Pauschalierung und All-In-Verträge
Seit Jahren ist bei Arbeitgebern die Tendenz zur Pauschalierung, insbesondere im Zusammenhang mit Mehr- und Überstunden zu erkennen. Solche Vereinbarungen sehen typischerweise für sämtliche Arbeitsleistungen ein Gesamtentgelt vor. Früher wurde meist mit Überstundenpauschalen, welche eine bestimmte Anzahl von Überstunden oder einen bestimmten Prozentsatz des Bruttomonatsgehalts als Überstundenabgeltung pauschal vereinbaren, gearbeitet. Diese haben den Vorteil für den Arbeitnehmer, dass er sein Grundgehalt und seine Verpflichtung zu Überstunden exakt kennt. Bei All-in-Vereinbarungen kennt der Arbeitnehmer aber nur den Gesamtbetrag, durch den sämtliche Leistungen des Arbeitnehmers pauschal abgegolten sein sollen.
Im Folgenden wird anhand der bestehenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dargestellt, welche Mindestanforderungen dennoch eingehalten werden müssen.
- Eine Pauschalierung ergibt sich nicht automatisch aus der Bezahlung eines überkollektivvertraglichen Entgelts, sondern bedarf einer Vereinbarung. Dem Arbeitnehmer muss erkennbar sein, dass mit dem gewährten Entgelt auch die Überstunden abgegolten sein sollen.
- Ein einseitiger Widerruf ist unzulässig, wenn die Pauschale bzw das Pauschalentgelt ohne Widerrufsvorbehalt vereinbart worden ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob die geleisteten Überstunden weniger werden oder die Erforderlichkeit von Überstundenleistungen gänzlich wegfällt. Liegt die Menge der geleisteten Überstunden unter dem Wert der Pauschale, ändert das nichts an dem zugesagten Entgeltanspruch.
- Trotz der Pauschalierung kommen die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes zur Gänze zur Anwendung. Lediglich leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind, sind vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen.
- Eine wirksame Entgeltvereinbarung liegt vor, wenn für den Arbeitnehmer einfach zu ermitteln ist, in welcher Höhe das Entgelt für die Normalarbeitszeit und in welchem Ausmaß die Überzahlung für die Überstundenleistung gewährt werden soll. Es muss eine klare Abgrenzung zwischen den für die Abgeltung der in der Normalarbeitszeit erbrachten Arbeitsleistungen und den für die Vergütung der Überstunden bestimmten Entgeltteilen möglich sein.
Nachforderungen des Arbeitnehmers trotz all-in? #
Leistet ein Arbeitnehmer eine die Pauschale übersteigende Anzahl von Überstunden, so kann er die von der Pauschale nicht gedeckten Überstunden geltend machen, da er durch die Pauschalabgeltung nicht schlechter gestellt werden darf als bei Einzelabrechnung der Überstunden. Die Pauschale darf somit nicht unter jene Vergütung sinken, die für die (durchschnittlich) tatsächlich erbrachten Überstunden zuzüglich der Zuschläge zustehen würde.
Solche Vereinbarungen sind nach der Rechtsprechung solange zulässig, als dadurch nicht der kollektivvertragliche Mindestgehalt unterschritten wird. Dazu ist es erforderlich, die Differenz zwischen Ist-Bezug und kollektivvertraglichem Mindestgehalt zu ermitteln, um die davon abgedeckten Überstunden feststellen zu können. Allfällige begünstigende Teilerregelungen in Kollektivverträgen sind dabei zu beachten (zB im Rahmenkollektivvertrag für die Industrie beträgt der Überstundengrundlohn 1/150 des Monatsgehaltes; auf dieser Basis sind dann auch die Zuschläge zu errechnen. Eine Überstunde kostet daher in den meisten Kollektivverträgen schon ohne Zuschläge mehr als eine Normalstunde.). Darüber hinaus geleistete Überstunden müssen aber vom Arbeitgeber gesondert bezahlt werden.
Für allfällige Nachforderungen müssen kollektivvertragliche oder einzelvertragliche Verfallsbestimmungen beachtet werden. Da der OGH von einem „Überstundenpauschale“ ausgeht, beginnen diese Fristen erst nach Ablauf des Kalenderjahres, also mit 1.1. zu laufen.
Nach der Rechtsprechung des OGH können sogar über das gesetzliche Ausmaß hinaus geleistete, also illegale Überstunden, vom Pauschalentgelt abgedeckt sein.
Abschließend ist noch auf sogenannte kollektivvertragliche Fairnessklauseln hinzuweisen, die es in manchen Kollektivverträgen gibt und welche solche „All-in-Verträge“ zumindest ein wenig einschränken bzw konkretisieren.
Hinzuweisen ist auch noch darauf, dass trotz der Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden und der wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf 50 Stunden mit 1.9.2019 die Leistung von Überstunden ab der 11. Stunde täglich und ab der 51. Stunde wöchentlich und völlig freiwillig ist. Daher sind diese Überstunden nicht Teil einer All-in-Vereinbarung. Diese Freiwilligkeit ist im Arbeitszeitgesetz nicht nur klar geregelt, sondern auch mit einem Benachteiligungsverbot und einem Kündigungsschutz abgesichert. Arbeitnehmer haben für Überstunden ab der 11. Stunde täglich und ab der 51. Stunde wöchentlich ein Wahlrecht auf Zeitausgleich. Auf dieses Wahlrecht kann der Arbeitnehmer auch nicht wirksam verzichten. Daher haben in diesem Falle auch Arbeitnehmer mit einem All-in-Entgelt Anspruch auf Zeitausgleich für diese extremen Arbeitszeiten.
Stand: Februar 2019
Autor: Mag. Dr. Klaus Mayr LL.M. ist Referent in der Kammer für Arbeiter und Angestellte OÖ (Abt. Kompetenzzentrum Betriebliche Interessenvertretung), Mitglied der Selbstverwaltung der OÖ GKK, Lektor der Universitäten Linz & Wien, Fachkundiger Laienrichter beim OGH.
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