Zum Seiteninhalt springen
Zurück zu Gehalt
Gehaltsverhandlung geglueckt

3 Mythen und viele Wahrheiten über die Gehaltsverhandlung - Teil 2

Gehalt Aktualisiert am: 27. Oktober 2022 6 Min.

Das ist der zweite Teil des Beitrags "3 Mythen und viele Wahrheiten über die Gehaltsverhandlung". Diesmal gehts vor allem um Mythen, die besagen, dass du redegewandt und schlagfertig sein musst, um gut zu verhandeln bzw. mit diesen Eigenschaften geboren sein musst. Wieso das nicht so ist und worauf es in Wahrheit wirklich ankommt, erfährst du im Beitrag.

Im ersten Teil der Artikelreihe haben wir dir erklärt, warum die Gehaltsverhandlung nicht gefährlich ist und du dich unbedingt trauen solltest, regelmäßig zu verhandeln.

Ein Gastartikel von Florian Märzendorfer

Florian maerzendorfer

Florian Märzendorfer, CEO von fip-s.at

Mythos #2: Um richtig verhandeln zu können, muss ich redegewandt, spontan & schlagfertig sein #

Ja, wenn du redegewandt, spontan & schlagfertig bist, dann schadet es nicht. Aber es ist keine Grundvoraussetzung. Du musst auch nicht die weltbeste Verhandler*in sein, um eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung zu führen - selbst wenn dein Boss viel mehr Verhandlungserfahrung hat als du (und das hat er bzw. sie meistens).

Das alles ist egal.

Es gibt auch nicht die eine magische Phrase, die du verwenden musst, um eine Erhöhung zu bekommen. Auch wenns cool wäre, wenn wir wie ein Jedi mit einer Handbewegung und dem richtigen Satz das Verhalten unseres Vorgesetzten beeinflussen könnten.

Wahrheit: Viele verhandeln gar nicht oder machen keinen guten Job dabei. #

Wenn du also ein bisschen Übung hast, dann bist du bereits besser als 90 Prozent deiner Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen, mit denen dein*e Vorgesetzte*r bisher verhandelt hat. Das ist wie wenn ein*e Boxer*in jahrelang gegen schwache Gegner antritt. Er oder sie fährt Sieg um Sieg ein. Plötzlich hat er oder sie es mit einem guten Kontrahenten zu tun und liegt auf den Brettern.

Ja, die Verhandlung ist, soll, und darf kein Kampf sein. Der Vergleich soll nur deutlich machen, wie viel du bewegen kannst, wenn du nur ein bisschen besser beim Verhandeln wirst. Es wirkt sich natürlich aus, ob du den Wunsch auf deine Gehaltserhöhung so beginnst:

"Ich habe mich gefragt, ob es vielleicht möglich ist, dass ich mehr Gehalt bekomme…"

(Antwort: Nein, aktuell nicht. Nächstes Jahr wirds einfacher.)

Oder vielleicht sogar so…

"Ich bin mir nicht sicher, ob im Budget noch Platz dafür ist, aber…"

(Antwort: Nein, das Budget für dieses Jahr ist leider schon fertig und geschlossen. Aber im nächsten Jahr bestimmt.)

So solltest du niemals ein Gespräch zum Thema Gehalt beginnen. In beiden Fällen ist der Gesprächseinstieg mehr als unglücklich gewählt. Du machst dir damit das Leben selber schwer.

„Die zwei Formulierungen zeigen außerdem einen entscheidenden Fehler“

"Ich habe mich gefragt, ob es vielleicht möglich ist, dass ich mehr Gehalt bekomme…"

Das hört sich ganz so an, als ob das Thema Gehaltsanpassung vorher nie zur Sprache kam. Nicht bei der Zielvereinbarung oder irgendwann vor diesem Gespräch. Das sollte nicht passieren. Dein*e Vorgesetzte*r muss wissen, dass du auch über das Thema Gehalt sprechen möchtest. Und zwar bevor du es dann direkt ansprichst. Der Wunsch nach mehr Gehalt darf keine Überraschung sein.

