Networking-Tipps für Introvertierte: Keine Angst vor dem Small Talk
Schauplatz Networking-Event: Leidenschaftlicher Small Talk und das Pilgern von Stehtisch zu Stehtisch gehören dort nicht zur Lieblingsbeschäftigung für Introvertierte. Für stille Menschen, die lieber alleine sind, als zahlreiche Hände zu schütteln, sind Veranstaltungen zum Netzwerken oft mehr Gräuel als Chance. Um das Knüpfen von Kontakten kommt man im Berufsleben aber oft nicht herum. Wie man als Introvertierte*r Netzwerk-Veranstaltungen meistern kann, weiß Natalie Schnack. Sie kennt nützliche Networking-Tipps für schüchterne Personen
“Ich mag keinen Small Talk. Ich bin mir selbst genug. Stille ist so wunderbar. Ich will nicht immer reden. Unter Menschen bin ich schnell erschöpft und überreizt. Ich denke viel über mich und die Welt nach. An fremde Menschen und Umgebungen muss ich mich erst gewöhnen. Ich beobachte erst und halte mich lieber im Hintergrund. Lasst mich doch alle in Ruhe, wenn ich in eine Sache vertieft bin!”
Introvertierte Personen werden sich in diesen Aussagen wiederfinden. Zusammengefasst hat sie Natalie Schnack, die sich als Sichtbarkeits-Coach darauf spezialisiert hat, introvertierte Menschen in Beruf und Alltag zu unterstützen - und selbst als Introvertierte die "stille Welt" gut kennt.
Introvertiert: Bitte nicht zu viel Kontakt #
"Introversion ist genau wie Extraversion angeboren. Dabei geht es darum, wie unterschiedlich Informationen im Gehirn verarbeitet werden, welche Nervenbahnen zuständig sind und welche Botenstoffe ausgeschüttet werden. Und in diesem Zusammenhang gibt es unterschiedliche Arten der Energiegewinnung", erklärt Schnack und weist auf das wichtigste Unterscheidungsmerkmal hin:
- Introvertierte Menschen gewinnen ihre Energie durch das Alleinsein und verbrauchen ihre Energie, wenn sie unter Menschen sind.
- Bei den Extravertierten ist es andersherum. Sie gewinnen Energie durch Kontakt zu anderen Menschen und verlieren sie, wenn sie allein sind.
„Introvertierte möchten oft keinen Kontakt, weil es sie anstrengt.“
Introvertiert vs. Schüchtern #
Dass Intros den gemütlichen Abend zu Hause der großen Party vorziehen bedeutet aber nicht, dass sie grundsätzlich schüchtern oder anderen Menschen ablehnend gegenüber eingestellt sind. "Da Introvertierte nicht ständig Kontakt zu anderen suchen, weil sie sich meist selbst genug sind und sich auch nie allein langweilen, unterstellt man ihnen oft, schüchtern zu sein. Doch ein Schüchterne*r will ja Kontakt zu anderen, hat aber Angst davor. Eine introvertierte Person will einfach oft den Kontakt nicht, weil ihn das anstrengt. Das sind komplett unterschiedliche Dinge", erklärt Schnack. Natürlich können auch Introvierterte schüchtern sein, genauso aber auch Extrovertierte.
Warum ist Networking für Intros so anstrengend? #
Die klassische Networking-Situation: Auf einer Veranstaltung gibt es die Gelegenheit, auf viele unbekannte Menschen zu treffen. Man nimmt mit dem Ziel daran teil, möglichst viele neue Personen kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Klingt gut? Für Introvertierte weniger. Natalie Schnack nennt die Gründe dafür:
- Small Talk
Introvertierte Menschen denken sehr viel nach. Jede Form der Oberflächlichkeit ist ihnen zuwider - und als nichts anderes erleben sie Small Talk: Als Austausch von Belanglosigkeiten. - Sinn
Wozu soll ich diese ganzen Menschen überhaupt kennenlernen? Intros blühen bei tiefen Begegnungen und intensiven Gesprächen auf. Sie pflegen wenige, dafür tiefgehende Beziehungen. Das Anhäufen von vielen Kontakten, die man nicht intensiv pflegen kann, widerstrebt ihnen. - Überreizung
Jede*r Introvertierte weiß, dass man sich in einem (lauten) Raum voller Menschen nach kürzester Zeit ausgelaugt und der Situation nicht gewachsen fühlt. Am liebsten würde man die Flucht ergreifen, muss aber auf möglichst viele Personen aktiv zugehen. Intros macht das keinen Spaß, es kostet nur Kraft.
