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Auslandssemester in Finnland: Ein Erfahrungsbericht

Weiterbildung Erstellt am: 22. Januar 2020 10 Min.

Wie ist das eigentlich, so ein Auslandssemester? Da es mich selbst während meines Studiums nicht in fremde Städte verschlagen hat, war ich neugierig – und habe mich mit Timna darüber unterhalten, einer auslandserprobten Masterstudentin.

Timna studiert, ist nebenbei berufstätig und kann bereits auf einige erfolgreiche Auslandsaufenthalte zurückblicken: England, Finnland und Russland hat sie im Rahmen von längeren Aufhalten schon bereist. Im folgenden Interview erfahrt ihr unter anderem mehr über ihre Vorbereitungsarbeit, ihre Highlights und inwiefern sie von ihrem Auslandssemester persönlich profitiert hat.

Auslandssemster Erfahrungsbericht: Eine ehemalige Outgoing im Interview #

Zum Einstieg eine allgemeine Frage: Wer bist du, was machst du?

Timna: Ich bin Timna und habe im Bachelor Kulturwissenschaften und Sozialwirtschaft an der Johannes Kepler Universität Linz studiert und abgeschlossen. Jetzt studiere ich im Master Politische Bildung und bin seit über zwei Jahren parallel berufstätig, aktuell bei der Business Upper Austria als Projektassistentin im Kunststoff-Cluster.

Du hast bereits einiges an Auslandserfahrung sammeln können. Erzähl mal, wo hat es dich bis dato überall hin verschlagen?

Timna: Meine ersten Auslandserfahrungen habe ich während der Schulzeit in England gemacht, wo ich sieben Monate gelebt habe. 2015 habe ich dann im Rahmen meines Studiums an der JKU das vierte Semester in Finnland verbracht. Dieses dauerte fünf Monate, von Jänner bis Mai, und war klassisch im Erasmusprogramm integriert. Und 2017 habe ich in Russland drei Wochen lang ein Sommerkolleg besucht, das über den Österreichischen Austauschdienst organisiert wurde.

Für England habe ich mich damals mit 15 entschieden, da fand ich es einfach spannend, ins Ausland zu gehen. Zuerst habe ich den Wunsch auf die Zeit nach der Schule verschoben. Nach einer Sprachwoche war mir aber klar: Da muss ich hin!

Finnland war eine willkürlichere Wahl. Im ersten Semester habe ich an der Uni in Sozialpolitik über die Wohlfahrtsstaaten gelernt, das hat mich neugierig auf Skandinavien gemacht. Auf der Liste der potenziellen Austauschländer war Finnland dann ganz oben zu finden. Ich dachte mir: Wieso nicht? Die Entscheidung dafür fiel dann sehr spontan, aber es war eine durchwegs positive. Ich wäre vermutlich nie nach Finnland gekommen, wenn es nicht im Rahmen des Studiums passiert wäre. Es ist ein sehr spannendes Land, weil viel in die Bildung und das Betreuungssystem investiert wird.

Die Infrastruktur an der Uni war außerdem dermaßen gut, dass ich oft überlegt habe, zurückzugehen. Die Studentenbetreuung durch die Dozenten war auch viel persönlicher, ganz anders als bei uns. Der Umgang war sehr informell und mit weniger Hierarchien, wir waren alle per Du, auch mit den Professoren. Das Leben an der Uni ist außerdem dermaßen attraktiv, dass man gerne lange am Campus bleibt. Ein Pluspunkt ist auch die Mensa, die zum einen lange Öffnungszeiten hat und andererseits ein super leckeres Menü um 2,60 Euro bereitstellt. Ich habe in meiner Unterkunft de facto so gut wie nie gekocht, weil ich ständig in der Mensa gegessen habe.

Der Anmeldeprozess ist sehr bürokratisch #

Das klingt ja schon mal ziemlich gut! Aber beginnen wir am Anfang: Wie lief bei dir damals der Anmeldeprozess fürs Auslandssemester ab?

