Neid im Job: So kann dir Missgunst die Karriere verbauen
Mitleid bekommst du geschenkt, Neid musst du dir verdienen. Es ist ein Verdienst, auf den viele am liebsten verzichten würden, denn gut fühlt er sich nicht an, der Neid. Entkommen kann man der Emotion zwar nicht, wie man mit ihr umgeht, liegt aber in unserer Hand. Vom richtigen Umgang mit Neidern und was zu tun ist, wenn sich bei einem selbst der Neid breitmacht:
Unliebsame Begleiter im Job: Neid und Missgunst #
Kleine Sticheleien, verpackt in scherzhafte Bemerkungen. Vielleicht auch plötzliche Kritik an der Arbeit. Ist der Kollege etwa neidisch auf mich? Wie damit umgehen? Und was tun, wenn in mir selbst der Neid hochkriecht? Psychotherapeutin und Coach Sonja Rieder über die Ursachen von Neid und den richtigen Umgang mit der unangenehmen Emotion.
Was steckt hinter der Emotion Neid?
Rieder: Neid setzt sich zusammen aus Ärger bzw. Wut und oft auch Traurigkeit. Man ist wütend, weil jemand anderer etwas hat. Selbst hat man das Gefühl, dass man das nicht erreichen kann. Daher kommt auch die Traurigkeit dazu. Folgegefühl davon ist dann die Unzufriedenheit.
Warum sind wir mit der Emotion Neid ausgestattet?
Rieder: Evolutionsbiologisch gibt es den Futterneid, der dem eigenen Überleben diente. Es ist die Angst, nicht genug zu bekommen. Deshalb versucht man, selbst möglichst schnell zuzuschlagen. In unserer Zeit ist das natürlich losgelöst von der ursprünglichen Situation. Für die meisten in unserer Gesellschaft gibt es keinen Grund, neidisch zu sein.
Wir sprechen im Berufs- und Privatleben über viele Emotionen, selten aber über Neid. Warum ist diese Emotion ein Tabu?
Rieder: Es ist sozial einfach nicht erwünscht. Hier spielt sicher auch unsere christliche Tradition eine Rolle mit Neid als eine der sieben Todsünden. Ich denke, das wirkt noch nach. Weiters ist es so, dass in unserer Gesellschaft schnell Sätze fallen wie "Der ist ja nur neidisch!" wenn es darum geht, dass jemand weniger hat: die sogenannte Neidgesellschaft. Gleichzeitig gibt es objektive Ungleichheiten, die wirklich nicht fair sind. Wenn es darum geht, die Welt besser und Ungerechtigkeiten sichtbar zu machen, kann Neid auch günstig und hilfreich sein. Ein weiterer Grund, warum Neid ungern thematisiert wird: Es ist einfach kein angenehmes Gefühl - für beide Seiten.
In welchen Formen macht sich Neid oft bemerkbar?
Rieder: Neid macht sich oft in Sticheleien oder schnippischen Anmerkungen bemerkbar. Es kann auch sein, dass die Person, die neidet, auf Abstand geht und den Kontakt reduziert. Neid kann auch in Kritik münden: Ich beneide jemanden, also suche ich mir etwas, das ihn schlechter macht und reite darauf herum. Im Job kann das bis hin zu Intrigen oder Mobbing führen. Problematisch ist, dass sich Beneidete in dieser Situation oft schlecht wehren können. Die Sticheleien sind oft lustig formuliert, eine Antwort darauf fällt schwer: Es war ja nur lustig gemeint. Aber es gibt sehr wohl einen ernsten Kern, verpackt in einen Scherz.
Wie kann man damit am besten umgehen?
Rieder: Ideal ist eine Gegenfrage: Was meinst du genau damit? Werde doch mal konkret. Was möchtest du damit sagen? So kann ich den anderen dazu bringen, Farbe zu bekennen. Scherzhafte Bemerkungen, die sich häufen und immer wieder auftreten, die können sich auch verstärken, wenn man sich lange nicht wehrt. Es ist wichtig, früh dagegen anzutreten.
„Neid setzt sich aus Ärger bzw. Wut und oft auch Traurigkeit zusammen.“
Typische Situationen für Neid im Job?
Rieder: Geld und Gehalt ist sicher ein Riesenthema. Es zieht den Vergleich förmlich an, weil uns konkrete Zahlen vorliegen. Empfinden Arbeitnehmer ihr Gehalt bzw. das der anderen als ungerecht, macht das schnell schlechte Stimmung im Unternehmen. Der Haken daran: Wir glauben, dass die konkreten Zahlen eine objektive Beurteilung zulassen, aber hier muss man aufpassen: Wir denken, dass der Kollege bei höherem Gehalt die gleiche Arbeit leistet, vielleicht gibt es aber doch Unterschiede, die wir nicht sehen.
Aufstieg und Beförderung geben ebenfalls Anlass zu Neid. Im Unternehmen wird vielleicht umstrukturiert, ein Kollege kommt vorwärts, ich selbst aber nicht - typische Situationen. Oft hört man dann: Der ist eigentlich gar nicht so gut. Oder: Die hat eben die besseren Beziehungen. Ich weiß, dass es nur daran liegt. Das sind oft Statements, die von Neidern kommen.
Sind das Ausreden, um sich die eigene Situation schönzureden?
