Zusammenarbeit
ZusammenarbeitAktualisiert am:
29. April 20252025042916 Min.16 Min.
In Österreich gewinnen flexible Arbeitszeitmodelle zunehmend an Bedeutung. Working 9 to 5 ist in vielen Berufen schlicht nicht mehr nötig, das erkennen auch Arbeitgeber. Um dem starren Konstrukt zu entkommen, gibt es viele Möglichkeiten.
In diesem Artikel bekommst du einen Überblick über flexible Arbeitszeitmodelle, die bereits erfolgreich umgesetzt werden.
Wenn das Gespräch auf die 4-Tage Woche fällt, frage immer genau nach, welches Modell genau gemeint ist.
Wenn man in der Praxis von der 4-Tage-Woche spricht, können diese unterschiedlich verstanden werden.
Teilzeitbeschäftigung: Die 4-Tage-Woche bei reduzierter Arbeitszeit und reduziertem Gehalt.
Vier längere Arbeitstage: Die 4-Tage-Woche bei Vollzeitbeschäftigung mit einer Tagesarbeitszeit von etwa 10 Stunden.
Arbeitsreduktion: Die 4-Tage-Woche bei reduzierter Stundenzahl und gleichem Gehalt.
Der Faktor Arbeitszeit wird für in Österreich lebende Arbeitnehmer*innen zunehmend relevant. Im Mai 2023 wurde in Auftrag von karriere.at eine repräsentative Studie durchgeführt. Für 83 Prozent ist ein ausreichendes Maß an Freizeit wichtig. Jede*r Dritte würde für eine Verkürzung der Arbeitszeit auch Abstriche beim Gehalt annehmen. Weitere Erkenntnisse aus dieser Studie zum Thema Arbeitszeit gibt es im folgenden Factsheet kostenlos zum Download.
„70 Prozent der Arbeitnehmer*innen in Österreich erwarten sich von ihrem Arbeitgeber eine flexible, selbstständige Zeiteinteilung sowie flexible Arbeitszeiten wie zum Beispiel in Form von Gleitzeit.“
Gleitzeit einführen, auf Kernzeiten verzichten ... Wie Unternehmen dem Wunsch der Arbeitnehmer*innen entsprechen, ist höchst unterschiedlich. Denn zur Umsetzung von flexiblen Arbeitszeiten im Arbeitsalltag gibt es die verschiedensten Modelle. Wir haben uns sechs davon angesehen:
Die Werbeagentur eMagnetix aus Oberösterreich hat 2018 die 30-Stunden-Woche bei vollem Gehalt eingeführt. Durch Effizienzsteigerung und Digitalisierung konnten Arbeitsprozesse optimiert werden. Das Ergebnis: höhere Arbeitsqualität, bessere Bewerbungen und geringere Fluktuation. Geschäftsführer Klaus Hochreiter erzählt uns, wie das Modell umgesetzt werden konnte: „Bis zur Ankündigung vergingen über zwei Jahre, in denen wir sehr ausführlich geplant und getestet haben. Dazu haben wir von Beginn an die Mitarbeiter*innen ins Boot geholt. Jeder hat sich überlegt, wo er in seinem Bereich Zeit sparen und wie er effizienter arbeiten kann. Zudem haben wir genau recherchiert, welche Tools dabei helfen können.“ Die endgültige Entscheidung pro 30-Stunden-Woche wurde schließlich gemeinsam getroffen.
Weniger Stunden verlangen mehr Effizienz.
Im Vorfeld wurden verschiedenste Berechnungen durchgeführt, erklärt Hochreiter: „Wir haben geschaut, wo wir eventuelle Umsatzverluste kompensieren können, und stark an Zeitmanagement und Effizienz gearbeitet. Ziel war, dass bei 8,5 Stunden weniger nicht die eigentliche Arbeitsleistung geschmälert wird, sondern die unnötigen administrativen Zeitfresser wegfallen.“ Dazu wurden Arbeitsschritte wie das Reporting digitalisiert und neue Regeln eingeführt. Das private Handy beispielsweise ist als Zeitfresser Nummer eins während der Arbeitszeit tabu und muss in die Schublade.
