„Kein Kommentar“? Über gelungene Krisenkommunikation und kapitale Fehler
Gute Krisenkommunikation ist die halbe Miete am Weg durch schwierige Zeiten. Allzu oft versuchen Unternehmen jedoch, ihre Probleme zu vertuschen, schönzureden oder einfach „wegzuschweigen“. Ein kapitaler Fehler, wie die PR-Expertinnen Grazia Nordberg und Annabel Loebell wissen. Im Vorfeld eines Workshops haben uns die beiden verraten, worauf es bei gelungener Krisenkommunikation ankommt.
Mitarbeiter wollen möglichst transparent und zeitnah über Vorgänge im Unternehmen informiert werden. Vor allem, wenn eine veritable Krise auf sie zurollt. Was wir bereits mit zwei Expertinnen zum Thema Mitarbeiterführung in der Krise besprochen haben, beleuchten wir jetzt aus kommunikativer Sicht. Denn selbst die besten Führungskräfte können nur wenig bewirken, wenn es keine gut durchdachte Kommunikationsstrategie gibt.
Grazia Nordberg und Annabel Loebell, Geschäftsführerinnen der 2001 gegründeten PR-Agentur LOEBELL NORDBERG beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit professioneller Unternehmens- und Krisenkommunikation. Als Vorgeschmack auf ihren Workshop am 23. September bei der Creative Region Linz & Upper Austria in der Linzer Tabakfabrik haben wir die beiden zum Interview gebeten:
Erfolgreiche Krisenkommunikation: Grundregeln und Verantwortliche #
Was sind die Grundregeln erfolgreicher Krisenkommunikation?
Nordberg: Eine klare Strategie zu haben, sich alle möglichen Szenarien durchzudenken und einen detaillierten Maßnahmenplan für jede Eventualität bis ins Kleinste vorzubereiten. Am besten schon in guten Zeiten. Denn wenns mal brennt, muss es schnell gehen – die ersten 24 Stunden zählen! Dann gelten klare Situationsanalyse, Medienrecherche, eindeutige Verantwortlichkeiten, Transparenz nach innen und außen und vor allem: klare Botschaften! Das Wichtigste dabei: Interne Kommunikation steht vor externer Kommunikation.
„Wenns mal brennt, muss es schnell gehen – die ersten 24 Stunden zählen!“
Wenn Mitarbeiter über Probleme, Skandale und Krisen ihres Unternehmens erst aus den Medien erfahren müssen, ist das ein Super-Gau. In Krisenzeiten trennt sich die Spreu vom Weizen, was die Unternehmenskultur angeht. Was bis dato firmenintern und im Teamspirit nicht erreicht wurde, erreicht man im Krisen-Tsunami ad hoc erst recht nicht mehr. Das kann man sich auch nicht erwarten.
„Was bis dato im Teamspirit nicht erreicht wurde, erreicht man im Krisen-Tsunami erst recht nicht mehr.“
Aber ein Trost: Eine Krise kann auch eine Chance für die Firmenkultur sein. Wenn das Schiff sicher und erfolgreich durch den Sturm fährt, dann ist die Mannschaft danach noch eingeschweißter, motivierter und kommittierter als davor. Wenns in guten Zeiten schon intransparent, unauthentisch und schwammig ist, Leadership und Team-Spirit fehlen, wird nichts eine Krise überstehen.
Wer sollte firmenintern für die Krisenkommunikation verantwortlich sein? Wer an der Erarbeitung von Strategien beteiligt sein?
Loebell: Krise ist immer Chefsache – in puncto Verantwortung und Zuständigkeit. Daher sollte Krisenkommunikation ebenfalls oben angesiedelt und koordiniert werden, auch die Vorbereitung auf solche Szenarien im Vorfeld sollte Chefsache sein, um die Bedeutung zu stärken und den Blick fürs Ganze zu wahren. Gepackt vom engstem Beraterteam – rechtlich, betriebswirtschaftlich, kommunikativ – und Vertretern aus den betroffenen Abteilungen oder Stellen des Unternehmens.
„Krise ist immer Chefsache, daher sollte Krisenkommunikation ganz oben angesiedelt werden.“
Fehler können passieren, Zeiten können turbulent sein, Märkte können einbrechen, Produkte fehlerhaft sein, Menschen können versagen – oder Viren die Welt bedrohen. Der Krisenstab ist auch in der Kommunikation die Unternehmensspitze, sie muss Gesicht zeigen und dahinterstehen – nach innen und nach außen.
Schweigen, Schwindeln, Verschleiern: Die größten Fehler in der Krisen-PR #
Was sind die größten Fehler, die man bei der Krisenkommunikation machen kann?
Nordberg: Schweigen, schwindeln, verschleiern und verschleppen sind in der Krisenkommunikation absolute No-Gos. Luken dicht oder Kopf in den Sand – diese Strategie hat noch keine Öffentlichkeit positiv gestimmt.
Welche Floskeln sollte man in der (Krisen-)Kommunikation vermeiden?
Nordberg: Das geht von „die Geschäftsführung stand für eine Stellungnahme nicht bereit“ über „kein Kommentar“ bis hin zu „Wir werden uns bemühen“.
Interne vs. externe Kommunikation in schwierigen Zeiten: Wie unterscheiden sich die beiden voneinander?
Loebell: Diese sollten sich gar nicht unterscheiden. Wer dies glaubt, hat schon mal einen Denkfehler. Mitarbeiter sind die erste Adresse im Unternehmen, sie sind die wichtigsten Kommunikatoren und Markenbotschafter nach außen. Die beste Pressemeldung oder Erklärung kann Ihnen der Verkäufer am POS zerstören, wenn er im Kundengespräch nicht dahintersteht.
