Konflikte als Chance: Ein Blick auf die Konfliktkultur in österreichischen Organisationen
Wie gern streiten wir? Ab wann spricht man von einem Konflikt? Wie Konflikte, Stress und Gesundheit zusammenhängen und welche Chancen sich Unternehmen dadurch bieten, erfährst du in dieser Podcast-Episode.
In der aktuellen Folge des „Zeitausgleich“-Podcasts diskutiert Gastgeber Georg Konjovic, CEO von karriere.at, mit der Gesundheits- und Führungsexpertin Stefanie Stebegg sowie dem Mediator und Konfliktexperten Jürgen Dostal über Konflikte am Arbeitsplatz und wie diese oft ungenutzte Potenziale bieten können. Hier die wichtigsten Erkenntnisse der Episode.
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Zustimmung gebenWas ist ein Konflikt?
Von einem Konflikt können eine oder mehrere Personen in ihren Handlungen, Werten oder Einstellungen betroffen sein. Viele vergessen dabei, dass auch Mobbing Konfliktfälle sind.
Konflikte am Arbeitsplatz: Notwendiges Übel oder Innovationsmotor? #
Konflikte entstehen durch Reibungen, die zwangsläufig auftreten, wenn Menschen mit unterschiedlichen Werten, Überzeugungen und Bedürfnissen aufeinandertreffen. Sie bringen dabei sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Der Mediator Jürgen Dostal fasst es treffend zusammen:
„Konflikte sind Grundlage für etwas Neues. Man kann entscheiden, ob man aus ihnen etwas Negatives entstehen lässt oder ob sie Innovationspotenzial bieten.“
In den meisten Fällen entstehen Konflikte nicht aus bösem Willen, sondern weil verschiedene Perspektiven aufeinandertreffen. Im Unternehmenskontext kann dies besonders wertvoll sein, denn gezielt eingesetzte Konflikte bringen Entwicklungsmöglichkeiten, die eine wertschätzende Arbeitskultur fördern können. Der entscheidende Faktor ist, wie die Konfliktkultur im Unternehmen gestaltet ist.
Konflikt: Definition und Eskalationsstufen #
Im Arbeitskontext wird ein Konflikt definiert als eine Spannung zwischen zwei oder mehr Beteiligten, die sich in ihren Werten, Zielen oder Handlungen voneinander unterscheiden und dadurch betroffen sind. Der Konfliktforscher Friedrich Glasl beschreibt neun Eskalationsstufen, die zeigen, wie sich Konflikte in ihrer Intensität entwickeln können. Von den ersten Stufen, bei denen oft noch eine Win-Win-Lösung möglich ist, bis hin zu den höchsten Eskalationsstufen, in denen es um die „Vernichtung der Gegner*in“ geht, wird schnell deutlich: Je früher ein Konflikt adressiert wird, desto leichter lässt er sich konstruktiv lösen.
Durch die schrittweise Eskalation können Führungskräfte frühzeitig erkennen, ob der Konflikt innerhalb des Teams gelöst werden kann oder externe Unterstützung, etwa durch eine Mediation, erforderlich ist. Dostal betont dabei die Verantwortung der Führungskräfte, Konflikte rechtzeitig zu erkennen.
„Jede Führungskraft hat die Verantwortung, Konflikte in Teams zu erkennen. Es geht nicht nur um die Umsatzziele, sondern auch um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Wer sagt, dafür sei keine Zeit, erfüllt die Funktion als Führungskraft nicht.“
Vertrauen und psychologische Sicherheit als Basis für gesundes Konfliktmanagement #
Ein offener Umgang mit Konflikten setzt Vertrauen und psychologische Sicherheit voraus. Diese Basis schafft nicht nur ein gesundes Betriebsklima, sondern ermöglicht es Mitarbeitenden, sich weiterzuentwickeln und Innovationspotenzial zu entfalten.
„Wenn Konflikte auf Vertrauen basieren, kann aus Reibung auch Neues entstehen. Dieses Vertrauen braucht Zeit, es muss täglich genährt werden, um langfristig Bestand zu haben.“
Stebegg vergleicht dies mit der „Pyramide der fünf Dysfunktionen“ nach Patrick Lencioni, das zeigt, wie fehlendes Vertrauen in einem Team als Grundbasis zu weiteren Schwierigkeiten führt. Vertrauen bildet das Fundament der Zusammenarbeit, ohne das die gesamte Teamstruktur ins Wanken gerät. Im Kontext dieses Modells beeinflusst das Vertrauen alle anderen Ebenen der Teamleistung und ist deshalb essenziell für eine gesunde Konfliktkultur. Die fünf Dysfunktionen umfassen:
- Fehlendes Vertrauen: Vertrauen bedeutet im Teamkontext, dass die Mitglieder bereit sind, sich verletzlich zu zeigen und offen über Schwächen, Fehler oder Unsicherheiten zu sprechen. Ohne dieses Vertrauen entsteht eine Kultur, in der Mitarbeitende versuchen, sich gegenseitig zu beweisen, dass sie kompetent und makellos sind – eine Haltung, die oft zu Verunsicherung und Distanz führt. Das Team entwickelt eine oberflächliche Zusammenarbeit, bei der nur die Fassade zählt. Erst wenn Vertrauen vorhanden ist, können Teammitglieder Konflikte als konstruktiv betrachten und sich ohne Angst vor negativen Konsequenzen auf Diskussionen einlassen.
