Erzähl mir was: Creative Storytelling im Marketing verstehen
Creative Storytelling und Brandstories sind in aller Munde, denn auch im Marketing und Employer Branding ziehen Geschichten immer noch am besten. Im Interview mit Andreas Spielvogel und Thomas Tatzl der DDB erfährst du wesentliche Facts zu diesem Thema.
Seit es Menschen gibt, werden Geschichten erzählt. Was zunächst mündlich über Generationen hinweg transportiert wurde, hat man schließlich in Symbole gegossen und mit Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks wurde 1440 die Möglichkeit geschaffen, Bücher günstig und in großer Masse zu produzieren.
Heute konsumieren wir Geschichten primär in digitaler Form, wie beispielsweise Filme oder Serien. Auch im Marketing spielt das Spinnen von Geschichten heutzutage eine wesentliche Rolle. Unternehmen haben schon früh verstanden, dass Marken, die eine Geschichte – eine sogenannte Brandstory – erzählen, erfolgreicher sind als jene, die das nicht tun. Andreas Spielvogel und Thomas Tatzl – Geschäftsführer der DDB Wien – sind Experten auf diesem Gebiet. Im Interview erläutern sie, warum Brandstories heutzutage so wichtig sind.
Was ist eine Brandstory eigentlich? #
Eine Brandstory ist mehr als der Text einer „Über uns“-Seite. Sie ist mehr als eine große Kampagne und mehr als ein Slogan. Sie ist die DNA eines Unternehmens und das, was Kunden, Mitarbeiter oder Bewerber davon erzählen oder denken.
Brandstories vermitteln, wie ein Unternehmen Menschen dabei helfen kann, Herausforderungen zu überwinden. Menschen kaufen die Produkte großer Marken wie Apple oder Nike, weil sie von ihren Stories eingenommen sind und ein Teil davon sein möchten. Menschen arbeiten bei bestimmten Unternehmen, weil sie Teil einer Vision und Mission sein möchten.
Im Gespräch mit Thomas Tatzl & Andreas Spielvogel #
Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen, bedeutet, Überzeugungsarbeit zu leisten. Eine gute Geschichte ist hier essentiell, heißt es. Warum ist man mit einer guten Brandstory klar im Vorteil?
Spielvogel: Jede erfolgreiche Marke muss sich bei ihrer Eigendefinition die Fragen nach dem „Was?“, dem „Wie?“ und dem „Warum?“ beantworten. Brandstories beantworten in erster Linie das „Warum“ einer Marke. Sie bieten ein klares Fundament, das zur Orientierung der Markenkommunikation im (oft ge- oder übersättigten) Markt beiträgt. Sie steckt sozusagen den Weg der Marke nachhaltig ab.
Geschichten zu entwickeln und festzuhalten ist eine Kunst und definitiv auch ein Handwerk. Dennoch: An welche Regeln können sich Unternehmen halten, wenn sie eine Brandstory konzipieren?
Tatzl: Ich empfehle: Sei g’scheit, fordernd, offen, mutig und konsequent! Wer erfolgreich sein möchte, muss eine Agentur beauftragen, die sich ausreichend mit der Entwicklung von Brandstories beschäftigt hat und viel Erfahrung in dem Bereich mitbringt. Stories können nämlich nur dann ihr Potenzial entfalten, wenn StrategInnen und Kreative dahinter die Essenz der Geschichte auch wirklich verstehen.
Brandstories müssen auch immer wieder auf ihren Zeitgeist hin überprüft werden. Es braucht also auch die Bereitschaft, Adaptionen zu tätigen, um zeitgemäß zu kommunizieren und relevante Kreativität zu ermöglichen. Brandstories brauchen außerdem genügend Raum für Fantasie und müssen in sämtlichen Kommunikationsformaten durchgängig und nachhaltig belebt werden.
Gute Geschichten müssen gelebt werden #
Was braucht eine Geschichte grundsätzlich, um zu funktionieren? Woraus speist sich eine gelungene Brandstory?
Spielvogel: Ich bin davon überzeugt, dass eine Brandstory nur dann erfolgreich ist, wenn sie konsequent gelebt wird. Das bedeutet, dass sämtliche Kommunikation immer wieder auf die Brandstory abgestimmt werden muss.
Tatzl: Noch besser ist es, vor jeder neuen Kampagne oder Maßnahme einen Blick auf und in die Brandstory zu werfen, damit der Weg klar bleibt.