„Nicht die Arbeitsleistung wird geschmälert, sondern die unnötigen Zeitfresser fallen weg.“
30 Stunden verbessern die Arbeitsqualität.
Nicht nur die Mitarbeiter*innen, auch die Kunden waren zu Beginn skeptisch, ob bei weniger Arbeitszeit die Qualität der Arbeitsleistung gehalten werden kann. Diesbezüglich wurden alle mittlerweile eines Besseren belehrt, erzählt der Agenturchef: „Der große Vorteil ist, dass wir durch die 30-Stunden-Woche auch viel bessere Bewerbungen bekommen als früher, und dadurch ist die Qualität unserer Arbeit sehr gestiegen. Gleichzeitig hat sich die Fluktuation verringert und dadurch können wir die hohe Qualität sicherstellen.“
Bike Citizens aus Graz hat bereits 2014 die 4-Tage-Woche eingeführt. Die Arbeitszeit wurde von 38,5 auf 36 Stunden pro Woche reduziert, das Gehalt entsprechend angepasst. Dafür dauert eine Arbeitswoche nur mehr vier Tage.
In Großbritannien haben 61 Firmen mit ca. 2.600 Mitarbeiter*innen 6 Monate lang die 4-Tage-Woche getestet. Die meisten Unternehmen wollen das Modell beibehalten. Denn die Beschäftigten sind gesünder und produktiver.
Ein Beispiel für erfolgreiche Arbeitszeitverkürzung ist Island. 2015 startete die Insel ein Experiment und führte für 2500 Beschäftigte aus mehr als 100 Unternehmen die 4-Tage-Woche bei 35 oder 36 Stunden ein. Die Erfolge sprachen für sich: Die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn führte dazu, dass die Arbeitnehmer*innen glücklicher, gesünder und produktiver waren. Aus diesem Grund entschied sich die isländische Regierung, die 4-Tage-Woche für 86 Prozent der Isländer*innen einzuführen.
Eine Alternative zur dauerhaften 4-Tage-Woche ist die saisonale
Reduktion der Arbeitszeit – damit wird flexibel auf Mitarbeiter*wünsche
oder auch geringere Auslastung reagiert. Zwei Unternehmen haben uns von
ihren Erfahrungen damit erzählt:
Der Sommerbonus bei BeKa-Software
So reduziert BeKa-Software
in den Sommermonaten auf vier Tage Arbeitszeit. Geschäftsführer Klaus
Hagenauer erklärt, was die Beweggründe für diese Entscheidung waren: „Wir sind der
Meinung, dass man eine attraktive Balance zwischen Arbeit und Freizeit
bieten muss.“ Dazu, so Hagenauer, müsse man den Mitarbeiter*innen so viele
Freiheiten wie möglich geben. „Unsere einzige Restriktion ist, dass
unsere Projekte in time und in budget erledigt werden. Wie die
Mitarbeiter*innen das machen, ist ihnen selbst überlassen.“
So funktioniert der Sommerbonus
„Die Mitarbeiter*innen arbeiten in vier Tagen 36 Stunden, das Unternehmen
schenkt ihnen die restlichen 2,5 und somit können alle am Freitag
zuhause bleiben. Wir machen das aus Wertschätzung den Mitarbeiter*innen
gegenüber und haben mit diesem Modell exzellente Erfahrungen gemacht.“
„Mit der Arbeitszeitreduktion im Sommer können wir auch zum Umweltschutz beitragen.“
Vor- und Nachteile der geringeren Arbeitszeit
Nicht alle Mitarbeiter*innen können mit der neu gewonnenen Freiheit umgehen, weist Hagenauer auf die Nachteile hin, relativiert aber im selben Atemzug: „Es gab lediglich zwei Fälle, in denen die Freiheit überstrapaziert wurde. Hier hat das Team aber sofort interveniert. Ein anderer Nachteil ist, dass wir bei stundenbasierten Abrechnungen natürlich Geld verlieren. Aber die Mitarbeiter*innenzufriedenheit ist uns das wert.“ Insgesamt hätten auch Kunden und Bewerber*innen diese Umstellung sehr positiv aufgenommen, erzählt Hagenauer weiter und weist auf einen positiven Nebeneffekt hin, an den man nicht sofort denken würde: „Ich bin ein sehr umweltbewusst denkender Mensch und mit dieser Maßnahme können wir einiges zum Umweltschutz beitragen. Die Mitarbeiter*innen müssen einen Tag weniger in der Woche zur Arbeit fahren und wir sparen Energie, wenn die Firma einen Tag mehr geschlossen ist.“
Sunny Fridays bei Storyclash
Auch ein zweites Unternehmen hat uns von seinen Erfahrungen mit der sommerlichen 4-Tage-Woche erzählt. „Sunny Fridays“ heißt das Modell bei Storyclash – wie es funktioniert, hat uns CEO Andreas Gutzelnig im Interview erklärt.
