„Veränderung ist wie ein Naturgesetz“: Arbeitsphilosoph Frank Eilers zur Zukunft der Arbeit
Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Wenn viele Branchen große Umbrüche erleben, wird diese Frage brandaktuell. Keynote-Speaker & Podcaster Frank Eilers spricht mit uns über Veränderungen im Arbeitsleben, sein Verständnis von „Futurismus“ und warum letztlich alles eine Frage der Haltung ist.
„Arbeitsphilosophen“, so heißt der Podcast von Frank Eilers – und der Name ist Programm. Mal alleine, mal mit hochkarätigen Gästen philosophiert er über die Zukunft der Arbeit, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Work-Life-Balance. Im Rahmen unserer karriere.session in Linz sprachen wir mit Frank über seine Erfahrungen als „Arbeitsphilosoph“ und „Futurist“.
Unternehmen müssen sich in Zukunft mehr anpassen #
Frank, du sprichst in deinem Podcast viel mit Menschen über veränderte Wünsche und Karriereziele – sofern es überhaupt noch „Karriereziele“ gibt. Was sind deine Erfahrungen mit neuen Anforderungen ans Arbeiten?
Wenn wir von der Arbeit der Zukunft reden, dann ist logisch, dass wir anders arbeiten werden. Es kann sein, dass wir andere Technologien benutzen, andere Strukturen haben, es kann aber auch sein, dass wir anders miteinander umgehen. Das sehen wir heute schon: Unternehmen verändern sich, da gibts dann die „digitale Transformation“, auf die man „die Mitarbeiter mitnehmen“ will – diese Schlagwörter hört man immer wieder. Da reicht es schon, wenn ein Unternehmen damit anfängt. Dann ziehen andere mit, weil es eine gewisse Pflicht zur Anpassung gibt. Gerald Hüther, ein sehr anerkannter Biologe, hat einmal gesagt: „Wir verändern uns dann, wenn es bedeutsam genug für uns ist. Wenn wir nicht müssen, tun wir das nicht.“ Wenn sich aber andere verändern, wenn die Arbeit sich dort anders gestalten lässt, wenn dort mehr junge Leute hinwollen, wenn es dort cooler ist, dann muss ich mich anpassen. Das ist wie ein Naturgesetz, dass sich die Arbeit verändert. Das war auch immer schon so – es ist jetzt nur etwas dynamischer.
Warum geschieht die Veränderung jetzt schneller als früher?
Wenn man sich fragt, warum sich Unternehmen verändern, dann kommen wir ganz schnell zur Digitalisierung. Durch den digitalen Wandel, die digitale Transformation – ich könnte jetzt noch fünf Buzzwörter nennen – verändern sich Technologien, ändern sich Geschäftsmodelle – aber sie ändern sich jetzt exponenziell und das war früher ein bisschen anders. Durch diese neuen Technologien, das Internet zum Beispiel, kommen neue Dinge hervor und zu Beginn findet man das vielleicht ganz nett – aber plötzlich knallt es und über Nacht entsteht etwas, das riesige Auswirkungen hat. Und dieses Exponenzielle, das erkennen jetzt immer mehr Branchen, wo aus kleinen Start-ups plötzlich Riesenunternehmen entstanden sind: AirBnB, Netflix, Uber … Das Interessante ist eigentlich, dass wir uns dadurch ein Umfeld geschaffen haben, das sehr schnelllebig ist und auch sehr komplex. Und in einer komplexen Welt funktioniert Dienst nach Vorschrift immer weniger. Das anzuerkennen ist der erste Schritt, um in der Zukunft der Arbeit auch fit, gesund und erfolgreich zu bleiben – als Unternehmer, Führungskraft und Mitarbeiter … Wenn wir anerkennen, warum eine komplexe Welt anders funktioniert als eine nicht so komplexe Welt, verstehen wir auch, warum wir anders arbeiten müssen.
Die Zukunft der Arbeit ist unvorhersehbar #
In welche Richtung werden wir uns im Arbeitsleben verändern müssen, beispielsweise in Bezug auf Arbeitszeiten und Umgebungen?
Es gibt da zwei Strömungen. Die eine sagt: „Das wird alles ganz schön kompliziert, wir brauchen Regeln!“ Diese Strömung reagiert auf immer mehr Komplexität mit immer mehr Gesetz. Dann gibt es die andere Strömung, die sagt: „Mehr Regeln führen nicht zu weniger Komplexität, sondern es braucht weniger Gesetze, weniger Regeln, mehr Freiraum für die Mitarbeiter.“ Das sehen wir in manchen Organisationen, die anfangen, agiler zu arbeiten, sich trauen, ihre Hierarchien abzuschaffen, und anfangen, wie ein Schwarm zu arbeiten. Der Daimler-Konzern will beispielsweise bis 2020 20 Prozent seiner Mitarbeiter zu einer Schwarmorganisation umbilden. Diese beiden Strömungen prallen jetzt aufeinander und da gibt es sicherlich kein Richtig oder Falsch, sondern das muss man ausprobieren – eben weil wir nicht wissen, wie es in Zukunft weitergehen wird. Ich glaube, dass die Welt von Daimler klug ist, ich denke aber auch, dass so manches Gesetz, das wir haben, sinnvoll ist.
