Zum Seiteninhalt springen
Zurück zu Zusammenarbeit
Projekt gescheitert

Kommunikationsproblem: Unklare Ziele lassen Projekte scheitern

Zusammenarbeit Erstellt am: 29. Juli 2021 9 Min.

Vier von zehn Projekten scheitern aufgrund von unklaren Zielformulierungen. Das ist frustrierend für die betroffenen Mitarbeiter*innen und äußerst kostspielig für Unternehmen. Business Coach Andy Fumolo erklärt im Interview, warum das ein Kommunikationsproblem ist und wie man es lösen kann.

40 Prozent scheitern an unklaren Zielen #

40 Prozent der Projekte scheitern an unklaren Zielen: Woher stammen die Zahlen?

Andy Fumolo Business Coach 214x300

Business Coach Andy Fumolo

Andy Fumolo: Ja, rund 40 Prozent aller Projekte scheitern laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement an „unklaren Zielen“. Ich glaube nicht immer allen Studien, also habe ich meine Kund*innen und Seminar-Teilnehmer*innen befragt. Mich hat erstaunt, dass dem fast alle zugestimmt haben. Was mich aber wirklich erregt hat und meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat ist, dass fast niemand erkennt, dass es sich um ein Kommunikationsproblem handelt.

„Fast niemand erkennt, dass es sich um ein Kommunikationsproblem handelt.“

Aber auch, dass gerne die Verantwortung auf die Projektleiter geschoben wird und die Eigeninitiative nicht wahrgenommen wird. Wir haben also ein Kommunikationsproblem gepaart mit Verhaltensmustern. Die deutlichen Nebenwirkungen: Projektvorgaben werden nicht eingehalten, es kommt zu massiven Zeitüberschreitungen und Verdopplung bis Verdreifachung der Kosten. Schlimm, nicht wahr?

Absolut! Dennoch spricht man zu wenig darüber. Wie bist du auf das Thema aufmerksam geworden?

Andy Fumolo: In Wahrheit durch meine Coaching-Kund*innen und Seminarteilnehmer*innen. Als High Performance Trainer/Coach ist es meine Aufgabe, sie anders zu fördern, sie besser zu machen. Dabei spielen Persönlichkeit und Verhaltensmuster eine große Rolle. Und natürlich auch die Kommunikation, nicht nur die mit anderen, sondern auch die Kommunikation mit sich selbst, also der innere Dialog.

Ich habe bei einem Seminar gefragt: Nehmt ihr euch nach einem erfolgreichen Projekt Zeit zum „feiern“? Die Antwort hat mich entsetzt: Nein, dafür haben wir kein Budget.

Meine zweite Frage war: Nehmt ihr euch Zeit, Fehler und Probleme nach einem Projekt zu analysieren, damit sie nicht wieder passieren? Antwort: Leider nein. Denn da sind wir schon mit dem nächsten Projekt beschäftigt.

Noch viel erstaunlicher ist, dass die Zieldefinierung in jedem Projektmanagement-Handbuch oder -Tool an erster Stelle steht, sozusagen Kapitel 1 Absatz 1.

Zielformulierung: Begeisternd statt rational! #

Wie unterscheidet sich ein klares von einem unklaren Ziel?

Andy Fumolo: Das ist ganz einfach. Wir müssen uns bewusst machen, dass sich ein Ziel direkt auf das Verhalten auswirkt. Davon kann man ableiten: schlechtes Ziel, schlechtes Verhalten. Ungenaues Ziel, ungenaues Verhalten. Aber: ein exaktes Ziel bewirkt ein exaktes Verhalten.

