Homeoffice-Kommunikation: Es geht ums Zuhören
Kommunikation im Homeoffice erfordert andere Fähigkeiten als im Büro-Setting. Warum vor allem Zuhören und Hinsehen so wichtig sind, erklärt Kommunikationsexpertin Cristina Muderlak im Interview.
Meeting-Marathon, Information overload, Zoom Fatigue – im Homeoffice kommunizieren wir hauptsächlich über digitale Kanäle miteinander und stellen fest: Das erschöpft viel schneller als Gespräche in real life. Unser Kommunikationsverhalten ist ein Grund dafür, denn das passen wir zu wenig an die virtuellen Erfordernisse an. Welche Faktoren dabei entscheidend sind und warum rezeptive kommunikative Fähigkeiten sogar dem vielgefürchteten Kontrollverlust von Führungskräften entgegenwirken können, haben wir mit Kommunikationsexpertin Cristina Muderlak besprochen:
Homeoffice-Kommunikation braucht auch nonverbale Signale #
Cristina, was sind deiner Erfahrung nach die größten Anfangs-Schwierigkeiten bei Homeoffice und virtueller Kommunikation?
Cristina Muderlak: Was die meisten Teams sehr schnell beschäftigt, ist die Frage: Wie können wir den Kontakt zurückbringen? Wie können wir weggehen vom reinen Inhalt und die fehlenden nonverbalen Signale kompensieren? Wir sind in Videocalls eingeschränkt in dem, was wir von uns zeigen. Umso wichtiger finde ich, dass wir nicht nur unser Gesicht, sondern auch unseren Oberkörper und unsere Hände zeigen und den Hintergrund nicht außer Acht lassen. Ich finde zum Beispiel schade, wenn die virtuellen Hintergründe so neutral sind. Damit nimmst du wieder etwas weg, das sprechen kann. Der Raum, in dem ich mich befinde, der Hintergrund, den die anderen am Bildschirm sehen, erzählt ja etwas über dich. Das führt auf einer sehr subtilen Ebene zu einer wertvollen Verbindung.
Das ist uns auch aufgefallen. Obwohl wir getrennt voneinander sind, haben wir uns viel näher, viel privater kennengelernt, weil wir jetzt wissen, was bei den anderen zuhause los ist.
Cristina Muderlak: Diese kleinen privaten Einblicke sind eine sehr gute Möglichkeit, um die fehlende räumliche Nähe zu kompensieren. Ich gehe sogar so weit, zu sagen, dass wir manche Seiten voneinander im Homeoffice intensiver kennenlernen können – wenn wir das wollen. Wir sitzen quasi ständig bei den anderen zuhause – wann würden wir das sonst jemals machen?
Mikro ein! Lebendigere Videocalls fördern #
Wer noch nie oder erst selten im Homeoffice gearbeitet hat, kann sich häufig nicht vorstellen, dass man dabei auch den persönlichen Kontakt aufrechthalten kann. Viele scheinen zu glauben, dass es bei Videomeetings oder Conference Calls im Homeoffice automatisch nur um die Arbeit geht.
Cristina Muderlak: Das stimmt einerseits – denn diese spontanen Gespräche zwischen Tür und Angel fallen weg. Videomeetings oder Conference Calls sind fast immer terminlich fixiert und haben ein bestimmtes Thema. Mir ist aufgefallen, dass diese Termine dann häufig sehr Vortrags-artig ablaufen: Einer spricht, die anderen sind stumm geschaltet. Das finde ich ganz schlimm, denn somit bekommt man noch weniger voneinander mit, besonders wenn auch noch die Kamera ausgeschaltet ist.
Das machen die meisten wohl so, damit kein Durcheinander entsteht.
Cristina Muderlak: Ja, dann muss man das Gespräch ordentlich moderieren. Wenn zwei durcheinanderreden, muss es einen Lead geben, der den beiden nacheinander das Wort erteilt. Zumindest ein bisschen Zeit sollte für Rückfragen oder Diskussion unbedingt eingeplant werden, in der alle ihre Mikrofone einschalten und auch kurze hörbare Zustimmung oder spontane Einwürfe äußern können. Wenn nicht gerade Kinder- oder Baustellenlärm im Raum hörbar ist, ist das sehr sinnvoll. Und wenn mal jemand dazwischenplatzt, meine Güte, das passiert im „echten Gespräch“ auch – und macht ein Meeting lebendiger. Wir merken, dass in Teams, wo es einen derart aufgelockerten Teil gibt, auch wieder mehr persönlicher Austausch stattfindet.