Egal ob du frisch im Job startest oder gerade dein letztes Feedbackgespräch hattest… Wenn du beispielsweise Ziele vereinbarst, dann kannst du in dem Gespräch bereits erwähnen, dass du beim Erreichen der Ziele auch wieder über das Thema Gehalt bzw. Gehaltsanpassung sprechen möchtest.

Aber selbst wenn dein Boss vorinformiert ist und weiß, dass das Gehaltsthema kommt, wird die Erfolgschance deiner Gehaltsverhandlung nicht zum Großteil von der exakten Phrase, die du verwendest, abhängen.

Mythos # 3: Manche Menschen sind einfach als gute Verhandler*in geboren ODER "Ich kann einfach nicht verhandeln" #

Hast du schon mal vom indischen Kastensystem gehört? Von der Geburt bis zum Tod bleiben die Hindus in ihrer “Kaste”. Wer nicht in einer der oberen Kasten geboren wird, hat es extrem schwer aus seiner “vorherbestimmten” Kaste auszubrechen.

Beim Thema Gehaltsverhandlung habe ich manchmal das Gefühl, als ob die meisten Menschen der Ansicht sind, dass sie im indischen Kastensystem gefangen sind…

  • "Manche Menschen sind einfach die geborenen Verhandler."
  • "Ich kann einfach nicht verhandeln."

STOPP. Wenn du auch nur eine Sache aus dieser Artikelserie mitnimmst, dann soll es die folgende sein:

Wahrheit: Verhandeln ist eine Fähigkeit, die du lernen kannst #

Genauso wie Radfahren oder Schreiben. Je mehr du übst, und je mehr du dich damit beschäftigst, desto besser wirst du darin. Wie bereits bei Mythos #2 erwähnt, musst du nicht der weltbeste Verhandler aller Zeiten werden.

Um bei den Beispielen von oben zu bleiben: Du musst nicht das “Race across America” gewinnen oder einen Literaturnobelpreis. Wenn du dich etwas verbesserst, kannst du überdurchschnittlich gute Ergebnisse erzielen (erinnere dich an das Beispiel mit dem Boxer kurz zuvor).

Damit du das schaffst, musst du allerdings alle psychologischen Barrieren und Hürden, die dich dabei sabotieren, vorab aus dem Weg räumen. Einen ersten Schritt dazu habe ich mit den bisherigen Inhalten in dieser Artikelserie hoffentlich geschafft.

Sprechen wir noch darüber worum es beim Verhandeln wirklich geht…

Was ist eigentlich eine Verhandlung? #

Starten wir damit, was die Gehaltsverhandlung nicht ist: Die Gehaltsverhandlung ist nicht das 15-minütige Gespräch rund ums Thema Gehalt. Das Gespräch macht nur einen Teil deiner gesamten Gehaltsverhandlung aus.

Ähnlich, wie im gesamten Bewerbungsprozess nicht alles nur vom Bewerbungsschreiben, dem Lebenslauf oder den Antworten auf die großen Fragen im Vorstellungsgespräch abhängt.

Bei der Gehaltsverhandlung beeinflusst das Gespräch nur zu ca. 10 bis 20 Prozent deines Erfolgs.

Versteh mich nicht falsch - du kannst im Gespräch vieles versauen und gute Vorarbeit zerstören. Aber ob das Gespräch erfolgreich ist, oder nicht, entscheidet sich in vielen Fällen bereits vorher. Wie du dich vorbereitest, übst und deine Resultate und Ergebnisse bisher präsentiert hast, erhöht oder senkt die Wahrscheinlichkeit einer Gehaltserhöhung.

80 bis 90 Prozent der Arbeit einer Gehaltsverhandlung passieren VOR dem Gespräch.

Denn dein Wunsch auf eine Gehaltserhöhung und deine Verhandlung beginnt bereits mit dem ersten Arbeitstag. Es ist zum Beispiel DEIN Job, deiner Vorgesetzten zu zeigen, was du leistest und geleistet hast. Denn die Wahrheit ist, dass dein Boss vielleicht gar nicht im Detail weiß, was deine Errungenschaften sind.