„Ein exaktes Ziel bewirkt ein exaktes Verhalten.“

Daraus erkennst du schon, dass die meisten Ziele viel zu oberflächlich definiert sind. Wirklich negative Beispiele sind: Wir wollen Marktführer sein. Effizienz steigern. Kosten einsparen. Produktivität steigern. Bessere Kundenorientierung.Diese Ziele bewirken nichts. Sie sind rational, lösen keine Notwendigkeit und auch keine Begeisterung aus.Gibt es einen „Leitfaden“ für die Formulierung klarere Ziele?Andy Fumolo: Nach 30 Jahren in meinem Beruf traue ich mich zu sagen, dass es keine allgemeingültigen Regeln gibt. Wir verstecken uns viel zu oft hinter Prozessen und Tools und vergessen, dass am anderen Ende immer noch ein Mensch ist. Und Menschen sind nun mal sehr unterschiedlich. Das ist auch die besondere Herausforderung an das Management und an Teamleiter. Wir arbeiten mit Menschen. Diese zu verstehen, zu kennen und mit ihnen zu kommunizieren ist die wichtigste Aufgabe für einen langfristigen Erfolg und für langfristig erfolgreiche Teams.

„Wir arbeiten mit Menschen. Diese zu verstehen, ist die wichtigste Aufgabe.“

Dennoch möchte ich eines hervorheben: Ein starkes WARUM ist der größte Motivator. Warum wollen wir ein bestimmtes Ziel erreichen? Damit entsteht eine lösungsorientierte, nutzenorientierte Kommunikation und innere Haltung. Und das ist schon die halbe Miete – oder die Hälfte des Erfolges.

Kontinuierliche Kommunikation und Partizipation #

„Gehört ist noch nicht verstanden.“

Wie kommuniziert man Ziele am besten?Andy Fumolo: Am besten: kontinuierlich. Ein großer Fehler ist es, zu glauben, wenn ich mein Ziel einmal ausgesprochen habe, ist es damit getan. Einer meiner Freunde war Head of Writers für Ronald Reagan. Reagan hat zu seinen Schreibern gesagt: „Wenn ihr das Gefühlt habt, dass euch die Botschaft bei den Ohren rauskommt, haben es die Amerikaner zum ersten Mal gehört.“ Doch gehört ist noch nicht verstanden! Wir müssen davon ausgehen, dass ich heute ein Ziel 8 bis 12 Mal kommunizieren muss, bis es von anderen angenommen wird. Damit ist ganz klar: Die Kommunikation ist die wichtigste Aufgabe für oberes und mittleres Management.

„Die Kommunikation ist die wichtigste Aufgabe für oberes und mittleres Management.“

Zielvorgaben bzw. Zieldefinition: Ich behaupte, je mehr die Mitarbeiter*innen in die Erarbeitung von Zielen eingebunden sind, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sie erreichen. Stimmst du dem zu?Andy Fumolo: Da kann ich dir mehr als zustimmen. Die Realität sieht aber meistens anders aus. Ich bin der Ansicht, dass Mitarbeiter*innen die Probleme am besten kennen und damit auch am besten lösen können. Um das leben zu können, muss aber in vielen Unternehmen eine massive Änderung stattfinden. Es bedarf Vertrauen, Offenheit und Interesse. Dafür gibt es Prozesse: Mit neuen Tools kreieren Teams ihre eigenen Prozesse. Wenn ich meine eigenen Prozesse schaffe, habe ich automatisch mehr Verantwortung für die Umsetzung, womit eine Zielerreichung einfacher wird.

„Ich bin der Ansicht, dass Mitarbeiter*innen die Probleme am besten kennen und damit auch am besten lösen können.“

Stolperfallen und Umgang mit gescheiterten Projekten #

Ziele zu definieren bzw. zu haben, ist aber nur der erste Schritt zum erfolgreichen Projektabschluss. Welche Stolperfallen lauern danach?

Andy Fumolo: Der größte Stolperstein liegt sicherlich darin, Fehler nicht aufzuarbeiten. Wir alle feiern gerne, wenn die Dinge gut laufen. Aber wir vergessen zu schnell oder verdrängen, was nicht gut läuft. Da sind wir um Ausreden nicht verlegen. Also passieren dieselben Fehler immer wieder. Aus Fehlern zu lernen, an ihnen zu wachsen und stärker herauszukommen, ist eine Aufgabe für viele Teams. Meistens müssen dafür Verhaltensmuster geändert werden, nicht nur wie das Team miteinander umgeht, sondern auch bei den einzelnen Personen. Das klingt nun zwar wahnsinnig hochtrabend, ist es aber nicht. Wenn wir es schaffen, ein wenig den Stress rauszunehmen und Interesse an anderen zu zeigen, dann ist schon viel erreicht.

