Fachkräftemangel in Österreich: Welche Maßnahmen helfen wirklich?
In regelmäßigen Abständen lesen oder hören wir vom Fachkräftemangel. Für Arbeitgeber stellt er seit Jahren eine der größten Herausforderungen im Recruiting dar und in manchen Branchen wird sich die Situation noch mehr verschärfen. Hier liest du Tipps, mit denen Unternehmen gegenwirken können.
Ist vom österreichischen Arbeitsmarkt die Rede, kommt man um den Begriff „Fachkräftemangel“ oft nicht herum. Einer karriere.at Studie zufolge haben 89 Prozent der österreichischen Unternehmen Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung. Bei 87 Prozent der befragten Arbeitgeber vergehen zwischen einem und sechs Monaten, bis eine offene Stelle besetzt ist.
Was ist Fachkräftemangel? #
Fachkräftemangel beschreibt die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt. Es gibt nicht ausreichend qualifizierte Fachkräfte, um die offenen Stellen zu besetzen. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Sechs Gründe für Fachkräftemangel #
- Qualifikation: Die Bildungsabschlüsse oder beruflichen Qualifikationen der Arbeitskräfte entsprechen nicht den Anforderungen des Arbeitgebers. Das umfasst sowohl Unter- als auch Überqualifizierung.
- Beruf: Manche Berufe oder Branchen sind sehr spezialisiert und werden trotz ihrer Notwendigkeit von immer weniger Menschen erlernt, zum Beispiel jener der Tischler*in.
- Geografie: Arbeitgeber in Gebieten, die abgelegen sind und eine schwache Infrastruktur haben, sind für Jobsuchende weniger attraktiv.
- Präferenz: Jeder Mensch hat individuelle Erwartungen an seinen Job, zum Beispiel in puncto Gehalt, Flexibilität und Arbeitszeit. Betreuungspflichten verringern bei vielen Arbeitnehmer*innen die Flexibilität.
- Information: Stelleninserate ohne Aussagekraft und mit niedriger Informationsdichte machen es Bewerbenden schwer, die Attraktivität eines Jobs einzuschätzen.
- Demographie: Die Babyboomer gehen in Pension, aber die Geburtenrate sinkt stetig. Das bedeutet, dass immer weniger junge Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt eintreten.
Fachkräftemangel =/= Fachkräftemangel
Viele Unternehmen und auch ganze Branche haben aus ganz banalen Gründen Probleme mit der Personalbeschaffung: die Arbeitsbedingungen und das Gehalt sind unattraktiv. Beispiele dafür sind die Gastronomie und das Gesundheitswesen.
Woran erkenne ich Fachkräftemangel? #
Ob tatsächlich ein Fachkräftemangel besteht, lässt sich anhand unterschiedlicher Faktoren einschätzen.
- Niedrige Arbeitslosigkeit: Ist die Arbeitslosigkeitsrate für einen bestimmten Beruf niedrig, deutet das auf eine hohe Nachfrage vonseiten der Arbeitgeber hin.
- Hohe Wochenarbeitszeit und Überstunden: Wenn Mitarbeitende über einen langen Zeitraum viele Überstunden leisten (müssen.
- Lohnentwicklung: Bei Stellen, die schwierig zu besetzen sind, sind manche Arbeitgeber bereit, höhere Gehälter anzubieten. Dieser Punkt trifft jedoch nicht auf jede Branche bzw. jeden Job zu.
- Abwerbeprämien: Zusätzlich zu den klassischen Recruiting-Wegen motivieren Unternehmen ihre Mitarbeitenden mittels Prämien dazu, neue Kolleg*innen anzuwerben. Treueprämien sind eine Strategie, um bestehende Mitarbeitende noch stärker ans Unternehmen zu binden.
Welche Branchen sind betroffen? #
Wie bereits erwähnt, wäre es falsch, jeder Branche in Österreich einen Fachkräftemangel zu attestieren. Manche sind stärker davon betroffen als andere, einige bekommen davon gar nichts mit. Das ibw, kurz für Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft, veröffentlicht jährlich einen Forschungsbericht zum Arbeits- und Fachkräftebedarf in Österreich.
