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Teamentscheidung

„Ober sticht Unter“ war gestern: Vertraut auf Teamentscheidungen!

Unternehmenskultur Erstellt am: 19. November 2018 5 Min.

Entscheidungen, die gemeinsam getroffen werden, fördern das Engagement im Job. Dennoch sträuben sich Unternehmen noch häufig dagegen, ihre Mitarbeiter einzubinden. Unternehmensberater, Innovation- & Change-Experte Patrick Rammerstorfer erklärt im Interview, warum sich Unternehmen zu mehr Teamentscheidungen bekennen sollten und wie man sie lernen kann.

„Gemeinsam sind wir stark“, „Mitarbeiter sind unser höchstes Gut“, „The team is the star“ – Aussagen wie diese sind oft nur leere Floskeln. Bei Entscheidungen im Unternehmen sind sie schnell vergessen und es wird in altbekannter „top-down“-Manier vorgegangen. Das ist jedoch nicht nur schlecht für die Mitarbeitermotivation, sondern verhindert auch eine agile Unternehmenskultur. Patrick Rammerstorfer berät Unternehmen bei Entwicklungsprozessen und spricht sich klar für mehr Teamentscheidungen aus.

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Innovation- & Change-Experte Patrick Rammerstorfer

Herr Rammerstorfer, was fasziniert Sie an beruflichen Entscheidungen?

Wenn man bedenkt, dass man tagtäglich bis zu 20.000 Entscheidungen trifft, sowohl unbewusst als auch explizit, ist das sehr spannend. Besonders im Berufsleben ist es sehr wichtig, bewusste Entscheidungen zu treffen. Aber genau da hapert’s oft. Diese Probleme und vor allem deren Lösungen interessieren mich.

Warum sind Entscheidungen im Berufsleben oft so schwierig?

Viele Unternehmen haben, vor allem wenn sie schon länger bestehen, eine starke Pfadabhängigkeit oder auch Pfadintelligenz. Das bedeutet, dass in jeder Situation ein bereits bekannter Pfad zur Lösung gegangen wird. Das kann man positiv sehen, denn aufgrund der vielen Erfahrungen wissen Unternehmen ganz genau, welcher Weg wann der richtige ist. Wenn sich Dinge aber ändern und neue Situationen entstehen, geänderte Marktanforderungen, neue Gesetze auftauchen etc., dann funktionieren diese Pfade nicht mehr. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollten Unternehmen erkennen, dass es für neue Situationen neue Entscheidungen braucht, die vielleicht nicht mehr von einem alleine getroffen werden können.

In Unternehmen entscheiden meist Einzelne fürs ganze Team. Macht das Sinn?

Das kommt ganz auf die Unternehmenskultur an. Will ich eine agilere Unternehmenskultur, muss ich überlegen, ob es überhaupt noch Sinn macht, einsam die Führungskraft entscheiden zu lassen. Meines Erachtens ist das nicht sinnvoll. Agilität ist eines der Prinzipien, das dazu führt, dass mehrere Personen gemeinsam situativ verschiedene Dinge entscheiden. Dazu braucht es auch neue Entscheidungswerkzeuge, die konsultative Fallentscheidung zum Beispiel: dabei lässt sich die Führungskraft von ihren Mitarbeitern oder Kollegen bei Entscheidungen beraten. Sie wird sie immer noch selbst treffen, lässt aber die Meinung der anderen einfließen. Bei „Konsent-Entscheidungen“ hingegen entscheidet man völlig gemeinschaftlich. Hierbei müssen zwar nicht alle einer Meinung sein, aber es darf auch kein triftiger Grund dagegensprechen, etwas einfach auszuprobieren. Funktioniert die Entscheidung nicht wie gewünscht, kann man sie immer noch revidieren.

„Im Team fällt es auch leichter, ein Scheitern zu akzeptieren.“

Beim Gedanken, die Mitarbeiter mitentscheiden zu lassen, sträuben sich bestimmt bei vielen Chefs die Haare. Warum ist das so?

Das liegt vor allem am Vertrauen. Führungskräfte können ihren Mitarbeitern oft nicht glaubhaft vermitteln, dass sie ihnen vertrauen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und bei Fehlentscheidungen wird dann lieber ein Schuldiger gesucht, anstatt das Problem gemeinsam zu lösen. Die „Fehler“- beziehungsweise Lernkultur spielt da auch eine große Rolle. In einem hierarchisch-bürokratischen Unternehmen, wo „Ober sticht Unter“ gilt, wird es keinen Sinn machen, das überhaupt nur vorzuschlagen, weil das Weltbild und die Führungskultur eher althergebracht sind:

„Oben wird entschieden, unten wird umgesetzt und soll nicht hinterfragt werden – da haben demokratische Entscheidungen keine Chance.“

Was spricht dafür, es trotzdem zu versuchen?

Naja, eines ist klar: Selbstverantwortung schafft mehr Engagement, dazu gibt’s viele Studien, die das belegen. Allerdings haben viele Leute, die jahrelang in einer sehr hierarchisch-bürokratischen Umgebung gearbeitet haben, teilweise auch verlernt, selbstverantwortlich zu entscheiden. Wenn man diesen nach zwanzig Jahren „Empfehlsempfängertum“ sagt: „Triff jetzt selbstverantwortliche Entscheidungen, wie du deine Arbeit organisierst und welche Ziele du erreichen willst!“, dann wird sie das überfordern. Leute an Entscheidungen heranzuführen, muss im Unternehmenskontext oft erst trainiert werden.

Wie kann man das lernen?

Da muss man, wie gesagt, am Vertrauen und der Lernbereitschaft arbeiten. Wenn sich ein Unternehmen aber wirklich mehr in Richtung gemeinschaftliche Entscheidungen entwickeln will und eine kooperative Unternehmenskultur lebt, kann es zum Beispiel mit Peer Recruiting beginnen. Dabei werden neue Mitarbeiter vom gesamten Team gemeinsam ausgewählt und jede Stimme zählt das gleiche. Das sind gute Versuche, um Menschen mehr in die Selbstverantwortung zu nehmen. Es müssen auch nicht immer alle gemeinsam entscheiden, sondern diejenigen, die in bestimmten Situationen die meiste Ahnung haben - und das sind nicht immer die, auf deren Visitenkarte „Chef“ steht.

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Über die Person #

Patrick Rammerstorfer ist seit mehr als 20 Jahren leidenschaftlicher Unternehmer und studierte Handelswissenschaften, Change Management und General Management. Seit dem Jahr 2000 widmet er sich mit seinem Unternehmen Pro Active der Beratung von Organisationen sowie dem Training von Menschen aus den unterschiedlichsten Kontexten. Patrick Rammerstorfer unterrichtet aktuell „Organisationsentwicklung“ am IMC der FH Krems sowie „Digital Future Management“ an der FH St. Pölten, ist Co-Founder der designthinkers Austria und von „The Valley Experience“.

Bildnachweis: Rawpixel.com/shutterstock; Patrick Rammerstorfer


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