Was sind die gängigsten Fehler, die Unternehmen beim Konzipieren einer Brandstory machen?
Tatzl: Viele Unternehmen begehen den Fehler, die Brandstory für den Konzern oder den Marketingvorstand zu machen, anstatt für die Marke.
Spielvogel: Es kommt auch immer wieder vor, dass Brandstories konzipiert, aber dann in einer Jahrespräsentationsmappe abgelegt werden und in irgendeiner Schreibtischlade verschwinden.
Eine Geschichte soll nicht nur über ein bestimmtes Thema oder Produkt informieren, sondern gleichzeitig Emotionen auslösen. Wie schaffe ich das in Zeiten von Multichanneling und Reizüberflutung?
Spielvogel: Hier sehe ich eigentlich keine Ausschließungsgründe, denn Emotionen sind definitiv multichanneling-fähig. Eine gute Brandstory kann in kürzere und längere emotionalen Geschichten verpackt werden – und das unabhängig vom Medium.
Warum Werbung nicht Krieg, sondern Lust ist #
Wenn Unternehmen die Werbetrommel für sich selbst rühren, wollen sie sich natürlich im bestmöglichen Licht präsentieren. Aber handeln die prägendsten Geschichten nicht eigentlich von Herausforderungen und Kämpfen?
Tatzl: Ich vermeide gerne das Wort „Kampf“ in der Werbung, genauso wie „Feind“ oder „Deadline“ – Werbung ist kein Krieg, Werbung ist Lust. Man gewinnt gewöhnlich auch nicht das Herz einer Frau, indem man den Konkurrenten aus dem Weg räumt. Vielleicht hilft ein Vergleich: Auf die Frage, warum die Briten in Indien so unbeliebt seien, soll Ghandi zu den britischen Besetzern gesagt haben: „Welche ist die liebteste Blume?“ Antwort der Generäle: „Die Rose!“ „Und warum?“, wollte Ghandi wissen. „Weil sie duftet!“ Darauf folgte der Vorschlag des weisen Mannes: „Also, meine Herren, duften Sie!“
Von TV und Tiktok bis hin zu Twitter: Wie schafft man es, eine Brandstory auf unterschiedlichsten Medienkanälen überzeugend rüberzubringen?
Spielvogel: Durch die berühmten 3 Ks: Konzentration, Konsequenz, Kreativität.
Abschließend: Was ist in euren Augen ein aktuelles Best Practice Beispiel, wenn es um Storytelling geht?
Spielvogel: Ich denke, die Marke Gösser liefert hier ein hervorragendes Beispiel. Als wir noch bei der GGK arbeiteten, kreierten Thomas und ich 2013 gemeinsam mit Mario Scheckenberg und Peter Heiligenbrunner (beide auf Kundenseite) die Brandstory der „Generationen“. Hintergrund war, dass wir die Notwendigkeit sahen, Gösser für die nächste Generation der Biergenießer vorzubereiten. Ein schwieriges Spannungsfeld, zumal wir mit der BrauUnion immer ein besonderes Maß an „Responsible Drinking“ und damit auch „Responsible Advertising“ im Fokus hatten. Dazu kam, dass das Sprichwort „I don't drink my father´s beer“ für die Marke Gösser spürbar geworden war.
Tatzl: Mit unserer Brandstory der trennenden, aber auch verbindenden Momente von Generationen haben wir damals eine Basis geschaffen, auch wenn wir mittlerweile seit sieben Jahren bei DDB arbeiten. Dadurch verfügt die Marke Gösser bis heute über einen inhaltlichen Kompass, der konsequent in den unterschiedlichen Kanälen sichtbar und erlebbar ist – und dabei erfolgreich funktioniert.
Zu den Personen #
Andreas Spielvogel und Thomas Tatzl sind Geschäftsführer von DDB Wien und verantworten die kreative Kommunikation von Marken wie McDonald’s Österreich, Manner, Zipfer, Schärdinger, Greenpeace, Caritas Wien u.v.m. – seit über 20 Jahren arbeiten sie beinahe ununterbrochen als kreatives Duo in großen heimischen Agenturen. Beide fungierten bereits als Jurymitglied in der internationalen Cannes Lions Jury, wo sie auch mehrfach ausgezeichnet wurden.
Bianca Schedlberger
Content Managerin
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