Über Erfolgsmessung und die Krise als Chance #
Woran können Geschäftsführer und Führungskräfte erkennen, ob ihre Kommunikationsstrategie und -maßnahmen funktionieren?
Loebell: Ganz einfach dann, wenn sich das Stimmungsbild dreht. Das schnellste Feedback hat man immer digital und auf Social Media. Das heißt: Foren beobachten, Monitoring und Postings oder Kommentare in Onlinemedien checken und vor allem nach innen hören! Die Mitarbeiter fragen: Was sagt der Kunde? Die Berichterstattung „umzudrehen“ ist eine Sache, Glaubwürdigkeit zu erwirken, das Vertrauen der Kunden wiederherzustellen, sich bei Anrainern, Lieferanten und Banken zu rehabilitieren eine andere. Und am Ende zählen ganz einfach die Hard Facts – die Geschäftszahlen.
Sie haben vorhin „die Krise als Chance“ angesprochen: Wie können schwierige Phasen tatsächlich zur Chance werden und wie trägt Kommunikation dazu bei?
Nordberg: Wie in jeder Krise gibt es auch in einer PR-Krise immer eine Chance. Chancen kann man nutzen, das heißt aber: Tabula rasa machen, Missstände aufzeigen, Lösungen finden, nachhaltig implementieren, und im Schulterschluss: „Hosen runter und durch“ – wie ich es nenne. Je härter es wird, umso schneller gehts vorbei. Und es ist eine gute Chance, mal wirklich Führungskompetenz nach innen und außen zu zeigen und gut zu kommunizieren.
„Hosen runter und durch!“
Fehler passieren, die Frage ist eher, WIE man damit umgeht. Wie in einer schlechten Ehe können letztendlich nur Verständnis, Kommunikation und Respekt dem anderen gegenüber sowie die Bereitschaft, etwas zu verbessern, das Ruder wieder herumreißen. Wichtig ist vor allem, danach auch dabei zu bleiben und aus den Fehlern nachhaltig zu lernen, um eine gute und kommunikationsaffine Unternehmenskultur zu etablieren. Nach der Krise ist vor der Krise: Wenn alles wieder im Griff ist, heißt es nochmal die Chronologie Revue passieren zu lassen, nochmal Feedback einholen, Learnings durchgehen, Lehren für die Zukunft finden und eventuell Konsequenzen ziehen – positive und negative.
„Nach der Krise ist vor der Krise: Wenn alles wieder im Griff ist, heißt es Lehren für die Zukunft zu finden und eventuell Konsequenzen zu ziehen – positive und negative.“
Auswirkungen der Corona-Krise: Nehmen wir Kommunikation anders wahr? #
Hat die Corona-Krise unsere Art, zu kommunizieren und Kommunikation wahrzunehmen, beeinflusst?
Loebell: Der Anfang war ein Paradebeispiel der Krisenkommunikation eines Staates, seiner Wirtschaft und der öffentlichen Hand. Es war aber auch ein Paradebeispiel dafür, wie Unternehmen und Medien in Krisen weiterfunktionieren, indem sie sich schnell anpassen, digitalisieren und agiler werden. Mittlerweile fühlt sich das Ganze ein bisschen wie back to normal an, Learnings sehe ich da noch nicht, nur eine gewisse Krisenmüdigkeit.
Für viele Kommunikationsteams heißt es nach wie vor: Kurzarbeit, weniger Budget, mehr Zeitdruck – was sind eure drei wichtigsten Inputs für strategische und effiziente Kommunikation?
Nordberg: Ein Thema besetzen! Digital vernetzen! Journalistisch denken!
„Es geht auch anders.“: Learnings der vergangenen Monate #
Welche Maßnahmen haben euch durch diese herausfordernde Zeit geholfen und wie habt ihr sie an eure Mitarbeiter kommuniziert?
Nordberg: Auch wir musstenagiler werden, noch mehr „Hands on“, noch mehr unsere Teams einbinden, denn sie haben gezeigt, sie können super selbstständig und kreativ sein, auch wenn die klassischen Bürostrukturen wegbrechen.
„Unsere Teams haben gezeigt, sie können super selbständig und kreativ sein, auch wenn die klassischen Bürostrukturen wegbrechen.“
Tägliche Zoom Morning Calls aus dem Homeoffice, intensiver Kundenkontakt, dabei trotzdem Nähe zu den Redaktionen, die auch im Homeoffice waren. Und viele Gespräche mit Kunden, Mitarbeitern und Journalisten, die weit über das übliche day-to-day Business hinausgingen, schafften Vertrauen, Verständnis und eine neue Version von Effektivität.
Was habt ihr als Geschäftsführerinnen aus den vergangenen Monaten gelernt?
Loebell: „Es geht auch anders.“ Das ist das größte Learning. Mal anders denken, über den Tellerrand, mehr quer, schneller und bunter – denn nichts bleibt wie es ist, schon gar nicht in der Kommunikation.
Workshop „Gute Kommunikation kennt keine Krise“ #
Am 23. September halten Grazia Nordberg und Annabel Loebell in der Tabakfabrik Linz einen Ganztagesworkshop zum Thema „Gute Kommunikation kennt keine Krise“. Die Teilnehmer erwarten praktische Tipps, Cases und Hintergründe zur PR in Krisenfällen.
Der Workshop ist Teil der Reihe „Fokus: Kommunikation 2.0“ in Kooperation mit dem Creativ Club Austria. Interessierte finden hier nähere Infos zum Inhalt und zur Anmeldung.
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