Im Jahr 2023 haben 42 Prozent der befragten Betriebe, die von einem Arbeits- und Fachkräftemangel betroffen waren, angegeben, vor allem bei der Personalbeschaffung in Handwerksberufen Probleme zu haben. Darauf folgen Techniker*innen in anderen Bereichen als IT und IKT (25 Prozent), Hilfskräfte (23 Prozent), Büro und Verwaltung (20 Prozent) und Gastgewerbe/Fremdenverkehr (19 Prozent).
Unterschied zwischen Arbeits- und Fachkräftemangel
Vom Arbeitskräftemangel ist die Rede, wenn am Arbeitsmarkt generell zu wenig Arbeitskräfte verfügbar sind. Der Begriff „Fachkräftemangel“ bezieht sich auf die Qualifikationen der gesuchten Mitarbeiter*innen. Offene Stellen lassen sich nicht besetzen, weil man kein Personal mit den notwendigen Fähigkeiten findet.
Die Migrationsplattform der österreichischen Bundesregierung führt zudem eine aktuelle Liste an Mangelberufen. Die Top 10 setzen sich wie folgt zusammen (Stand 2024):
- Diplomingenieur*innen für Starkstromtechnik
- Techniker*innen mit höherer Ausbildung (Ing.) für Starkstromtechnik
- Techniker*innen für Starkstromtechnik
- Landmaschinenbauer*innen
- Techniker*innen mit höherer Ausbildung (Ing.) für Maschinenbau
- Techniker*innen mit höherer Ausbildung (Ing.) für Datenverarbeitung
- Dachdecker*innen
- Diplomingenieur*innen für Schwachstrom- und Nachrichtentechnik
- Fräser*innen
- Kalkulant*innen
Die gesamte Auflistung aller 100 Mangelberufe kannst du hier einsehen: Zur bundesweiten Mangelberufliste
Auswirkungen des Fachkräftemangels #
Unbesetzte Stellen kommen einem Unternehmen teuer zu stehen – nicht nur in finanzieller Hinsicht. Je länger eine Fachkraft fehlt, desto mehr müssen wichtige Projekte oder Aufgaben verschoben oder gänzlich aufgegeben werden.
Für bestehende Mitarbeitende ist es zudem eine Zumutung, über einen längeren Zeitraum die doppelte Leistungsfähigkeit zu verlangen. Eine zu hohe Arbeitsbelastung kann für manche ein Wechselgrund sein, was wiederrum den Druck aufs Unternehmen erhöht.
Das ibw hat in seinem Forschungsbericht 2023 die drei häufigsten, negativen Auswirkungen von Fachkräftemangel erhoben:
- 82 Prozent gaben an, dass es bei Firmenchef*innen und deren Familienangehörigen aufgrund des Arbeits- und Fachkräftemangels zu Zusatzbelastungen gekommen ist.
- Jeweils 80 Prozent berichten von einer Steigerung der Auslastung der bestehenden Mitarbeitenden sowie einer Erhöhung der Gehälter und Zusatzleistungen für neue Mitarbeitende.
- 76 Prozent verzeichnen eine Steigerung beim Aufwand bzw. bei den Ausgaben für die Personalsuche.
Maßnahmen gegen Fachkräftemangel #
Gegen den Fachkräftemangel gibt es kein universelles Geheimrezept. Vielmehr sollten Arbeitgeber Strategien erarbeiten, die die individuellen Gründe hinter ihren Schwierigkeiten aufgreifen.
Strategische Personalarbeit #
Neue Stellen sollten nicht kurzfristig und überstürzt ausgeschrieben werden. Stattdessen sollte sich die Personalabteilung oder die Führungskraft des Teams ausreichend Gedanken darüber machen, wie viele personelle Ressourcen sie über einen bestimmten Zeitraum benötigen. Der Personalbedarf sollte langfristig prognostiziert und geplant werden. Schon dadurch lassen sich personelle Engpässe einfacher vermeiden.
Employer Branding #
Eine starke Arbeitgebermarke erhöht die Attraktivität eines Unternehmens, indem sie die individuellen Vorzüge hervorhebt. Bewerbende können durch einen konsistenten Auftritt zudem besser einschätzen, ob der Cultural Fit gegeben ist oder nicht. Das erhöht nicht nur die Effizienz des gesamten Recruiting-Prozesses, sondern führt gleichzeitig auch dazu, dass sich passendere Kandidat*innen bewerben.