Scheitern ist per se nichts Schlechtes: Welche Tipps haben Sie für den Umgang mit dem Scheitern? Wann ist scheitern sogar gut?

Andy Fumolo: Fehler und Niederlagen gehören dazu, da sollte man nicht so ein Drama daraus machen. Sie sind ja nur kleine Hürden auf dem Weg zum Ziel. Kleine Fehler brauchen nicht lange analysiert zu werden. Einfach aufstehen und weitermachen. Bei schwerwiegenden Fehlern ist es wichtig, genau herauszufinden, was schiefgelaufen ist. Damit ist es aber nicht getan. Viel wichtiger ist, Wege zu finden, um Fehler frühzeitig zu erkennen und sicherzustellen, dass sie nicht wieder passieren. Siehe erste Frage: „Wir haben keine Zeit, weil wir schon im nächsten Projekt sind!“ Mit dieser Haltung wird sich nichts verbessern, nicht in den Projekten und nicht im eigenen Leben.

Ziele erfolgreich zu erreichen, ganz gleich ob im Beruf oder im privaten Leben, ist eine Frage der Kommunikation, der Möglichkeit, Dinge besser zu machen – und eine Frage der Begeisterung. Je besser ich die Frage „Warum wollen wir dieses Ziel erreichen“ beantworten kann, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Umsetzung.

Über die Person #

Andy fumolo

Andy Fumolo veränderte in seiner über 25-jährigen Tätigkeit als Business- und Führungskräfte-Coach sowie Keynote-Speaker die Kommunikationskulturen nationaler und internationaler Unternehmen nachhaltig. Komplexe Inhalte und Zusammenhänge durchschaut er rasch und bewegt Menschen dazu, neue, noch nie dagewesene Ergebnisse zu erzielen.

Bildnachweis: shutterstock/Day of Victory Studio; Andy Fumolo


Avatar Redaktion 2x

Redaktion
Mehr erfahren

Entdecke mehr zu diesem Thema

Digitalen Stress minimieren: Was Arbeitgeber dafür tun können – und sollten

Erstellt am: 17. Dezember 2020 19 Min.

Um den digitalen Stress, der durch die (falsche) Verwendung von (zu vielen) digitalen Tools verursacht wird, zu minimieren, können vor allem Arbeitgeber sehr viel tun – wobei „viel“ wäre es gar nicht, was zu weniger digitalem Stress im Unternehmen führen würde. Was die Lösung des Problems ist, erklärt Technostress-Experte Prof. Dr. René Riedl.

Diverse Leadership: Bunter ist erfolgreicher!

Erstellt am: 07. Juli 2022 2 Min.

Die Chancengleichheit ist nicht nur ein Schlüsselwort für Teams, sondern sollte auch auf der Führungsebene gelebt werden. Denn Studien zeigen: Je vielfältiger das Führungsteam, desto besser performt das ganze Unternehmen.

Mut, nachzufragen

Erstellt am: 24. August 2023 4 Min.

Die Eigenschaft nachzufragen, wenn man etwas nicht verstanden hat, wird oftmals unterschätzt. Oft ist damit die Angst verbunden mit "peinlichen Fragen" Blöße zu zeigen und von anderen als "dumm" gesehen zu werden. Im beruflichen Umfeld kann das Fehlen von Klarheit zu Missverständnissen und Fehlern führen. Daher ist es von großer Bedeutung, den Mut aufzubringen, um Klarheit zu bitten. In diesem Blogartikel werden wir über die Wichtigkeit dieses Mutes sprechen und wie er nicht nur zu besserem Verständnis, sondern auch zu verbesserten Beziehungen und beruflichem Erfolg führen kann.