Ruf mal wieder an! Telefonate fördern persönliche Beziehungen
Ein persönliches Gespräch fördert soziale Kontakte weit besser als es E-Mail und Chat können. Dennoch bevorzugen wir im Arbeitsalltag oftmals den schriftlichen Kommunikationsweg, statt Kolleg*innen oder Kund*innen einfach anzurufen. Warum wir öfter zum Hörer greifen sollten:
Seit Wochen schon nehme ich mir vor, ein paar Menschen mal wieder anzurufen, von denen ich lange nichts gehört habe. Ein nettes Gespräch, vertraute Stimmen hören, das wäre – vor allem nach dem vielen Homeoffice und Social Distancing der letzten Wochen – wirklich schön. Doch statt anzurufen, belasse ich es meist doch bei einer Textnachricht. „Ist ja nicht so wichtig“ oder „Ich will den*die andere*n nicht stören“, denk ich mir. Dabei sind persönliche Gespräche besser für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen.
Warum Telefonieren die Bindung erhöht #
Wir Menschen sind soziale Wesen und fühlen uns dementsprechend in Gesellschaft wohler als allein. Telefon und Internet ermöglichen uns dieses Erlebnis trotz räumlicher Distanz. Und auch wenn ein Videocall oder Telefonat das Treffen in real life nicht völlig ersetzen kann, so bringt es uns einander jedenfalls näher als Mails oder Chats es können.
Die Gründe dafür liegen in Emotionen, die schriftlich schlecht abgebildet werden können. Die „Zwischentöne“ eines Gesprächs – eine ironische Bemerkung, ein liebevoller Tonfall, das Schmunzeln, das man in der Stimme hört, oder auch Verwirrung – lösen Emotionen in uns aus, und das in Echtzeit. Ad hoc können wir mitlachen, den Tonfall erwidern oder aber Missverständnisse beseitigen.
Gleichzeitig schenken wir einander bei einem Telefonat oder Videocall ein für die meisten sehr wertvolles Gut: nämlich Zeit. Im Gegensatz zur schriftlichen Kommunikation, bei der der*die Empfänger*in selbst entscheiden kann, wann er*sie die Nachricht liest und antwortet, wirkt ein Gespräch damit verbindlicher und verbindender.
Warum wir lieber schreiben als anrufen #
Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – meiden wir Telefonate häufig. Markus Buchner, Geschäftsführer von yuutel, ist seit zwei Jahrzehnten in der Telekommunikationsbranche tätig und erklärt sich dieses Verhalten folgendermaßen: „Wir alle kennen den Satz: Ruf an, wenns dringend ist. Diese Kommunikationsregel haben wir im Arbeitsalltag, aber auch privat, stark verinnerlicht. Wir wollen die Privatsphäre der anderen ja nicht verletzen.“ Das hat zur Folge, dass wir oftmals auf schriftliche Kommunikation ausweichen.
„Wir wollen die Privatsphäre der anderen nicht verletzen.“
Zum Abheben verpflichtet #
Dabei handelt es sich um ein grundlegendes Missverständnis. „Ruf an, wenns dringend ist“ bedeutet nicht, dass JEDER Anruf automatisch dringend ist. Doch diese Annahme scheint sich in unseren Köpfen manifestiert zu haben. Gleichzeitig scheinen wir zu glauben, dass auch alle anderen diese Auffassung teilen. Das führt zur skurrilen Situation, dass wir den Anruf meiden, weil wir befürchten, dass sich der*die Empfänger*in in der Annahme, es könne wichtig sein, zum Abheben verpflichtet fühlt. Da viele von uns an FOMO (fear of missing out) leiden und keinesfalls etwas Wichtiges verpassen wollen, ist diese Annahme vermutlich sogar richtig.
Das sollte uns allerdings nicht vom Anrufen abhalten, meint Buchner: „Was viele scheinbar vergessen haben, ist, dass der*die Angerufene ja nicht abheben MUSS, wenns gerade nicht passt. Dennoch tun es viele, nur um dem Gegenüber mitzuteilen, dass sie gerade nicht reden können.“
Angst vor Ablehnung #
Den Anruf zu ignorieren, abzulehnen oder die Mailbox antworten zu lassen, widerstrebt uns offenbar, resümiert Buchner: „In unserer Gesellschaft geht es sehr viel um ständige Erreichbarkeit, um Schnelligkeit und auch ums Gefallen. Damit lässt sich durchaus erklären, warum viele ihre eingehenden Anrufe nicht ablehnen wollen und umgekehrt viele Menschen den Anruf scheuen – aus Angst, abgewiesen zu werden.“
Positive Aspekte überwiegen erwartete Unannehmlichkeiten #
Mit diesem Phänomen hat sich auch eine Studie befasst. Denn tatsächlich meiden viele ein Telefonat aus Angst, es könne unangenehm werden. Was, wenn ich den*die andere*n nicht erreiche? Was wenn die Person am anderen Ende der Leitung unfreundlich ist? Was, wenn ich Dinge gefragt werde, die ich nicht beantworten kann? Diese Gedanken sind wohl kaum jemandem fremd. Die Studie zeigt aber, dass Telefonate meist nicht so unangenehm sind wie erwartet und wir uns dabei nicht unwohler fühlen als beim Verfassen einer Textnachricht. Denn die positiven Aspekte der sozialen Interaktion beim Gespräch überwiegen. Wir fühlen uns einander näher. In diesem Sinne: Statt schnell eine Textnachricht einzutippen, ruf einfach wieder mal an!
Über die Person:
Markus Buchner (49) ist Geschäftsführer und Miteigentümer der yuutel GmbH, einem österreichischen Netzbetreiber für cloud-basierte Telefonie für Unternehmen, und Spezialist für telefonischen Kundenservice. Der gebürtige Steirer ist in Salzburg aufgewachsen, lebt seit über 20 Jahren in Wien, ist verheiratet und Vater zweier Kinder.
Redaktion
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