Modell 4: Die geteilte Firma – Freizeit oder Geld? #
Ein spannendes Arbeitskonzept verfolgen die App-Entwickler
bluesource. Hier wird die Firma einfach in zwei Hälften geteilt, damit
alle Mitarbeiter*innen jeden zweiten Freitag frei haben können. Mit über vierzig verschiedenen
Arbeitszeitmodellen wird hier ganz flexibel auf die jeweils aktuellen
Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen eingegangen. Wer mehr arbeiten möchte, darf
das – bei entsprechender Bezahlung durch Überstundenpauschalen natürlich
– auch tun. „Von acht bis 42,5 Stunden pro Woche ist bei uns alles
möglich“, sagt COO Roland Sprengseis.
So viele freie Tage konsumieren, wie du möchtest – klingt zu gut, um wahr zu sein? In manchen Unternehmen ist das bereits Realität.
Der Erfolg des unbegrenzten Urlaubs steht und fällt mit den Mitarbeiter*innen. In einem motivierten Team, in dem gegenseitige Unterstützung selbstverständlich ist, werden Urlaube so geplant, dass das tägliche Treiben nicht ins Stocken gerät und niemand in Aufgaben ertrinkt. Solange Teams intensiv miteinander kommunizieren, kann dieses Modell gelingen. In Österreich beweisen das Bitpanda, Objectbay und 1000things Austria.
Dass es für unbegrenzten Urlaub bedingungsloses Vertrauen und einen starken Teamgeist braucht, haben uns 1000things Austria und Objectbay hier im Interview erklärt:
Urlaub nehmen, so viel man will – das gibts in Österreich erst bei wenigen Arbeitgebern. Wir konnten zwei davon ausfindig machen und durften nachfragen, welche Erfahrungen sie bisher mit dem Modell gemacht haben. 1000things und Objectbay erzählen uns, warum sie sich dazu entschlossen haben, unbegrenzten Urlaub anzubieten, und warum sich mehr Unternehmen trauen sollten, es zu probieren.
Eine spezielle Form der Teilzeitarbeit ist da sogenannte Jobsharing. Hierbei teilen sich zwei Personen ein Kontingent von 40 oder 60 Stunden.
Wer wann und wer wie lange arbeitet, das schnapsen sich die betroffenen
Mitarbeiter*innen untereinander bzw. in Abstimmung mit dem Unternehmen
aus. Dieses Modell trifft man häufig in Pflegeberufen, vor allem
Ärzt*innen teilen sich häufig eine Stelle.