Timna: Es war okay. Anfangs war das Ganze sehr undurchsichtig, weil es ein komplexer Vorgang ist. Die größte Herausforderung: Theoretisch sollte man bereits vor der Abreise entscheiden, welche Kurse man belegen möchte. Das Problem: Nur die wenigsten Partnerunis haben zu diesem Zeitpunkt schon ihr Angebot für das nächste Semester online. Man sucht sich also selbstständig aus den Curricula irgendwelche Kurse heraus, was aber nicht heißt, dass sie im Semester tatsächlich angeboten werden. Die Kurse, die ich mir letzten Endes habe anrechnen lassen, waren andere als die, die ich zu Beginn angegeben habe. Dieser bürokratische Aufwand bei der Anmeldung war das Mühsamste am gesamten Auslandsaufenthalt. Aber auch hinterher musste ich mich ein bisschen ärgern, als es um die Anrechnung ging. Das war ein langatmiges Hin und Her.

Die zweite Schwierigkeit: Auch wenn da steht, dass der Kurs mit deinem Studiengang kompatibel ist, bedeutet das nicht, dass das auch wirklich so ist. Ich konnte mir 6 ECTS für ein Wahlfach anrechnen lassen, der Rest waren freie Lehrveranstaltungen. Da ich zwei Bachelorstudiengänge absolviert habe, war das alles zwar spannend, hat mir aber für mein Studium nicht so viel gebracht.

„Ich würde niemandem raten, ins Ausland zu gehen, wenn er möglichst schnell mit dem Studium fertig sein möchte.“

Bewerbungsgespräche gabs auch, die wurden nach Zielländern organisiert. Die Beauftragten waren wirklich sehr bemüht, allen Studenten einen Aufenthalt in ihrem Wunschland zu ermöglichen. Zum Teil ist das aber vom Andrang, dem Studienerfolg und dem Studienfortschritt abhängig, ob das dann möglich ist oder man einem ganz anderen Land zugeteilt wird.

Ein Auslandssemester ist ja mit einem gewissen finanziellen Aufwand verbunden. Hast du da Unterstützung erhalten in Form von Stipendien?

Timna: Erasmus vergibt Zuschüsse, das läuft gestaffelt ab. Und vom Land Oberösterreich gibts ein Stipendium, wenn du den Hauptwohnsitz länger als ein Jahr in Oberösterreich hast. Und da ich eh mein ganzes Leben lang hier gewohnt habe, war es kein Problem, das zusätzlich zu beantragen.

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Man sagt, Vorbereitung sei das halbe Leben. Wie sah das bei dir aus? Hast du vor deiner Abreise einen Sprachkurs absolviert?

Timna: Ich habe direkt in Finnland einen Finnisch-Kurs gemacht. Das war aber auch mehr aus Neugierde und Interesse, damit ich zumindest die Basics beherrsche. Die Finnen sprechen sehr gut Englisch, mit denen kann man sich also problemlos verständigen. Meine Vorlesungen wurden auch in englischer Sprache abgehalten. Die Sprachbarriere hat mich bei der Kurswahl dennoch teilweise eingeschränkt.

Abgesehen davon hab ich mich nicht großartig vorbereitet. Für mich war das jetzt auch nicht so aufregend wie für jemanden, der zum ersten Mal ins Ausland geht, weil ich ja bereits so lange in England war. An der Uni gabs im Sinne der Vorbereitung einen Cultural Sensitivity-Vortrag, der ist zu meiner Zeit aber nicht für alle Austauschstudenten verpflichtend gewesen.

Und wo hast du während deiner Zeit in Finnland gewohnt?

Timna: Ich war in einem Studentenheim untergebracht, das nur von Austauschstudenten bewohnt wurde. Koordiniert hat das eine Organisation vor Ort. Man meldet sich an und die übernehmen die gesamte Abwicklung. Das war sehr unkompliziert. Von anderen Austauschstudenten weiß ich, dass es ziemlich aufwändig sein kann, wenn man selbstständig eine private Unterkunft organisieren muss.

Anschluss zu anderen Studenten findet man schnell #

Wie war die erste Woche in deinem neuen Zuhause? Hast du gleich Anschluss zu anderen Austauschstudenten gefunden?