- Angst vor Konflikten: Fehlt das Vertrauen, wird Konflikten oft aus dem Weg gegangen, anstatt sie konstruktiv anzugehen. Mitarbeitende vermeiden offene Diskussionen und kritische Rückmeldungen, was langfristig zu Spannungen führt, die unter der Oberfläche brodeln.
- Mangelndes Commitment: Wenn es keine offene Diskussion und keine Aussprache gibt, fehlt es auch an einem echten Engagement für gemeinsame Entscheidungen. Die Teammitglieder stimmen nur oberflächlich zu, ohne tatsächlich hinter den Zielen zu stehen.
- Vermeidung von Verantwortlichkeit: Ohne Commitment fällt es schwer, Verantwortung für Entscheidungen zu übernehmen. Es entstehen Unklarheiten und ein Mangel an persönlicher Verantwortung für die Teamziele.
- Fehlende Ergebnisorientierung: Ohne die vorangegangenen Elemente gibt es keine echte Fokussierung auf die gemeinsamen Ziele. Das Team verliert die Orientierung und verfehlt die Zielsetzungen des Unternehmens.
Stebegg erklärt, dass Vertrauen somit die zentrale Grundlage bildet, auf der alles andere aufbaut:
„Fehlende Konflikte führen zu fehlendem Commitment, fehlendes Commitment führt zu fehlender Verantwortung. Und ohne Verantwortung passen die Ergebnisse nicht – das Ziel des Unternehmens wird nicht erfüllt.“
Die große Kluft zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden #
Eine von Jürgen Dostal durchgeführte Studie zeigt, dass Führungskräfte Konflikte am Arbeitsplatz stärker wahrnehmen als Mitarbeitende. Während rund 60 Prozent der Führungskräfte Konflikte erkennen, nehmen nur 40 Prozent der Mitarbeitenden diese wahr. Stefanie Stebegg führt dies auf unterschiedliche Perspektiven und Verantwortungsbereiche zurück. Sie beobachtet, dass Mitarbeitende oft nur sichtbare Konflikte bemerken, während Führungskräfte auch die darunterliegenden Spannungen erkennen.
Gesundheitsrisiko Konfliktkultur und ihre langfristigen Folgen #
Dass ungesunde Konfliktkulturen zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen, betonen beide Gäste eindringlich. Stebegg und Dostal verweisen auf internationale Studien, nach denen etwa 57 Prozent aller psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz auf ungelöste Konflikte zurückzuführen sind. Die Konsequenzen sind sowohl für Mitarbeitende als auch für Unternehmen kostspielig. Langzeit-Krankenstände und Burnout entstehen oft aus dem Gefühl, Konflikte nicht ansprechen zu können.
„Wenn Konflikte nicht gelöst werden und die Energie sich aufstaut, bleibt sie im Körper gespeichert. Das führt langfristig zu Verspannungen, Müdigkeit und psychischen Belastungen, die sich oft nur schwer abbauen lassen.“
Strategien für ein nachhaltiges Konfliktmanagement #
Was können Führungskräfte konkret tun, um eine gesunde Konfliktkultur zu fördern? Jürgen Dostal und Stefanie Stebegg empfehlen regelmäßige Peer-Group-Meetings und Supervisionen, um Konflikte frühzeitig zu erkennen und gemeinsam zu reflektieren. Doch viele Führungskräfte fühlen sich unzureichend ausgebildet, wenn es um den Umgang mit Konflikten geht. Tatsächlich berichten zwei Drittel der befragten Führungskräfte laut Dostals Studie, dass sie sich in Konfliktsituationen überfordert fühlen und ihnen die nötigen Skills fehlen. Dies stellt eine enorme Herausforderung dar, da das Management von Konflikten wesentliche Führungsaufgabe ist.
Ein einfaches, aber wirkungsvolles Tool zur Konfliktbewältigung ist das aktive Zuhören.
„Aktives Zuhören heißt, die Perspektive des Gegenübers ernst zu nehmen und nicht wegzuargumentieren. Jeder Mensch hat das Recht, seine eigene Sichtweise zu haben.“
Darüber hinaus sollten Konflikte als Entwicklungsfelder betrachtet und gelöste Konflikte gefeiert werden – ein Schritt, den viele Unternehmen bislang vernachlässigen. Das bewusste Feiern erfolgreicher Konfliktlösungen stärkt das Vertrauen und motiviert für künftige Herausforderungen.
Fazit: Konflikte als Chancen für Entwicklung und Innovation nutzen #
Konflikte im Unternehmen sind unvermeidlich, aber sie bieten auch die Möglichkeit zur positiven Veränderung und Innovation, wenn sie richtig angegangen werden. Die heutige Generation erwartet eine offene und transparente Konfliktkultur. Es liegt an den Unternehmen und deren Führungskräften, Strukturen zu schaffen, die eine solche Kultur fördern und pflegen.
Der Podcast zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass Konflikte kein Schicksal sind, sondern bewusst gestaltet und genutzt werden können. Durch den Einsatz professioneller Konfliktlösungsmethoden und das Schaffen einer offenen Kommunikationskultur können Unternehmen die Gesundheit und Zufriedenheit ihrer Mitarbeitenden langfristig steigern und Konflikte in eine Kraft für Innovation verwandeln.
Sarah Chlebowski
Content Managerin
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