„Wenn jemand dazwischenplatzt macht das ein Meeting lebendiger.“
In den großen Trainings, die wir organisieren, bieten wir auch virtuelle Chill-Lounges an. Die sind eine halbe Stunde am Tag fix eingeplant. Die einzige Agenda in diesen Chill-Lounges ist, keine Agenda zu haben. Jeder, der will, kommt in diese Lounge und dann schauen wir, was passiert. Mal ergeben sich dann fachliche Gespräche, sehr oft aber private und damit wächst man mehr zusammen. Ich glaube, Unternehmen müssten das auch mehr anbieten – und wenn es lediglich 15 Minuten gemeinsames Kaffeetrinken am Tag sind.
Mehr Themenvielfalt in virtuellen Pausengesprächen #
Wie organisiert ihr diese Lounges?
Cristina Muderlak: Es gibt einen virtuellen Raum, der ist auf Zoom fix reserviert, jeder bekommt den Link und kann einsteigen, wenn er oder sie will. Wenn zu viele Teilnehmer*innen sind, so ab 10 Personen, machen wir zusätzliche Räume auf, wie im normalen Leben auch.
Mir fällt auf, in diesen virtuellen Räumen ist die Gesprächsvielfalt sehr eingeschränkt. Es gibt lediglich ein Thema und nicht, wie im echten Leben, mehrere Themen, die in kleineren Grüppchen parallel besprochen werden. Wie könnte man das virtuell abbilden?
Cristina Muderlak: Es hilft, wenn es einen Moderator gibt. Wenn dem auffällt, dass die Themen jetzt etwas auseinanderdriften, kann er die Kolleg*innen auffordern, so mutig zu sein, zu sagen, dass sie jetzt lieber über „ihr“ Thema weitersprechen würden, und in einen neuen Raum zu wechseln. In vielen Tools kann man ganz einfach Untergruppen oder Nebenräume erstellen, in die man sich zurückziehen kann. Wichtig ist, dass das besprochen wird und diejenigen dann auch ganz offen sagen, dass sie gern über etwas anderes sprechen wollen. Sich einfach auszuklinken, ist unhöflich.
Kommunikativer Mehraufwand für virtuelles und hybrides Arbeiten #
Was im echten Treffen unkommentiert geschehen würde, muss im virtuellen Treffen ausgesprochen werden. Das scheint generell das Erfolgsgeheimnis der virtuellen Kommunikation zu sein.
Cristina Muderlak: Ja, genau. Normalerweise können wir auf Blicke, auf Körperhaltung und nonverbale Signale im Gespräch sehr gut reagieren. Das ist in Videocalls nicht so einfach. Daher muss man den anderen sagen, was man gerade denkt, was man braucht, was man sich wünscht. Das ist ein Mehraufwand, der meiner Erfahrung nach beim Thema Homeoffice oder Remote Work sehr unterschätzt und auch vernachlässigt wird: Wir müssen viel mehr kommunizieren. Das lohnt sich aber, denn dadurch gibts auch ein Mehr an Nähe. Sich in die vermeintlich höfliche Passivität zu flüchten, ist der falsche Weg. Das müssen Führungskräfte verstehen und den Mehraufwand entsprechend organisieren.
„"Sich in die vermeintlich höfliche Passivität zu flüchten, ist der falsche Weg."“
Für Hybridlösungen, die in Zukunft sehr häufig in der Arbeitswelt anzutreffen sein werden, ist es wichtig, fixe Tage festzulegen, in denen sich das Team persönlich sehen kann. In den Homeoffice-Tagen müssen aber genauso fixe Treffen vereinbart werden, in denen der Austausch dann eben virtuell stattfindet.
Wie können Führungskräfte diesen Mehraufwand an Kommunikation leisten?