Du willst mehr übers Job Sharing erfahren? Jana Tepe und Anna Kaiser unterstützen mit ihrem Unternehmen Tandemploy Menschen und Unternehmen bei der Umsetzung von Jobsharing und haben mit uns über das Thema gesprochen:
Ein Fahrrad, zwei Fahrer*innen - das kann auch im Job funktionieren. Ein Tandemjob kann effizienter sein, mehr Inspiration und Motivation für alle Beteiligten bieten. Wir haben bei den Gründerinnen der deutschen Online-Jobsharing-Plattform Tandemploy nachgefragt, was es für eine Jobsharing-Stelle braucht und wo die zahlreichen Vorteile für Mitarbeiter*innen und Unternehmen liegen.
Zeitausgleich. Der Podcast zur Arbeitswelt in Österreich #
Unternehmen stehen vor der Herausforderung, mit dem Wandel Schritt zu halten und innovative Arbeits(zeit)modelle zu entwickeln, die den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter*innen gerecht werden. Im Rahmen der Podcastfolge werden die Situation am Arbeitsmarkt, Trends als auch Erfahrungsbeispiele aus der Praxis mit ihren Vor- und Nachteilen diskutiert.
In der neuen Folge von Zeitausgleich steht die Diskussion um flexible Arbeitszeitmodelle und deren Auswirkungen im Fokus. Traditionelle Ansichten über Zeit als Gegenleistung für Geld werden zunehmend hinterfragt. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, mit dem Wandel Schritt zu halten und innovative Arbeits(zeit)modelle zu entwickeln, die den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter*innen gerecht werden. Hier werden die Situation am Arbeitsmarkt, Trends als auch Erfahrungsbeispiele aus der Praxis mit ihren Vor- und Nachteilen diskutiert.
Häufig gestellte Fragen zu flexiblen Arbeitszeitmodellen #
Welche Vorteile bieten flexible Arbeitszeitmodelle? Sie ermöglichen eine bessere Work-Life-Balance, erhöhen die Mitarbeiterzufriedenheit und können die Produktivität steigern.
Gibt es Nachteile bei flexiblen Arbeitszeiten? Ohne klare Regeln kann es zu Überarbeitung oder Koordinationsproblemen kommen. Eine gute Kommunikation ist entscheidend.
Wie finde ich heraus, ob mein Arbeitgeber flexible Modelle anbietet? Informieren Sie sich in internen Richtlinien oder sprechen Sie direkt mit der Personalabteilung.
Sind flexible Arbeitszeitmodelle in allen Branchen umsetzbar? Nicht in allen, aber viele Branchen können zumindest teilweise flexible Modelle integrieren.
Wie kann ich meinem Arbeitgeber flexible Arbeitszeiten vorschlagen? Bereiten Sie sich gut vor, präsentieren Sie die Vorteile und schlagen Sie konkrete Modelle vor, die zur Unternehmenskultur passen.
Fazit: Flexibilität als Schlüssel zur Zufriedenheit #
Flexible Arbeitszeitmodelle bieten zahlreiche Vorteile für Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber. Sie ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, steigern die Zufriedenheit und können die Produktivität erhöhen. Unternehmen, die solche Modelle anbieten, positionieren sich als attraktive Arbeitgeber in einem zunehmend wettbewerbsorientierten Arbeitsmarkt.
Es ist nun einmal so: Wir verbringen die meiste wache Zeit in der Arbeit. Naheliegend daher der Wunsch vieler, sich im Büro wohlzufühlen. Private Gegenstände wie Fotos & Co. sollen dabei helfen. Wie viel Privates aber haben die Österreicher tatsächlich am Schreibtisch? Eine überraschende Antwort auf diese Frage liefert eine aktuelle karriere.at Online-Umfrage. Ob Foto vom Liebsten oder Glücksbringer aus Plüsch: Der Grat zwischen "in Ordnung" und "zu viel" ist schmal. Welche Wirkung zu viel Privates haben kann und wie die rechtliche Lage aussieht, verraten zwei Experten im Interview.
Wie sieht das „neue Normal“ im Arbeitsleben aus? Darüber haben wir ein Jahr nach unserem ersten Podcast-Gespräch neuerlich mit Frank Eilers gesprochen. Die vier wichtigsten Thesen findet ihr im Blog – mit Link zur Episode!