Interne Weiterbildung: Was muss betriebliches E-Learning können?
Mitarbeiter*innen durch interne Weiterbildungsprogramme umzuschulen und höher zu qualifizieren, wird in Österreichs Unternehmen immer beliebter. Kein Wunder, ist es doch ein guter Weg, um dem Fachkräftemangel ein Stück weit zu vorzubeugen. E-Learning ist aufgrund von vermehrtem Homeoffice und Remote Work aktuell besonders beliebt. Wir haben mit E-Learning-Experten Daniel Kalbeck von Codeversity darüber gesprochen, in welchen Bereichen interne Weiterbildung aktuell besonders gefragt ist und wie man einen möglichst guten Lernerfolg erzielt.
Umschulen statt neu suchen: Wo interne Weiterbildung gerade sehr gefragt ist #
Mitarbeiter*innen intern umschulen statt neue zu suchen, macht in vielen Berufsgruppen absolut Sinn – Stichwort Fachkräftemangel. Welche Berufe eignen sich eurer Erfahrung nach besonders gut und wo ist der Bedarf derzeit besonders groß?
Daniel Kalbeck: „Reskilling“ und „Upskilling“ sind zentrale Faktoren, um dem grassierenden Fachkräftemangel und sich ändernden Job-Herausforderungen proaktiv zu begegnen. Es gibt zwei Felder, in denen wir derzeit besonders hohen Bedarf für Schulungen und Umschulungen beobachten können: Da ist ganz vorne der gesamte IT-Bereich zu nennen. Hier fehlt es an ausgebildeten IT-Expert*innen und -Spezialist*innen mit spezifischem Know-how. Aber es existiert auch ein gigantischer Bedarf an digitalen Generalist*innen, also Profis, die ihre IT-Kompetenzen in allen Branchen einsetzen. Der Digitalisierungsdruck auf die Unternehmen ist hoch, benötigt werden daher nicht nur Programmierer*innen, sondern auch Fachleute, die sich um Bürokommunikation, Datensicherung, Hard- und Software u.v.m. kümmern.
Daniel Kalbeck: Das zweite Feld, in dem Schulungen intensiv nachgefragt werden, ist noch umfassender, da es sich dabei um die übergeordnete Kompetenz der sogenannten „Soft Skills“ handelt. Diese werden quer durch alle Branchen und Positionen benötigt. Egal ob Leadership-Kompetenzen, Teamfähigkeit oder Themen rund um die eigene Leistungsfähigkeit und Resilienz: Diese Aspekte gewinnen in unserer performanceorientierten Gesellschaft weiterhin an Bedeutung und sind daher zentrales Thema bei (Um-)Schulungen. Auch Datenschutz, Projektmanagement und betriebliche Prozesse sind wesentliche Themen des Weiterbildungsmarktes.
Wie lange dauert eine interne Weiterbildung im Schnitt, bis ein neuer Beruf ausgeübt werden kann?
Daniel Kalbeck: Hier müssen wir grundsätzlich unterscheiden, ob die Weiterbildung einem faktischen Berufswechsel, also einer umfassenden Umorientierung, dient oder ob es um das Aneignen neuer Kompetenzen im bestehenden Berufsfeld geht. Bei Zweiterem könnte der Wunsch einfach sein, effizienter zu arbeiten oder sich für kommende Anforderungen oder erweiternde Tätigkeitsfelder besser zu wappnen. So etwas ist in deutlich kürzerer Zeit zu erreichen als ein vollständiger Qualifikationswechsel. Wenn das Thema nicht neu ist, kann man bereits in wenigen Wochen echte Ergebnisse erzielen. Wichtig für den eigentlichen Effekt ist vor allem, das Gelernte möglichst rasch in der eigenen Arbeit nutzen zu können, um das neue Wissen zu verinnerlichen. Nur so entstehen Relevanz und Nachhaltigkeit in der Weiterbildung. Ein weiterer Faktor für die Dauer von Weiterbildungen ist ein individueller: Je nach Lebenslage und Ausgangssituation können Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen unterschiedlich viel Zeit für berufsbegleitende Weiterbildung aufbringen.
Welche Lehr- und Lernkonzepte den E-Learning-Erfolg unterstützen #
Welche Lehr- & Lernkonzepte braucht es, damit Weiterbildung über digitale Kanäle im Büro, im Homeoffice und unterwegs bei allen Lerntypen funktioniert und die Abschlussquote erhöht wird? Lineare Konzepte mit abgefilmtem Frontalunterricht funktionieren Studien zufolge nicht und die Abschlüsse bei E-Learning liegen im Durchschnitt unter 10 Prozent ...
Daniel Kalbeck: Generell ist festzuhalten, dass es das Allgemeinkonzept, das für alle passt, eben nicht gibt, sondern Wahlfreiheit, Autonomie und Aktivität des Lernenden auf den Erfolg entscheidenden Einfluss haben. Wir haben in den letzten Jahren dank der Hirnforschung viel über unsere Art, Informationen zu verarbeiten und zu speichern, gelernt. In der Realität beginnen wir aber erst langsam, die Möglichkeiten der neuen Medienform „Digitales Lernen“ zu verstehen und die gewonnenen Erkenntnisse einzusetzen. Doch genau darum geht es: Wir müssen Lerninstrumente kreieren, die im digitalen Raum nachhaltiges, effektives, spannendes Lernen ermöglichen und analoges Lernen nicht nur einfach digital aufzeichnen. Dabei ist ein wesentlicher Aspekt die zur Verfügung stehenden Sprachen. Auch wenn die meisten Personen Englisch verstehen: In unserer Muttersprache lernen wir am besten. Ebenso verhält es sich mit der Individualisierung von Lerninhalten: Ein Thema und sein Aufbau müssen zum Jobprofil, der Branche und der Erwartung der Lernenden passen. Da hat sich gezeigt, dass die Mischung aus standardisierten Inhalten und unternehmensspezifischem Content die Corporate Education besonders wirkungsvoll macht.