Timna: In der ersten Woche gab es die sogenannte Orientation Week, da wurde alles Grundlegende geklärt und die Uni vorgestellt. Jedem Austauschstudenten wurde ein Buddy zur Seite gestellt, mit meinem hatte ich aber kaum Kontakt. Er hat mir am Tag meiner Ankunft den Schlüssel in die Hand gedrückt und mir gesagt, mit welchem Bus ich zu meiner Unterkunft komme. Ich habe den Namen meiner Haltestelle leider akustisch nicht verstanden und wusste daher nicht, wo ich aussteigen musste – da wars 11 Uhr abends. Glücklicherweise waren noch andere junge Leute im Bus, die auch ganz offensichtlich Austauschstudenten waren, mit denen hab ich mich dann zusammengetan. Gemeinsam haben wir es dann auch zum Studentenheim geschafft.

Nach der Ankunft musste ich dann mit einem Studienkollegen von der JKU nochmal raus, weil das Studentenheim keine Bettwäsche zur Verfügung stellte. Gott sei Dank haben die Läden in Finnland lange Öffnungszeiten, das heißt, wir konnten noch einkaufen gehen und das besorgen, was uns fehlte.

„Ich war sehr bemüht, eigenständig Kontakte herzustellen, und das auch außerhalb dieser Austausch-Bubble.“

Was das Kennenlernen mit anderen Austauschstudenten angeht: Man findet sich recht schnell zusammen. Ich hatte einen Pool an coolen Leuten, mit denen ich öfter was unternommen habe. Es kommt bei einem Auslandssemester immer wieder zu dem Phänomen, dass die Austauschstudenten eine eigene Gruppe bilden und dann ihren Aufenthalt quasi isoliert von den heimischen Studenten verbringen, das sieht man ja an der JKU auch immer wieder. Den Kontakt zu den finnischen Studenten habe ich dann ganz bewusst forciert, um aus dieser Erasmus-Bubble rauszukommen.
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Das Heimkommen war schwieriger als das Auslandssemester
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Wie siehts mit Kulturschock aus? Hattest du anfangs Schwierigkeiten bei der Eingewöhnung?

Timna: Ich muss ganz ehrlich sagen: Den größten Kulturschock bescheren mir im Ausland immer noch die eigenen Landsleute. England und Finnland sind zwar anders als Österreich, aber so richtige Kulturschocks gab es für mich eigentlich nicht. Das wäre bei einem südamerikanischen Land oder im asiatischen Raum wahrscheinlich anders gewesen. Die Finnen sind ganz entspannte und ruhige Menschen. Manche würden vielleicht sagen distanziert, aber auf eine angenehme Art und Weise.

Auch die russische Kultur war mir nicht ganz so fremd, weil ich davor bereits Kontakt zu Russen hatte. Was mir aber zum Beispiel in Moskau schon aufgefallen ist: Der öffentliche Raum wird dort viel stärker und schärfer überwacht. Da gehören bewaffnete Securitys, die dich durchchecken, zur Tagesordnung, insbesondere bei gut besuchten Veranstaltungen wie zum Beispiel zu Silvester, wo es große Menschenansammlungen gibt. Aber auch in Museen oder bei den U-Bahn-Stationen. Am Anfang ist das sehr befremdlich, aber man gewöhnt sich schnell daran. Davon abgesehen sind die Russen unglaublich herzliche Menschen.

Womit hattest du während deiner Zeit in Finnland am meisten zu kämpfen?

Timna: In Finnland selbst mit nichts, aber mit dem Heimkommen. Ich habe mich dort so wohl und befreit gefühlt, dass ich besorgt war, zuhause wieder in alte Muster zu verfallen. Das war dann aber glücklicherweise nicht der Fall. Als ich sieben Monate in England war, war ich erst 15 Jahre alt, das ist dann eine ganz andere Ausgangslage. Da ist man auch mitten im Abnabelungsprozess von Zuhause. Das hat mich aber auch für Finnland abgehärtet, und dort sind die fünf Monate wahnsinnig schnell vergangen.

Wie stark warst du mit Vorlesungen und Lernen in den Unialltag eingebunden? Hattest du genügend Zeit, um zu reisen?

