfach nur da zu sein und betroffene Menschen spüren zu lassen, dass man Anteil nimmt.“

Zur Person

Klemens Fraunbaum ist diplomierter Sozialarbeiter, Unternehmensberater, Supervisor, Coach sowie Trainer für Notfall- und Krisenmanagement. Er ist zudem langjähriger Mitarbeiter bzw. Einsatzleiter im mobilen Team der Krisenhilfe OÖ.

Bildnachweis: shutterstock/VH-studio, Foxy burroy, WAYHOME Studio; Klemens Fraunbaum


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