Rassismus im Recruiting: Expertin Amina El-Gamal im Interview
Wie Unconscious Bias den Bewerbungsprozess beeinflusst und welche Schritte Personalverantwortliche setzen können, um Diskriminierung vorzubeugen, verrät Amina El-Gamal vom Verein ZARA im Interview.
Definition #
Was bedeutet Rassismus eigentlich? #
Amina El-Gamal: Wir alle sind in einem System aufgewachsen, das gewisse Personengruppen bevorzugt und andere benachteiligt – in der Schule etwa oder im öffentlichen Raum. Dieses System ist im Kolonialismus entstanden, um Menschen in Gruppen einzuteilen: ‚Wir‘ und ‚die Anderen‘. Das ‚Wir‘ bezieht sich auf weiße Personen, die Privilegien und Macht erhalten, ohne explizit etwas dafür zu tun, während ‚die Anderen‘ herabgewürdigt, als ‚unzivilisiert‘ abgestempelt und diskriminiert wurden.
Dieses sogenannte „Othering“ diente dazu, Gräueltaten wie Ausbeutung und Versklavung zu rechtfertigen. Es ist wichtig, diesen historischen Kontext im Blick zu haben, weil genau das bedeutet es heute auch noch. Schwarze Menschen werden strukturell benachteiligt, da Vorurteile tief in der Gesellschaft verankert sind. Das bedeutet, dass sie einen Job oder eine Wohnung nicht bekommen aufgrund ihres Aussehens, Namens, Staatsangehörigkeit und/oder der Religion.
„Wir erlernen gewisse Vorurteile, ohne es zu merken. Studien zeigen, dass diese den Recruiting-Prozess beeinflussen und gewisse Personen dadurch benachteiligt werden.“
Rassismus in der Arbeitswelt #
Wie beeinflussen Vorurteile den Bewerbungsprozess? #
Amina El-Gamal: Wir erlernen gewisse Vorurteile in unserer Sozialisierung, ohne es zu merken. Ich kann also auch ohne Intention rassistische Vorurteile bedienen. Daher müssen wir reflektieren: „Welche Bilder habe ich im Kopf in Bezug auf unterschiedliche Personengruppen?“, „Welche Vorurteile habe ich?“ Denn genau wie jeden anderen Lebensbereich beeinflussen diese Bilder und Vorurteile auch den Bewerbungsprozess: Wie ich eine Stellenausschreibung gestalte, nach welchen Kriterien ich Kandidat*innen für das Bewerbungsgespräch auswähle, wie ich das Gespräch führe.
Wenn ich mich noch nie mit dem Thema Rassismus auseinandergesetzt habe, aber damit anfangen möchte, was ist hier der erste Schritt?
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Amina El-Gamal: Am Beginn der individuellen Auseinandersetzung mit Rassismus stehen einige Fragen, die man für sich selbst reflektieren sollte:
- Wie betrifft mich Rassismus?
- Habe ich Privilegien und bin dadurch positiv von Rassismus betroffen?
- Oder bin ich negativ betroffen?
- Was sind die strukturellen Gegebenheiten, in denen wir leben?
- Anschließend kann ich mir überlegen, wie ich meine Privilegien dafür einsetzen kann, Rassismus zu bekämpfen.
Es gibt mittlerweile viele Materialien, Bücher, Podcasts, etc., die niederschwellig in die Themen Rassismus und Diskriminierung einführen und dabei helfen können, sich mit der eigenen Positionierung auseinanderzusetzen. Das kann anfangs überwältigend sein und Fragen nach der eigenen Schuld aufwerfen. Aber darum geht es nicht! Es geht nicht darum, wer schuld ist und es geht nicht darum, wer was falsch gemacht hat, sondern es geht darum, dass wir als Gesellschaft die Verantwortung dafür übernehmen, Rassismus zu bekämpfen und Zivilcourage zu zeigen, um Betroffene zu unterstützen.
Was ist "Blind Recruiting"?
Beim sogenannten „Blind Recruiting“ handelt es sich um eine Methode, um Diskriminierung bei der Auswahl von Kandidat*innen vorzubeugen. Dabei wird auf ein Foto und/oder die Angabe von persönlichen Daten in den Bewerbungsunterlagen verzichtet, damit unbewusste Vorurteile (Unconscious Bias) die Bewertung von Bewerber*innen durch Personalverantwortliche nicht beeinflussen.
Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus im Bewerbungsprozess #
Was können Personalverantwortliche tun, um Rassismus im Bewerbungsprozess vorzubeugen und zu verhindern? #
Amina El-Gamal: Da es sich bei Rassismus um ein strukturelles Problem handelt, ist es mit vereinzelten Handlungen noch nicht getan. Antidiskriminierung ist ein andauernder Prozess. Es braucht eine Auseinandersetzung mit dem System Rassismus, etwa in Form von regelmäßigen Schulungen und Fortbildungen, sowie Antidiskriminierungsmaßnahmen, die fest im Unternehmen verankert werden. Dazu zählen beispielsweise „Blind Recruiting“ und standardisierte Fragebögen im Bewerbungsgespräch.
Vor allem aber geht es darum, Betroffenen zuzuhören, sie zu inkludieren und ihre Anliegen ernst zu nehmen.
Über Amina El-Gamal
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Amina El-Gamal studierte Erziehungswissenschaften und Spanisch im Bachelor an der Universität Innsbruck und absolvierte ihren Master in Internationaler Entwicklung an der Universität Wien. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind Entwicklungsforschung, Geschlechterforschung, Anti-Diskriminierung und Intersektionalität. Sie war bei verschiedenen feministischen und entwicklungspolitischen Organisationen, an der Universität Wien sowie als Autorin und Radiomacherin tätig. Bei ZARA ist sie seit 2022 die Leitung des Public Outreach und Projektkoordination.
Maresa Mayer
PR Managerin
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