Kommunikation #
Der ideale Bewerbungsprozess darf für Jobsuchende nicht länger als 21 Tage dauern. Das setzt eine rasche, wertschätzende Kommunikation voraus. Informiere Bewerber*innen verlässlich darüber, wo sie im Bewerbungsprozess aktuell stehen, um Erwartungen zu managen. Die Kommunikation mit Kandidat*innen beginnt übrigens schon vor der ersten Kontaktaufnahme – nämlich beim Stelleninserat.
Zielgruppenfokussiertes Recruiting #
Welche Menschen möchtest du für dein Unternehmen gewinnen? Welche Fähigkeiten, Qualifikationen und Eigenschaften sollen sie mitbringen? Die ideale Kandidat*in nimmt am einfachsten Form an, indem du eine Persona erstellst. Durch die eingehende Beschäftigung mit deiner Zielgruppe entwickelst du ein besseres Verständnis für sie und kannst bei der Kommunikation zielgerichteter arbeiten.
Digital Recruiting #
Bewerben muss so einfach wie Online-Shopping sein – dieses Credo wiederholt karriere.at immer und immer wieder. Warum? Weil es stimmt! Jobsuchende wünschen sich einen einfachen Recruiting-Prozess ohne kompliziertes und langwieriges Ausfüllen von Textfeldern. Bei karriere.at können Jobsuchende einen Online-Lebenslauf anlegen, mit dem sie sich bei Bedarf mit nur einem Klick auf interessante Jobs bewerben können. Sowohl für Recruiter*innen als auch Bewerber*innen sparen durch diese Möglichkeit Zeit.
Active Sourcing #
Wenn es nicht genügend Bewerbungen auf ein Stelleninserat gibt, kannst du mittels Kandidat*innenansprache auch selbst aktiv werden. Bei karriere.at ist Active Recruiting über die talent.cloud möglich. Mit ihr hast du Zugriff auf tausende Lebensläufe von qualifizierten Fachkräften und findest mittels einfacher Filtermöglichkeiten dein Wunschtalent.
Diversität fördern #
Der Arbeitsmarkt bietet ein breites Spektrum an qualifizierten Fachkräften. Leider tragen manche Unternehmen in diesem Punkt immer noch Scheuklappen. Dabei gäbe es so viele motivierte Menschen, die unabhängig vom Geschlecht, Alter, potenziellen Beeinträchtigungen oder Migrationshintergrund den nötigen frischen Wind mitbringen. Wie du einen diversen Pool an Kandidat*innen ansprichst, liest du in diesem Artikel. Auch Quereinsteiger*innen könnten Fähigkeiten mich sich bringen, die möglicherweise nicht auf den ersten Blick für die offene Stelle ersichtlich sind.
In die Tiefe: E-Book zum Fachkräftemangel #
Für eine intensivere Auseinandersetzung hat karriere.at das E-Book zum Fachkräftemangel herausgebracht. Darin werden näher auf die im Artikel gestreiften Aspekte eingegangen und Einblicke gewährt, wie karriere.at mit dem Fachkräftemangel umgeht.
E-Book Fachkräftemangel
- Betroffene Branchen & Berufe
- Negative Auswirkungen
- Maßnahmen gegen Fachkräftemangel
Fazit #
Es gibt in Österreich keinen allgemeinen Mangel an Fachkräften. Viel eher tritt dieser punktuell in bestimmten Branchen und Berufen auf. Die Gründe dafür reichen von persönlichen Präferenzen bis hin zur Qualifikation der Talente. Unter akutem Fachkräftemangel leiden nicht nur Firmenchef*innen, sondern vor allem auch bestehende Mitarbeitende, die fehlende personelle Ressourcen durch vermehrten Einsatz ausgleichen müssen.
Wie Arbeitgeber mit dem Problem des Fachkräftemangels umgehen, ist individuell. Jedes Unternehmen ist gefragt, selbstständig passende Strategien zu entwickeln und sich dadurch am Arbeitsmarkt einen Vorteil beim Recruiting zu verschaffen.
Bianca Schedlberger
Content Managerin
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