Cristina Muderlak: Das ist einerseits eine Technik, andererseits ein Soft Skill. Die Technik ist, diese rein kommunikativen Treffen, Pausencalls, Break-out-Sessions – wie auch immer man sie nennt – so einzuplanen, dass sie zeitlich für alle Teammitglieder gut in ihren Arbeitsrhythmus passen und auch vom Ablauf her den Vorlieben des Teams entsprechen: Die einen wollen vielleicht gern virtuell miteinander spazieren gehen, die anderen mögen die Kaffeepause, wieder andere bevorzugen vielleicht den After-Work-Drink.
„Nonverbale Signale lesen zu können, ist eine Fähigkeit, die Führungskräfte auch im regulären Alltag brauchen.“
Der Soft Skill ist, nonverbale Signale lesen zu können. Das ist eine Fähigkeit, die Führungskräfte auch im regulären Alltag brauchen, im virtuellen Setting müssen sie aber noch aufmerksamer hinsehen. Und wenn ihnen etwas auffällt, sollten sie das klar ansprechen und nachfragen – unter vier Augen natürlich. Dazu sollten Führungskräfte auch grundlegende Kommunikationsregeln kennen: Wie leite ich ein Gespräch ein, wie beende ich es? Aber der Mut, Dinge anzusprechen, ist sicher mit am wichtigsten bei der Kommunikation im Homeoffice.
Mehr Kommunikation bedeutet nicht mehr Meetings #
Denkst du, es braucht im virtuellen Raum eine andere Art der Kommunikation oder einfach nur mehr?
Cristina Muderlak: Grundsätzlich sind für gelingende Kommunikation im Homeoffice dieselben Dinge wichtig wie bei persönlicher. Jedoch braucht es davon jeweils „mehr“ – nicht im quantitativen, wohl aber im qualitativen Sinne. Wir müssen, wie schon gesagt, klarer ansprechen, wie es uns geht, und uns häufiger bewusst treffen. Die Gefahr ist aktuell, dass wir in einen regelrechten Meeting-Marathon geraten. Viele sind von früh bis spät nur mit Terminen eingedeckt und das ist brutal erschöpfend.
„Führungskräfte müssen virtuelle Meetings kürzer ansetzen, damit Pausen zwischen den Terminen möglich sind.“
Mehr Kommunikation entsteht aber definitiv nicht einfach durch mehr Meetings. Im Gegenteil: Zuviele Meetings fördern eher die Distanz. Führungskräfte müssen das etwas regulieren und zum Beispiel virtuelle Meetings kürzer ansetzen, damit Pausen zwischen den Terminen möglich sind – 50 statt 60 Minuten beispielsweise. Und man muss sehr genau überlegen, wer muss wirklich am Meeting teilnehmen und kann man sich vorzeitig ausklinken oder später dazustoßen, wenn nicht alle Inhalte für alle relevant sind? Damit kann man die Mitarbeiter*innen vor Zoom Fatigue und Burnout schützen.
Pausen scheinen bei virtuellen Meetings überhaupt ein Tabu zu sein …
Cristina Muderlak: Ja, das fällt mir auch auf. In normalen Meetings wäre es ganz normal, eine Toilettenpause oder einfach eine Verschnaufpause einzuplanen, um den Kopf freizubekommen – speziell bei langen Meetings. Im Homeoffice erlebe ich es immer wieder, dass Unternehmen 2- oder gar 4-stündige Termine ansetzen und dabei keine einzige Pause einplanen. Das geht nicht.
Das ist doch sehr paradox: Homeoffice ermöglicht uns so viel zeitliche Flexibilität, dennoch sitzen viele wie angekettet den ganzen Tag vorm Laptop, aus Angst, einen Moment lang nicht erreichbar zu sein.
Cristina Muderlak: Diese Angst ist aber unbegründet. Ich denke, du wirst keine einzige Führungskraft finden, die will, dass ihre Mitarbeiter*innen den ganzen Tag pausenlos vorm Computer sitzen. Aber das ist auch wieder ein Kommunikationsthema, das sehr genau besprochen werden muss: Was erwarten wir voneinander? Was können wir leisten, was brauchen wir? Diese kommunikative Kompetenz ist im Homeoffice noch stärker gefragt.