Du musst vorab zeigen, warum du mehr wert bist, als letztes Jahr…

… oder sogar letztes Monat. Du solltest auch wissen, wo es vielleicht nicht so rund lief und dein*e Vorgesetzte*r möglicherweise nachfragt. Darauf musst du eine Antwort parat haben. Wir hätten es auch als Mythos #4 bezeichnen können, dass dein Boss wissen muss, was du alles geleistet hast. Nein - es ist DEIN Job darauf hinzuweisen.

Wenn du das machst, dann baust du Verhandlungsmacht auf

Und darauf kommts in jeder Verhandlung an. Je mehr Verhandlungsmacht du hast, desto besser sind deine Chancen auf eine Gehaltserhöhung. Falls du dir gerade denkst…

"Ja, aber ich habe keine Verhandlungsmacht"

Gehe zurück zu Teil 1 dieses Artikels und lies dir die zweite Wahrheit nochmal durch. Wenn du ein*e Top-Mitarbeiter*in bist, dann hast du mehr Verhandlungsmacht, als dir vielleicht bewusst ist. Du musst sie nur richtig, fair und professionell einsetzen.

Das alles ist Teil der Verhandlung

Es geht nicht, wie bereits erwähnt, um eine einzelne gute Phrase. Die beste Formulierung deines Gehaltswunsches wird nicht ausmerzen, wenn du vorher deine Leistung nicht gebracht und vor allem deutlich gezeigt hast. Ein paar schöne Worte und gelungene Formulierungen reichen nicht aus, um deine Vorgesetzten zu überzeugen. Es ist das Gesamtbild.

Vergiss nicht - deine Gehaltsverhandlung hat bereits begonnen!

Alle Infos für die erfolgreiche Gehaltsverhandlung

Erstellt am: 06. September 2023 17 Min.

Hier findest du eine umfassende Übersicht über die wichtigsten Aspekte von Gehaltsverhandlungen mit Links zu spezifischen Artikeln zu Verhandlungstipps, Gehaltsvergleichen und vieles mehr.


Avatar Redaktion 2x

Redaktion
Mehr erfahren

Entdecke mehr zu diesem Thema

Tabuthema Geld: Wenn der Dienstvertrag verbietet, übers Gehalt zu sprechen

Erstellt am: 17. August 2014 2 Min.

Wissen Sie, welches Gehalt Ihr unmittelbarer Arbeitskollege Monat für Monat ausbezahlt bekommt? Wissen Sie über die bestimmte Paragraphen in seinem Dienstvertrag bescheid? Wie transparent ist das Gehaltsschema Ihres Arbeitgebers? Arbeiten Sie in einer Firma von Neidern? Werden sie seit Ihrem letzten Gehalts-Upgrade, von dem Sie eigentlich niemandem erzählt haben, von Kollegen „geschnitten“?  Und, einmal ehrlich: Worüber wird bei der Kaffee- und/oder Zigarettenpause getratscht? Richtig: Über Geld. Die wichtigste Nebensache in der Berufswelt. Wir stellen die Frage: Soll in Unternehmen in puncto Mitarbeitergehälter Offenheit oder Verschwiegenheit herrschen?

Die Psychologie hinter der idealen Gehaltserhöhung

Aktualisiert am: 29. August 2022 2 Min.

Der Wunsch nach mehr Gehalt steht bei vielen Arbeitnehmer*innen auf der Wunschliste ziemlich weit oben. Forscher*innen haben untersucht, ob und wie lange uns mehr Geld im Job motiviert und ob hinter der idealen Gehaltserhöhung ein System erkennbar ist.

Wer verdient was? Gehälter in unterschiedlichen Berufen im Check

Erstellt am: 22. März 2022 4 Min.

Wie viel verdient man in welchem Beruf? Wie wirken sich Stundenausmaß und Joblevel aufs Gehalt aus und macht die Unternehmensgröße einen Unterschied? Diese Fragen waren Ausgangspunkt unserer aktuellen Gehaltsanalyse.