„Wir befinden uns gerade in einer Phase, in der wir nicht wissen, wie es in drei, vier Jahren aussehen wird. Darum ist es schwierig zu sagen, inwiefern wir uns verändern müssen.“
Da muss man gerade sehr viel ausprobieren, auch wenn es bedeutet, zwei Schritte vor und einen Schritt zurückgehen. Das überfordert aber viele Menschen, weil man weniger Orientierung hat. In einer linearen Welt entwickelt sich alles vorhersehbar weiter. Aber diese exponenzielle Beschleunigung, die in manchen Bereichen auftaucht, die ist eben nicht vorhersehbar. Das ist wie beim Autofahren. Wenn ich 30 km/h fahre, kann ich den Bremsweg noch abschätzen. Wenn ich 130 km/h fahre, kann ich es nicht mehr, das wird zu abstrakt. Und genau das passiert uns gerade in der Arbeitswelt.
Du scheinst Unvorhersehbares zu mögen, denn du behauptest selbst über dich, gern Futurist zu sein. Was meinst du damit und warum ist das so?
Was ich mit Futurist meine, ist jemand, der lieber in die Zukunft schaut als in die Vergangenheit. Ich finde, die Zukunft ist spannend, sie ist formbar, wir können sie gestalten. Die Zukunft ist jedenfalls anders als heute und das finde ich viel interessanter, als zu schauen: Was war denn letztes Jahr oder vor drei Jahren? Das gehört zwar dazu, um Entwicklungen zu verstehen, aber ich hab das Gefühl, dass auch Journalisten und Medien sich zu häufig auf die Vergangenheit stürzen: Was ist passiert? Was ist nicht gut gelaufen? Was ist gescheitert? Damit gerät man schnell in eine sehr rückwärtsgewandte, negative Haltung und kommt nur schwer wieder in den Vorwärtsgang. Der Futurist hingegen versucht meiner Meinung nach, aus dem Hier und Jetzt Dinge abzuleiten, die für die Zukunft wichtig sind.
Die Fähigkeiten der Zukunft erfordern Haltung #
Welche Fähigkeiten werden deiner Meinung nach in Zukunft nötig sein, um sie entsprechend gestalten zu können?
Ich glaube, das Allerwichtigste ist erst mal eine Art Standortbestimmung: Wo stehe ich gerade, was ist der Status Quo? Und da sind wir ganz schnell beim Thema Haltung: Was ist meine Haltung zu bestimmten Themen? Wie möchte ich heute arbeiten? Wie möchte ich morgen arbeiten? Wie möchte ich morgen vielleicht leben? Wie lebe ich heute? Es ist meiner Meinung nach essenziell, sich solche elementaren Fragen zu stellen, eine Haltung zu entwickeln und sich dieser auch bewusst zu sein.
„Ich glaube, dass wir in einer schnelllebigen Welt leichter den Kontakt zu uns selbst verlieren.“
Das darf man ruhig esoterisch auffassen, ich glaube aber, das geht weit darüber hinaus. Wenn wir den Kontakt zu uns verlieren und nur noch im Hamsterrad strampeln, dann wird es äußerst schwierig, zu erkennen, was man eigentlich will, was man kann und was man nicht will. Deshalb ist diese Standortbestimmung so wichtig, um zu spüren: Wer bin ich, was kann ich und wo will ich hin? Und wenn wir das haben, dann haben wir ein gutes Fundament und halten alle diese Stürme, die um uns toben, auch besser aus. Und dann können wir uns um das Thema Kreativität kümmern. Je mehr Haltung ich zu einem Thema habe, desto kreativer kann ich sein. Und Kreativität ist, glaube ich, das, was wir in Zukunft brauchen. Wenn es eine Million Möglichkeiten gibt, die Arbeit, Geschäftsmodelle oder das Leben zu gestalten, dann kommen wir nicht darauf, wenn wir alles so machen wie immer.
„Mit Dienst nach Vorschrift kann keine Kreativität entstehen.“
Wir kommen auf innovative Lösungen, weil wir Dinge miteinander verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben oder zu tun haben dürfen, weil es interne oder externe Richtlinien verbieten. Da müssen wir mitunter auch Regeln brechen oder bekannte Pfade verlassen und das wird ein ganz wesentlicher Faktor. Das Problem ist, dass wir in der Schule meist verlernt haben, kreativ zu sein. Wir mussten das tun, was der Lehrer uns gesagt hat. Und diese Kreativität wieder zurückzuerlangen, das wird eine anstrengende Aufgabe, aber auch schön.