Timna: Da das Semester ziemlich kurz war, habe ich viel Zeit an der Uni verbracht. Das Potenzial wäre aber dagewesen, mehr zu reisen und mehr zu machen. Offiziell dauert das Semester nämlich bis Ende Mai, wir waren aber Ende April schon fertig. Im April hat Erasmus eine Russlandreise organisiert, da war ich dann dabei. Ich war auch noch in Stockholm und habe die nähere Umgebung von Tampere erkundet, wo ich studiert habe.

Ein kleines Reise-Highlight war für mich, dass meine Eltern mich mit dem Auto in Finnland abgeholt haben und wir über Osteuropa zurück nach Hause gefahren sind. Wir sind also von Tampere nach Helsinki über Riga, Warschau und Krakau und dann heim. Das Spannende: An dem Reiseweg konnte man direkt ablesen, wie sehr sich die nördliche und südliche Kultur voneinander unterscheiden.

Was hat dir an deinem Auslandsaufenthalt am besten gefallen? Was weniger?

Timna: Die Rückreise war wie gesagt ein Highlight. Am Auslandsaufenthalt an sich war das Coolste, sich so befreit zu fühlen und von den Alltagsverpflichtungen wegzukommen. Meine einzige Aufgabe war eben das Studieren, was nicht so schwer war. Deswegen hatte ich auch sehr viel Zeit für mich selbst, was ich irrsinnig genossen habe. Ich habe auch viele Menschen aus unterschiedlichen Kulturen kennenlernen dürfen, dadurch habe ich, was Zwischenmenschliches angeht, einiges dazugelernt.

„Ein Auslandssemester dient in erster Linie der persönlichen Entwicklung.“

Wenn dein oberstes Ziel ist, die Uni so schnell und so gut wie möglich abzuschließen, ist ein Auslandssemester nicht die beste Wahl, weil es da primär um persönliche Themen geht. Das ist auch sehr wichtig. Für mich haben sich dabei weichenstellende Momente entfaltet, die meinen weiteren Interessensweg geprägt haben.

Finnland war durch und durch eine positive Erfahrung. Wenn ich jetzt etwas anders machen könnte, dann würde ich für ein ganzes Jahr gehen anstatt nur für ein Semester, weil ich eigentlich die Zeit und die Möglichkeit gehabt hätte. Zu dem Zeitpunkt war ich an der JKU nämlich nicht so stark eingebunden, es wäre sich also ausgegangen.

Ein Auslandssemester ist eine Erfahrung fürs Leben. Inwiefern profitierst du heute noch davon?

Timna: Es sind definitiv Freundschaften entstanden. Wir stehen zwar nicht in sehr engem Kontakt. Aber einige ehemalige Studienkollegen wohnen mittlerweile in Berlin. Bei einem Urlaub dort habe ich diese spontan getroffen und das war wirklich super, weil immer Anknüpfungspunkte vorhanden sind. Und es war vor allem eine befreiende Zeit für mich, die mich auch sehr unabhängig gemacht hat. Ich war das erste Mal außer Haus, habe alleine gelebt und das ist eine tolle Erfahrung. Man hat die Möglichkeit, persönlich stark zu wachsen, weil man nicht im altbekannten System gefangen ist.

Zum Abschluss: Welche Tipps würdest du Studenten geben, die es auch ins Ausland zieht?

Timna: Lasst euch nicht von der Bürokratie runterkriegen, es zahlt sich definitiv aus! Es kann sehr zermürbend und frustrierend sein, aber es ist die Erfahrung wert. Und bleibt nicht in der eigenen Bubble, geht mit einem Open Mind an die Sache ran. Ich würde auch empfehlen, so aktiv wie möglich auf die Leute – und vor allem Einheimische – zuzugehen. Das ist nicht immer einfach, aber man lernt die Kultur durch diese Annäherung einfach ganz anders und viel näher kennen.

Hat dich das Reisefieber gepackt? #

Dann wirf doch einen Blick auf unseren letzten Artikel zum Thema Auslandssemester. Dort findest du alle wichtigen Infos rund um die Organisierung. Viel Erfolg!

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Bildnachweis: Timna R. (privat)

B schedlberger

Bianca Schedlberger
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