Wie bleibe ich mental gesund im Job?
Wann macht Stress krank? Was kann ich im Job tun, um mental gesund zu bleiben? Und wie erkenne ich erste Anzeichen von Burnout bei mir selbst und meinen Kolleg*innen? Ein Gespräch mit Mental-Health-Expertin Carola Kleinschmidt.
Meetings am laufenden Band, knappe Deadlines und dann noch kurzfristig das Projekt von der kranken Kollegin übernehmen … Der Stresspegel in unserer Arbeitsweilt ist für viele enorm hoch. Eine Zeit lang hält man das aus, aber wann wird es zu viel? Carola Kleinschmidt, Autorin und Trainerin für Stress- und Burnout-Prävention, erklärt uns im Podcast, warum uns Arbeit krank machen kann.
Burnout-Gefahr: Wann macht Stress krank? #
Grundsätzlich ist Stress ein lebensnotwendiger Prozess, der uns vor Gefahren warnt, uns aktiviert und schützt. Das Problem daran: Hört er nicht auf, macht er uns krank. Und das geht schneller, als man vermuten würde: „Man weiß von Untersuchungen mit IT-ler*innen, die ja häufig in Projekten arbeiten, dass nach zwei Wochen Dauerstress das System anfängt, zu kippen. Man schläft dann schlechter, wacht nicht mehr so erholt auf und schafft dann seine Arbeit nicht mehr so gut.“ Das stresst natürlich zusätzlich und damit beginnt eine gefährliche Abwärtsspirale.
„Nach 2 Wochen Dauerstress fängt das System an zu kippen.“
Schlecht für mentale Gesundheit: Stressoren im Job! #
Aber was stresst uns so sehr an der Arbeit? Aus Carolas Erfahrung sind die häufigsten Faktoren im Job: Unterbrechungen, Meetings – und ganz aktuell – digitaler Stress. Dazu kommt das Gefühl, nicht wertgeschätzt, nicht gesehen zu werden und zu wenig Unterstützung von Führungskräften und Kolleg*innen zu bekommen. „Wir wollen gesehen werden, das ist eines der psychologischen Grundbedürfnisse. Im Homeoffice ist das schwieriger.“ Führungskräfte sind daher speziell im Remote Leading gefordert, für ihre Mitarbeiter*innen da zu sein.
„Wir wollen gesehen werden, das ist eines der psychologischen Grundbedürfnisse.“
Leistungsgesellschaft und Konkurrenzdenken im Job begünstigen Burnout #
Das ist aber oft gar nicht so leicht. Gesundheit und Wohlbefinden werden in unserer Arbeitswelt oft zugunsten von Effizienz und Produktivität hintangestellt. Das liegt einerseits an bewusst geförderter Wettbewerbssituation innerhalb mancher Unternehmen, andererseits an einer uns anerzogenen Denkweisen, die uns verführbarer für Überlastungen machen. Stichwort „Leistungsgesellschaft“: „Wir wären gar nicht so anfällig für ungesunde Arbeitsweisen, wenn wir nicht die innere Stimme hätten, die uns sagt: Im Job was reißen ist aber wirklich besser, als gut Pause machen können. Performance im Job ist wichtiger als alles andere, das macht uns leicht ausnutzbar“, so Carola.
„Kaum Führungskräfte sind ausgebildet in den Grundlagen psychosozialer Gesundheit.“
Was Unternehmen tun sollten, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, sind Schulungen der Führungskräfte, denn: „Kaum Führungskräfte sind ausgebildet in den Grundlagen psychosozialer Gesundheit oder Stressreduktion im Team. Schulungen in agilem Arbeiten und dergleichen sind ganz normal, aber wie gesundes Führen geht, das lernen die wenigsten.“
Überlastung bei Kolleg*innen erkennen
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Und auch über erste Anzeichen von stressbedingter Überlastung wissen viele Führungskräfte, aber auch Mitarbeiter*innen zu wenig. Veränderungen im Verhalten sind ein guter Hinweis dafür, erklärt Carola: „Wenn ein eigentlich sehr ausgeglichener, ruhiger Kollege plötzlich aufbrausend wird oder umgekehrt eine sehr impulsive oder kommunikative Kollegin plötzlich sehr ruhig und in sich gekehrt, dann können das erste Hinweise dafür sein, dass etwas nicht stimmt. Immer, wenn man das Gefühl hat, der oder die ist irgendwie komisch, irgendwie anders, dann sollte man über die aktuelle Auslastung und das Befinden sprechen.“
Zugleich tendieren wir dazu, in Stress-Situationen mehr vom selben zu machen, erklärt die Expertin: „Führungskräfte merken es, wenn Mitarbeiter*innen plötzlich kontrollierend werden und besonders viel Einsatz zeigen: Leute, die gern Verantwortung übernehmen, übernehmen dann noch mehr, Leute, die gern helfen, suchen noch mehr Nähe und wollen sich überall einbringen, perfektionistisch Veranlagte wollen alles noch besser machen.“
Mental gesund bleiben: Paradox handeln hilft #
Außenstehende bemerken eine drohende Überlastung in manchen Fällen sogar noch vor den Betroffenen. Unser internes Stresssystem ist daran schuld, erklärt die Biologin: „Unser Stresssystem wittert in solchen Situationen und Phasen die Gefahr und sagt: Da musst du durch. Doch in den meisten Fällen geht es in unserem Arbeitsleben nicht um Leben und Tod. Man muss die innere Stimme also austricksen und paradox handeln. Anders, als das Gefühl mir sagt. Wir kennen das zum Beispiel von unserem Essverhalten: Unsere Gelüste, unser Trieb führt uns da oft nicht in die gesunde Richtung, sondern zur Tüte Chips. Da muss der Kopf stärker sein und nein sagen. Beim Stress ist das ähnlich.“
„In den meisten Fällen gehts in unserem Arbeitsleben nicht um Leben und Tod.“
Paradox zu handeln bedeutet im Falle von Stress bei der Arbeit, sich erst recht dann, wenn sehr viel los ist, bewusst Ruhe zu gönnen. „Gerade an den Tagen, wo besonders viel los ist, mach ich Mittagspause oder geh am Abend noch eine Runde joggen, um die Stresshormone zu verstoffwechseln“, empfiehlt Carola. „Bewegung hilft da sehr. Aber auch die kleinen Pausen zwischendurch, die helfen uns, eine gesunde Balance zu erhalten.“
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Redaktion
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