Wer bin ich und was kann ich? #
Du sagst, man muss sich erst dessen bewusst sein, was man kann und was man möchte, um sich dann kreativ in einem Feld zu betätigen. Wie bist du selbst zu deiner aktuellen Beschäftigung gekommen?
Eine gute Frage. Ich habe den Podcast 2014 gestartet und war kurz vorher schon im Bereich Stand-up-Comedy tätig. Irgendwann haben die Menschen mitbekommen, dass es diesen Podcast rund um Arbeitsthemen gibt und ich aber auch auf der Bühne stehe. Viele haben mich dann gefragt: Kannst du nicht auch bei uns auf der Bühne stehen und über deine Themen aus dem Podcast sprechen? Und das hab ich dann gemacht – zu Anfang allerdings noch ganz ernst. In der Fragerunde am Schluss wars dann immer witzig und die Leute haben gefragt: Wieso warst du nicht schon vorher unterhaltsam? Und ich hab mir schließlich gedacht, na gut, ich kann ja so sein, wie ich bin, und trotzdem über ernsthafte Themen sprechen.
„Ich kann lustig sein und trotzdem über ernsthafte Themen sprechen.“
Und dann war ich plötzlich Comedian und Keynote-Speaker und weil es sich sowohl zeitlich als auch kognitiv nicht mehr ausging, musste ich mich für eines davon entscheiden. Ich habe den Keynote-Speaker gewählt. Der Humor ist zwar immer noch in meinen Vorträgen enthalten, es geht aber vorrangig um die Inhalte, nicht darum, dass sie lustig sind. Das unterscheidet sie von Comedy-Programmen.
Mehr geben und eine menschenwürdigere Arbeitswelt kreieren #
Aus welcher Haltung heraus hast du den Podcast gestartet? Was ist dein Ziel damit?
Ich hatte damals kein Ziel. Ich hab einfach gemerkt, ein Teil meiner Freunde hat Burnout, der andere hat Boreout. Das fand ich komisch und hab mir gedacht, warum gibts da keine Mitte? Daraufhin hab ich, als Hobby eigentlich, immer wieder Leute interviewt, die gesagt haben, wir müssen anders arbeiten. Das fand ich interessant. Ich glaube, die Haltung war, anderen Leuten zu zeigen: Ihr arbeitet komisch, das geht auch anders. Aber, wie gesagt, das war ein Hobby.
Wie ist deine Haltung jetzt?
Ich hab bei meinen Vorträgen, gemerkt, dass ich zu wenig Zeit dafür habe, Themen detailliert anzusprechen. Oft nur 30 Minuten. Im Podcast spreche ich 50 Minuten über ein Thema. Das hab ich bei meinen Vorträgen auch immer wieder erwähnt und am nächsten Tag haben sich die Leute den entsprechenden Beitrag angehört und mir geschrieben, sich bedankt. Und da hab ich mir gedacht, es wäre doch cool, wenn ich einen Vortrag zum Thema Künstliche Intelligenz oder Arbeit der Zukunft halte und in der Hinterhand hab ich noch sieben Stunden Information für diejenigen, die es genauer wissen wollen. Deshalb mach ich nach wie vor den Podcast, damit die Leute sich im Nachhinein mehr über ein Thema anhören können. Meine Haltung ist also:
„Ich möchte den Leuten mehr geben. Und ich möchte, dass wir eine andere, menschenwürdigere Arbeitswelt kreieren.“
Ich möchte, dass Menschen ihre Potenziale, ihre Fähigkeiten voll ausleben können und sich dadurch die Gesellschaft verändert. Weg von Umsätzen, hin zu Teilhabe und Miteinander. Ich habe den Wunsch, dass ich irgendwann in einer Gesellschaft leben kann, in der man denkt: Wow, das ist ja echt cool, was wir gemeinsam erschaffen haben! Das wird natürlich nie die Endstufe sein, sondern ein andauernder Prozess, aber dieses Gefühl, miteinander gut leben zu können und Dinge zu entwickeln, auf die man stolz sein kann, das wäre mein Traum.
Über Frank Eilers #
Frank Eilers, geboren und aufgewachsen in Ostfriesland, widmete sich bereits während seines BWL-Studiums den Themen Technologie und Innovation. Seit 2014 verfolgt er dieses Interesse in seinem Podcast „Arbeitsphilosophen“ weiter und beschäftigt sich auch als Keynote-Speaker mit der Zukunft der Arbeit. Für seine Tätigkeit erhielt er 2017 den Coaching Award als „Übersetzer von Zukunftsthemen“ in Vorträgen und Podcasts.
Bildnachweis: shutterstock/otawa; Daniel Mühlebach; shutterstock/Preechar Bowonkitwanchai; Jan Konitzki
Redaktion
Mehr erfahren