„Frei nach Konfuzius gilt: Erzähle es mir und ich werde vergessen, zeige es mir und ich werde mich erinnern, lass es mich tun und ich werde es verstehen und mir zu eigen machen.“
Daniel Kalbeck: Auch unsere präferierten individuellen „Aufnahmekanäle” werden in der optimalen E-Learning-Umgebung berücksichtigt. Während die eine Person besser mit fertigen Texten lernt oder Videos ansieht, sind bei anderen Menschen z.B. interaktive Quizzes oder kompakte Slidedecks die beste Aufbereitungsform, um optimal lernen zu können. Erst bei entsprechender Aufbereitung, Inszenierung und Gliederung lernen wir typ- und gehirngerecht. Der Lernerfolg hängt daher massiv von der Lernerfahrung, der Qualität der Werkzeuge und ihrer Bereitstellung ab. Nur wenn alle Inhalte und Werkzeuge in einer Plattform integriert verfügbar, klar strukturiert und ansprechend gestaltet sind, haben wir den geeigneten Rahmen, um uns ganz auf das Lernen konzentrieren zu können. Hier sind User Experience, Usability und Ease of Use wichtiger denn je. Last but not least geht es beim Lernen immer um den Grad der eigenen Aktivität. Frei nach Konfuzius gilt: Erzähle es mir und ich werde vergessen, zeige es mir und ich werde mich erinnern, lass es mich tun und ich werde es verstehen und mir zu eigen machen.
„Wenn wir Medienformen frei wählen und kombinieren, erlangen ehemals passive Medien ungeahntes Aktivierungspotenzial.“
Daniel Kalbeck: Selbst lineare Inhalte wie Texte und Videobeiträge lassen sich aktiv gestalten und damit besser aufnehmen. Können wir Geschwindigkeit, Abfolge und Detailgrad wählen, Inhalte durchsuchen, Kommentare hinzufügen und teilen, Wissen direkt überprüfen, Medienformen frei wählen und kombinieren, erlangen ehemals passive Medien ungeahntes Aktivierungspotenzial. Wenn wir dann auch noch die Chance erhalten, in Gruppen zu lernen und im direkten Austausch mit Lehrenden und Peers zu sein, sind wesentliche Kriterien für einen hohen Beteiligungsgrad, optimalen Wissenstransfer und höchste Abschlussquoten erfüllt.
Weiterbildungsboom? Junge Umschulungskultur in Österreich #
Laut unserem karriere.at Arbeitsmarkt-Report rangiert „Aus- und Weiterbildung“ auf Platz 2 der meistgebotenen Benefits in Österreichs Unternehmen. Gleichzeitig liegt „ein anderer/interessanterer Tätigkeitsbereich“ auf Platz 4 der häufigsten Jobwechsel-Gründe. Wie offen sind Arbeitgeber*innen für interne Umstiege eurer Erfahrung nach tatsächlich?
Daniel Kalbeck: Ich denke, dass sich hier in den letzten Jahren viel getan hat, die Bereitschaft der Arbeitgeber*innen für interne Jobrochaden und Weiterbildungen ist mittlerweile größer, als man vielleicht annehmen würde. Der Grund dafür ist einfach: Es braucht bei Mitarbeiter*innen oft Jahre, um spezifisches Domänen-Know-how und Unternehmenswissen aufzubauen.
„Hire for attitude, train for skills.“
Daniel Kalbeck: Der sogenannte „Cultural fit“ ist maßgeblich für die Leistung und Zufriedenheit von Mitarbeitenden verantwortlich und eng mit der Persönlichkeit der/des Einzelnen verknüpft. Nicht umsonst gibt es den Satz „Hire for attitude, train for skills“. Daher ist es weitaus zielführender, effizienter und kostengünstiger, eine/n bestehende/n MitarbeiterIn für neue Kompetenzen fit zu machen, anstatt mittels teurer Recruiting-Prozesse laufend zu versuchen, Kompetenzen zuzukaufen und auf die langjährige Erfahrung, die sich im Unternehmen aufgebaut hat, zu verzichten.
Dennoch muss man sagen, dass wir – im internationalen Vergleich – diesbezüglich noch eine sehr junge Umschulungs- und Weiterbildungskultur in Österreich haben
Über Daniel Kalbeck #
Daniel Kalbeck ist Gründer und CEO von codeversity, einem Anbieter neu entwickelter E-Learning-Umgebungen und Weiterbildungslösungen für Corporate-Education-Plattformen. Im Fokus stehen die didaktische Aufbereitung und Funktionsvielfalt, um eine optimale Nutzbarkeit als Lern- und Knowledge-Management-Plattform zu gewährleisten.
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