Fragen und Zuhören stärken das Vertrauen im Homeoffice #
Eine Vermutung meinerseits: Aufgaben zu verteilen und To-dos zu besprechen funktioniert gut, wir fragen aber zu wenig nach, ob das für den anderen machbar ist. Ich glaube, wir müssen das Fragen und Zuhören besser lernen.
Cristina Muderlak: Ja, da sprichst du etwas ganz Wichtiges an. Es gibt da einen sehr treffenden Spruch: Gesagt ist nicht gehört, gehört ist nicht verstanden, verstanden ist nicht einverstanden. Das heißt, wir müssen erst mal besser zuhören und genau hinsehen, ob das Gehörte auch mit dem Gesehenen zusammenpasst – bestätigen die nonverbalen Signale das, was gesagt wurde? Die rezeptiven kommunikativen Fähigkeiten von Führungskräften müssen diesbezüglich gut geschult werden.
Könnten Führungskräfte damit den empfundenen Kontrollverlust im Homeoffice ausgleichen? Für mich wäre das der logische Schritt, zu sagen: Wenn ich nicht weiß, was die tun, dann frag ich eben nach – in meinen fix eingeplanten Meetings.
Cristina Muderlak: Da gebe ich dir zu hundert Prozent recht. Wenn Führungskräfte Angst haben, die Kontrolle über ihr Team zu verlieren, ist ihr Hauptwerkzeug die rezeptive Kommunikationskompetenz: fragen, nachfragen, hinschauen. Das Wichtige ist, das nicht „Kontrolle“ zu nennen, denn Mitarbeitende wollen sich nicht kontrolliert fühlen. „Kontakt halten" ist das treffendere Wort, denn darum geht es.
Ein Beispiel: Ein Kunde von mir möchte am Ende jeder Woche von allen Mitarbeiter*innen einen Ergebnisbericht haben. Während der Woche erledigen alle selbstständig ihre Aufgaben und am Freitag erzählen sie dann davon. Tatsächlich haben die Mitarbeitenden dieses Chefs sein Verhalten zunächst als Kontrolle empfunden. Wir haben dann gemeinsam die Bezeichnung in „Kontakt halten“ geändert und erklärt, warum es für alle so wichtig ist, Bescheid zu wissen. Damit wissen die Mitarbeiter*innen einerseits, dass ihr Chef sich ansieht, was sie gemacht haben – keine Rückmeldung zu bekommen kann ja genauso frustrierend sein wie kontrolliert zu werden – andererseits weiß damit nicht nur der Chef, sondern jeder im Team, was die anderen so tun.
Damit man nicht glaubt, man sei der oder die Einzige, der/die im Homeoffice arbeitet …
Cristina Muderlak: Ein häufiges Missverständnis, das verheerend für die Teamstimmung ist. Wenn wir uns jetzt aber regelmäßig treffen und besprechen, woran jeder arbeitet, kann man dem einerseits vorbeugen, andererseits wird dadurch auch Unterstützungsbedarf sichtbar. Da ist vor allem die Führungskraft gefragt, gegenseitige Unterstützung anzuregen oder Aufgaben umzuverteilen. Genau diese Art von Zusammenhalt ist es doch, warum wir gerne in die Arbeit gehen, warum wir unser Team so gernhaben. Im Büro bekomme ich die Unterstützung leichter, weil die anderen sehen, wenns mir zu viel wird. Im Homeoffice muss ich das durch gutes Kontakthalten aktiv einfordern. Und das geht nur, wenn die Kommunikation funktioniert.
Über die Person
Cristina Muderlak begann ihre berufliche Laufbahn als Logopädin. Ihre Neugierde auf Kommunikation führte sie von der Führungsrolle in eigener Praxis über Aus- und Weiterbildungen im Bereich Coaching und psychologischer Organisationsberatung zur Tätigkeit als mittlerweile anerkannte Coach und Beraterin in der internationalen Wirtschaft. Seit fast 20 Jahren widmet sie sich dort der Weiterentwicklung kommunikativer Kompetenzen von Führungskräften, Teams und Organisationen. Innerhalb Ihres Fachgebiets schrieb sie diverse Veröffentlichungen zu Stimme, Gender Communication und virtueller Kommunikation.
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