Meinungsfreiheit: "Heikle Themen vor allem am Arbeitsplatz mit Sorgfalt behandeln"
Was man in der Freizeit sagt und tut, ist Privatsache und die persönliche Meinung darf den Arbeitgeber nicht interessieren - oder etwa doch? Das Thema Meinungsfreiheit im Berufsleben birgt mitunter Stolperfallen. Wir haben bei Rechtsanwalt Georg Bruckmüller nachgefragt: Wie ist das eigentlich, mit der Meinungsfreiheit und dem Berufsleben?
Von Treuepflichten und Tendenzbetrieben #
In Österreich werden unter dem Begriff „Treuepflicht“ jene Pflichten zusammengefasst, die den Arbeitnehmer neben seiner Hauptflicht - das ist die Arbeitspflicht - treffen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um sogenannte Interessenwahrungspflichten. Verstöße gegen diese Treuepflicht können wichtige Gründe für eine Entlassung des Arbeitnehmers darstellen. Ein Teil der Treuepflicht ist das „Verbot des abträglichen Privatlebens“. Dieses verpflichtet den Arbeitnehmer, seine privaten Angelegenheiten im Interesse des Arbeitgebers in einer bestimmten Art und Weise zu gestalten. Das Verbot des abträglichen Privatlebens darf allerdings nicht zu weit ausgelegt werden, da es regelmäßig Beschränkungen von Persönlichkeitsrechten mit sich bringt. Grundsätzlich steht es daher einem Arbeitnehmer frei, sein Privatleben nach seinen Vorstellungen zu gestalten und seine persönlichen Meinungen zu vertreten und kundzutun. Nur in Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber einem Mitarbeiter diesbezüglich Weisungen erteilen.
Eine Faustregel dabei: Arbeitnehmer, die in der Hierarchie des Unternehmens weit oben stehen, müssen tendenziell mehr Einschränkungen hinnehmen. Das wird auch damit begründet, dass diese weitergehenden Verpflichtungen durch ein entsprechend höheres Entgelt abgegolten werden.
Einen Sonderfall stellen sogenannte „Tendenzbetriebe“ dar, wie etwa Religionsgemeinschaften oder politische Parteien. Hier werden Arbeitnehmer teilweise geradezu dafür eingestellt, die weltanschauliche Ausrichtung des Arbeitgebers nach außen zu repräsentieren. Tendenzträger sind daher auch im Privatleben – in angemessenem Ausmaß – zu tendenzkonformem Verhalten verpflichtet.
Das sagt der Rechtsanwalt dazu #
Angenommen, ein Arbeitgeber kündigt einen Arbeitnehmer, weil er dessen private Äußerungen – die er zB via Social Media kundtut – als geschäftsschädigend einstuft. Ist der Kündigungsgrund rechtens oder könnte der Arbeitnehmer das anfechten?
Bruckmüller: Grundsätzlich benötigt ein Arbeitgeber keinen Grund dafür, einen Arbeitnehmer zu kündigen - im Gegensatz zur Entlassung. Die Beendigung des Dienstverhältnisses durch Kündigung soll beiden Seiten unter normalen Umständen jederzeit offenstehen. Eine Anfechtung einer Kündigung ist daher nur unter ganz bestimmten engen Voraussetzungen möglich. § 105 Abs 3 enthält eine Reihe von „verpönten Motiven“, aus denen keine Kündigung erfolgen darf und diese daher anfechtbar ist. Die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen privaten – möglicherweise geschäftsschädigenden – Äußerungen ist keine Motivkündigung und kann daher unter diesem Gesichtspunkt nicht bekämpft werden. Allenfalls kommt eine Anfechtung aus Sozialwidrigkeit in Betracht.
Eine Anfechtung der Kündigung kann auch in Betracht kommen, wenn die Kündigung aufgrund eines durch das Gleichbehandlungsgesetz geschützten Merkmals (Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Alter, sexuelle Orientierung, ethnische Zugehörigkeit) erfolgt ist. Stehen die privat getätigten Äußerungen in einem Zusammenhang mit diesen Merkmalen, könnte eine Anfechtung der Kündigung daher in Betracht kommen.