Rieder: Nicht bewusst, aber unbewusst vielleicht schon. Oft ist Menschen, die Neid verspüren, auch gar nicht bewusst, was sie mit ihrem Auftreten auflösen. Dass z.B. ihre Art eine Beförderung unwahrscheinlich macht. Ein Beispiel aus meiner Praxis: Jemand, der seinen Chef permanent kritisiert und das als Notwendigkeit sieht - sich so aber die Beförderung verbaut. Führungskräfte befördern eher Mitarbeiter, die loyal sind. Wie Aufstieg funktioniert, das ist außerdem oft nicht klar nachvollziehbar, geschieht nach undurchsichtigen Regeln - für Neid natürlich eine Spielwiese.
Wenn man selbst Neid verspürt. Wie kann man damit umgehen?
Rieder: Gut ist, wenn man sich Neid eingestehen kann. Diese Emotion zu bekämpfen bringt nichts. Wir haben sie als Menschen nun einmal. Neid, der nur ab und zu auftritt, ist normal. Wenn ich diese Einstellung habe, kann ich sagen: Gut, das ist jetzt so – ich beneide den oder die um etwas. Ich nutze das als Ansporn, ich möchte das auch erreichen. Möchte ich auch mehr Geld, nutze ich das als Antrieb, um endlich einen Termin für ein Gehaltsgespräch vereinbaren. Oder es gibt mir den Mut, tatsächliche Ungerechtigkeiten endlich offen anzusprechen. Neid kann ein unheimlicher Ansporn sein.
„Neid ist nur möglich, weil wir uns ständig vergleichen.“
Neben dieser Sicht nach Außen gibt es auch die nach Innen: Ich spüre Neid, lenke den Blick aber von der anderen Person auf mich selbst. Was sind meine Stärken? Was habe ich vergessen, weil ich den Fokus auf jemand anderen lege? Was habe ich bisher geleistet? Was wurde mir mitgegeben? Sich das immer wieder vor Augen zu führen, ist ein Paradeweg in die Zufriedenheit. Man muss es nur immer wieder tun. So kommt man zu wesentlich mehr Wertschätzung und Dankbarkeit, für das, was man hat im Leben.
Neid ist nur möglich, weil wir uns ständig vergleichen. Es ist illusorisch zu denken, dass man das unterbinden könnte. Wir vergleichen uns, weil wir uns orientieren möchten. Ohne Vergleiche wird es nicht gehen, das sollte auch nicht das Ziel sein. Man kann jedoch bewusst beobachten, in welchen Situationen man sich mit anderen Personen vergleicht. Sehr oft ist es der ständige Vergleich mit jemandem, der es besser hat. Die Messlatte ist dann das Problem. Ich kann meine Messlatte immer so wählen, dass ich als Verlierer dastehe. Ich kann sie aber auch so wählen, dass ich gewinne. Was hat die andere Person, das ich auch gerne hätte? Was sind die Vorteile davon, dass ich das nicht habe? Das kann man sich ebenfalls vor Augen führen. Der Kollege hat die Führungsposition zwar bekommen, dafür muss er sich mit dem Betriebsrat auseinandersetzen und seine Arbeitstage sind viel länger geworden. Welchen Preis bezahlt jemand für das, was er hat? Wäre es mir das wert?
"Der Neid ist das Problem der anderen." #
Ein Blick auf die andere Seite: Was tun, wenn man Neid ausgesetzt ist? Kann das meiner Karriere schaden?
Rieder: Jemandem, der Neid schlecht aushält, kann das durchaus schaden. Man zieht sich zurück, zeigt sich nicht und versteckt seine Fähigkeiten. Gerade im Berufsleben ist es aber wichtig, sich zu zeigen. Es ist eine Welt, in der es auch darum geht, seine eigenen Erfolge aufzuzeigen. Verstecke ich mich, ist das dann eher ungünstig.
Wie kann ich damit umgehen?
Rieder: Der Neid ist im Prinzip das Problem der anderen. Vorausgesetzt, man protzt nicht und reibt seine Erfolge anderen unter die Nase. Dieses Gefühl des anderen muss ich nicht unbedingt auf mich beziehen. Vielleicht wäre der Neider auf jeden neidisch, der in meiner Rolle steckt. Jetzt bin es halt ich. Das muss man schon ein Stück weit aushalten können. Wenn man weiterkommen möchte, ohne jemals Neid zu erregen, wird das nicht gehen. Relativieren hilft ebenfalls: Ich bin jetzt in dieser Position, aber ich zahle auch einen Preis dafür. Manchmal ist es auch möglich zu teilen. Im Job kann ich einen Teil meines Wissens mit anderen teilen oder hilfsbereit sein. Das kann die Neidgefühle anderer auch besser machen. Und nicht zuletzt kann ich Neid auch als Form der Anerkennung sehen. Nicht umsonst besagen die Sprichwörter: Viel Neid, viel Ehr. Mitleid kriegst du geschenkt, Neid musst du dir verdienen. Wer es schafft, der kann Neid auch königlich tragen.
Zur Person #
Mag. Sonja Rieder ist Karriereberaterin, Psychotherapeutin, Fachbuchautorin und Business Coach mit eigenem Büro in Wien. Neben klassischen Karrierethemen wie Laufbahnplanung, Bewerbung, Um- und Neuorientierung liegt ihr Fokus auf Coaching in Entscheidungssituationen sowie auf psychologischen Themen wie Narzissmus, Arbeitsstil und Selbstmanagement. Sie berät Selbstständige, Fach- und Führungskräfte sowie Young Professionals in herausfordernden Berufs- und Lebenssituationen.
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Redaktion
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