Mehr Leistung durch Mitarbeiterüberwachung? Ein Mythos!
Überwacht man die Anwesenheitszeiten und Tätigkeiten von Angestellten, arbeiten sie mehr, scheint die Meinung vieler Arbeitgeber*innen zu sein. Anders lässt es sich kaum erklären, dass viele Unternehmen Überwachungssoftware einsetzen. Aber wo beginnt Überwachung? Und wie wirkt sie tatsächlich auf die Produktivität? Das war Thema einer aktuellen Umfrage.
Denkt man an Mitarbeiterüberwachung, so hat man vermutlich erst mal die Überwachungskamera in Büros vor dem geistigen Auge. Doch es gibt auch eine Reihe von Softwareprogrammen, die zur Mitarbeiterüberwachung geeignet sind. Vor allem bei drohendem Kontrollverlust im Homeoffice scheint das ziemlich praktisch.
Das Software-Empfehlungs-Portal getapp hat in einer Umfrage erhoben, wie viele Unternehmen solche Programme einsetzen und wie sie sich auf die Mitarbeiter*innen auswirken.
Wie viele Unternehmen nützen Überwachungssoftware? #
Bei der Umfrage wurden 1105 Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte aus Deutschland, darunter 396 Führungskräfte von Unternehmen mit 50 bis 250 Mitarbeiter*innen befragt. Sie ist also keineswegs repräsentativ, weshalb die Zahlen auch mit Vorsicht zu genießen sind. Dennoch lässt sich ein Stimmungsbild ableiten und dieses zeigt: Fast 40 Prozent der befragten Führungskräfte nützen Überwachungssoftware.
Wo beginnt die Überwachung? #
Laut Befragung handelt es sich bei den eingesetzten Programmen aber nicht nur um Aufzeichnung von Videocalls. Auch Dienste, die nicht automatisch mit Überwachung gleichgesetzt werden, aber dazu verwendet werden können, scheinen auf: zum Beispiel Software zur Arbeitszeiterfassung oder Auslastung. Dabei zeigt sich, dass Programme, die tatsächlich in die Privatsphäre der Mitarbeiter*innen eingreifen, indem sie beispielsweise die digitale Kommunikation oder den Standort des Firmenhandys oder -Fahrzeugs aufzeichnen, sehr selten eingesetzt werden. Viel häufiger sind Zeit- und Arbeitslastmanagementsysteme.
Was sind die Vorteile der Mitarbeiterüberwachung? #
Die Frage sei uns aufgrund des oben Erwähnten erlaubt. Immerhin sind Programme zur (digitalen) Zeiterfassung oder zum Überblick über die aktuelle Auslastung der Mitarbeiter*innen zu deren Vorteil. Führungskräfte können so eine gesunde Arbeitsweise ihrer Teammitglieder im Blick behalten und frühzeitig erkennen, wenn Überlastung droht. Ein sinnvoller Schritt in der Burnout-Prävention. Wenn diese Programme allerdings nur der Kontrolle dienen und Führungskräfte nichts gegen Überstundenanhäufung tun, verpuffen diese Vorteile – und wandeln sich in Nachteile um.
Was sind die Nachteile? #
Misstrauen. Mit diesem einen Wort lässt sich eine ganze Reihe von Nachteilen zusammenfassen, die mit der Mitarbeiterüberwachung einhergehen können. Haben Angestellte das Gefühl, Programme wie Zeiterfassungssysteme werden nicht dazu eingesetzt, um Überlastung zu verhindern, sondern nur um zu kontrollieren (vielleicht noch mit dem indirekten Druck, Überstunden aufzubauen, um fleißig zu wirken), bedeutet dies einen massiven Vertrauensverlust.
„Überwachung kann das gegenseitige Misstrauen fördern.“
Andere Systeme, die etwa Videocalls aufzeichnen oder heimlich Screenshots in Videomeetings machen, fördern das gegenseitige Misstrauen zudem. Das führt zu einer insgesamt negativen Unternehmenskultur, mehr digitalem Stress und, so die Meinung von 42 Prozent der Befragten – einer Verschlechterung der Arbeitsmoral - die X/Y-Theorie lässt grüßen: Wer glaubt, dass man Mitarbeiter*innen kontrollieren muss, weil sie faul und unwillig sind, wird faule, unwillige Mitarbeiter*innen heranerziehen.
Wo macht Mitarbeiterüberwachung Sinn? #
Wie schon erwähnt, sind Zeiterfassungs- oder Arbeitslastmanagementsysteme durchaus sinnvoll. Womöglich kann es in manchen Fällen sogar Sinn machen, einen Videocall aufzuzeichnen – etwa, um abwesende Mitarbeiter*innen im Nachhinein zu informieren.
„Arbeitgeber*innen sind zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet!“
Abgesehen von der Sinnhaftigkeit spielt auch das Arbeitsrechteine Rolle beim Thema der Zeiterfassung. In Österreich und Deutschland sind Arbeitgeber*innen verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter*innen aufzuzeichnen, um Überschreitungen der Höchstarbeitszeit feststellen zu können.
Sind sich Mitarbeiter*innen der Überwachung bewusst? #
Wichtig ist in jedem Fall, dass alle „Überwachten“ wissen, wann und zu welchem Zweck etwas aufgezeichnet wird und ob beziehungsweise wie lange die Daten gespeichert werden. Hier hapert es aber noch, wie die Umfrage von getapp zeigt: Während 38 Prozent der Führungskräfte angeben, Überwachungssoftware zu verwenden, geben nur 21 Prozent der Mitarbeiter*innen an, dass dies in ihrem Unternehmen getan wird. Viele sind sich also nicht bewusst, dass sie in irgendeiner Form überwacht werden.
„Nicht jede Überwachung wird als solche wahrgenommen.“
Möglicherweise wird die Überwachung auch nicht als solche wahrgenommen. Wie zu Beginn erwähnt, assoziieren wir „Überwachung“ eher mit einem ungewollten Eingriff in die Privatsphäre. Es erscheint naheliegend, dass Zeiterfassungssysteme für die befragten Angestellten daher nicht als Überwachungsprogramme gesehen werden.
Warum überwachen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter*innen? #
Auch das wollte getapp wissen und bekam löbliche Gründe genannt: Führungskräfte wollen sich mithilfe von Überwachungssoftware einen besseren Überblick über den täglichen Geschäftsbetrieb, die Überstunden und Unterstützungsbedarf von Mitarbeiter*innen verschaffen. Wie oft diesem Überblick dann tatsächlich entsprechende Maßnahmen folgen, wurde leider nicht erhoben.
„Der Großteil der befragten Führungskräfte vertraut seinen Mitarbeiter*innen.“
Nach den Gründen gefragt, wurde aber auch der Anteil der Führungskräfte, die angibt, keine Überwachungssoftware einzusetzen. Und das ist mit 61 Prozent die Mehrheit. Warum? Weil es schlicht keinen Grund gebe, da „genug Vertrauen ins Team“ vorhanden sei, lautet die am häufigsten genannte Antwort. Wie diese Arbeitgeber*innen die Arbeitszeitaufzeichnung regeln und ob sie vielleicht auch von diesen Führungskräften schlicht nicht als Überwachung eingestuft wird, geht nicht aus der Umfrage hervor. Das soll jedoch die positive Abschlussbotschaft nicht schmälern: Der Großteil der befragten Führungskräfte vertraut seinen Mitarbeiter*innen. Das ist doch erfreulich.
Bildnachweis: shutterstock/Andrey_Popov
Redaktion
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