Wenn die Aussagen des Arbeitnehmers z.B. auf Facebook so weit gehen, dass strafrechtliche Vorschriften verletzt werden (Üble Nachrede, Beleidigung, etc.) oder der Mitarbeiter dem Arbeitgeber gegenüber seine Vertrauenswürdigkeit verliert, kann sogar eine Entlassung gerechtfertigt sein.
„Heikle Themen vor allem am Arbeitsplatz mit Sorgfalt behandeln.“
Macht es einen Unterschied, ob ich mich während der Arbeitszeit oder privat nach Feierabend kritisch über etwas äußere, das nicht der Linie oder Meinung meines Arbeitgebers entspricht?
Bruckmüller: Grundsätzlich nicht, es steht dem Arbeitnehmer sowohl während der Arbeitszeit als auch während der Freizeit frei, seine Überzeugungen kundzutun. Wie oben angeführt gibt es Ausnahmen bei sogenannten „Tendenzbetrieben“. Kritisch wird es, wenn die Aussagen des Arbeitnehmers tatsächlich geschäftsschädigend sind oder strafrechtliche Relevanz haben. Im Rahmen der Treuepflicht muss der Arbeitnehmer die Interessen des Arbeitgebers wahren, insbesondere wenn er als Vertreter des Unternehmens gegenüber Kunden auftritt. Vor einer Kündigung, für die wie erwähnt grundsätzlich kein Grund notwendig ist, ist ein Arbeitnehmer bis auf Ausnahmefälle nicht geschützt, heikle Themen sollten daher vor allem am Arbeitsplatz mit entsprechender Sorgfalt behandelt werden.
Welche Äußerungen sind so schwerwiegend, dass sie sogar eine fristlose Entlassung nach sich ziehen können?
Bruckmüller: Äußerungen des Arbeitnehmers können dann zu einer Entlassung berechtigen, wenn die zu seiner Vertrauensunwürdigkeit führen oder wenn darin erhebliche Ehrverletzungen gegen den Dienstgeber, dessen Stellvertreter, deren Angehörige oder gegen Mitbedienstete zu sehen sind. Als Entlassungsgrund wurden in der Rechtsprechung etwa folgende Aussagen gewertet:
- Äußerung gegenüber Kunden, die Firma sei eine Verbrecherfirma
- Schimpfwörter „Trampel“, „deppert“ und „Nobelhure“ gegenüber Mitarbeitern, auch wenn im Betrieb ein derber Umgangston herrscht
- Bezeichnung der Ehefrau des Arbeitgebers als „hinterlistiges Weib“
- Bezeichnung des Geschäftsführers als „Schwein“
Im Gesamtkontext können auch weniger dramatische Aussagen zu einer Vertrauensunwürdigkeit des Arbeitnehmers führen. Generelle Aussagen sind kaum möglich, da es sich letztlich immer um Einzelfallentscheidungen handelt.
„In private Social Media Nutzung nicht zu sehr eingreifen.“
Würden Sie Arbeitgebern dazu raten, Social Media Guidelines für Mitarbeiter zu erstellen?
Bruckmüller: Social Media Guidelines sind geeignet, um die geschäftliche Nutzung von Social Media im Unternehmen verbindlich zu regeln. Die private Nutzung von Social Media ist Angelegenheit der Arbeitnehmer, in die der Arbeitgeber nicht zu sehr einzugreifen versuchen sollte. Gewisse Richtlinien und Hinweise für den Umgang mit Social Media können aber zu einer Sensibilisierung der Mitarbeiter führen und bestimmte Probleme damit bereits im Vorfeld beseitigen. In solchen Richtlinien können die Arbeitnehmer an ihre Geheimhaltungsverpflichtungen erinnert werden und verdeutlich werden, welche Schäden ein unverantwortlicher Umgang mit Social Media in der heutigen Zeit anrichten kann. Um Arbeitnehmer bereits im Vorfeld die Auswirkungen von Social Media (wie z.B. bei Kritik am eigenen Unternehmen) vor Augen zu führen, können Social Media Guidelines in vielen Unternehmen daher durchaus sinnvoll sein.
Redaktion
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