Networking-Tipps für Introvertierte #
Weil das Knüpfen von Kontakten im Beruf wichtig ist, kommt man auch als Introvertierte*r nicht ganz ohne Networking aus. Mit guter Vorbereitung und Achtsamkeit kann man eine Networkingveranstaltung auch als Intro gut meistern. "Um die Sache leichter zu gestalten, ist eine wirklich gute Vorbereitung wichtig", sagt Schnack. Während Netzwerken für einen Extravertierten ein sorgloses Unterfangen mit Spaß und Freude am Kontakte knüpfen ist, ist es für einen Introvertierten harte Arbeit. Damit Netzwerken auch den Stillen gelingt, ist es wichtig, die drei Problemfelder Small Talk, fehlender Sinn und Überreizung aufzuweichen oder aufzulösen.
Small Talk meistern #
"Unsere Vorstellung davon ist, dass wir ständig irgendwelche Floskeln anbringen müssen. Und dass diese Floskeln irgendeinem Anspruch genügen müssen, der im Kopf rumschwirrt und Stress verursacht. Dabei ist das Quatsch", sagt Schnack. Es reicht nämlich vollkommen, freundlich auf Personen zuzugehen und ein unverbindliches "Hallo" zu sagen. Meist beginnt der Andere dann schon zu reden und ein Gespräch läuft an. Wenn der Small Talk ins Stocken gerät, kann man mit ein paar Fragen nachhelfen. Das gelingt natürlich nur, wenn man sich selbst nicht unter Druck setzt und das Gespräch so gestaltet, wie es für einen selbst am einfachsten ist. Zuhören, Interesse zeigen und ab und zu etwas zu fragen ist einfacher, als sich komplett einzubringen. Wenn man merkt, dass das Gespräch nicht interessant genug ist, darf man sich auch höflich verabschieden und gehen.
Übung macht die Meisterin.
Man "netzwerkt" nicht nur im beruflichen Kontext. Viele deiner Kontakte befinden sich im privaten Umfeld (beispielsweise im Freundeskreis). Du interessierst doch für eine neue Berufsbranche, vielleicht arbeitet die Bekannte im Sportkurs in diesem Berufsfeld. Dann fällt der Informationsaustausch vielleicht leichter, als in einer formellen Umgebung. Das ist auch eine Form des Networkings und ladet niederschwellig auch zum Üben ein.
Sich auf Sinnsuche begeben #
Zu einem Netzwerktreffen zu gehen, nur weil man das im Berufsleben halt so macht, ergibt für eine*n Introvertieren keinen Sinn. "Nur Menschen kennenzulernen ist kein wirklicher Grund. Beantworten muss man immer das WARUM", erklärt Schnack und erzählt, auf welche Art sie die Sinnsuche meistert: "Ich gehe nur zu Veranstaltungen, deren Themen mich wirklich interessieren. So wäre es für mich auch völlig ok, wenn ich auch gar keinen Menschen kennenlernen würde (was nie vorkommt). Wenn ich auch an dieser Stelle Druck herausnehme, dann habe ich viel mehr davon. Und offensichtlich strahle ich dann so viel Ruhe aus, dass mir dann immer irgendein spannender Mensch begegnet."
Der Überreizung vorbeugen #
"Hier ist es sehr wichtig, dass man lernt, gut für sich zu sorgen. Das fängt schon vor der Veranstaltung an: Man sollte gut ausgeruht und in guter Stimmung hingehen. Kein Gehetze, keine Pflichtveranstaltung. Sonst lieber ganz sein lassen", rät Schnack. Im Vorfeld kann man sich bereits mit anderen Personen verabreden und gemeinsam an der Veranstaltung teilnehmen. Kleine Ziele helfen dabei, sich nicht zu übernehmen: Ich nehme mir vor, eine interessante Person kennenzulernen. Wenn das gelungen ist, hat man sein Ziel erreicht und kann bei Interesse immer noch weitere Kontakte knüpfen.
Das Potenzial des Internets nutzen #
Einen Tipp hat Schnack für Introvertierte noch: Nutzt das Web! "Die Online-Welt ist für uns Introvertierte das Paradies!" sagt Schnack die es liebt, ihre Social Media-Kontakte dann auch persönlich zu treffen. "Das Schöne daran ist, dass der Small Talk im Vorfeld komplett wegfällt. Ich weiß genau, wen ich treffen werde - das nimmt viel Aufregung weg. Außerdem treffe ich mich so mit Menschen, die mir sympathisch sind. So ein Treffen kostet mir selbst dann keine Kraft", so Schnack.
Redaktion
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