Mentoring für Führungskräfte: Die Vorteile im Überblick
Eine Führungskraft zu werden bzw. zu sein, ist eine große Herausforderung und geht mit viel Verantwortung einher. Um dieser Rolle gerecht zu werden, kann es sich lohnen, in ein Coaching- oder Mentoring-Programm zu investieren. Susanne Seher und Helga Töpfl, Geschäftsführerinnen bei Seher + Partner, verraten im Interview, was die richtige Coach*in bzw. Mentor*in ausmacht, welche Qualitäten Führungskräfte haben müssen und inwiefern sich Frauen und Männer hinsichtlich Coaching-Bedarf unterscheiden.
Mit Mentoring zur besseren Führungskraft werden #
Wann ist es sinnvoll, als Führungskraft ins persönliche Coaching oder Mentoring zu investieren?
Susanne Seher: Coaching und Mentoring bieten eine großartige Möglichkeit, sich selbst besser kennenzulernen, die persönlichen Stärken und Schwächen zu identifizieren und an der eigenen Entwicklung zu arbeiten. Durch diese Prozesse können die eigenen Führungsqualitäten verbessert und schwierige Herausforderungen, sei es im Umgang mit Mitarbeiter*innen, in der Entscheidungsfindung oder bei der Bewältigung von Veränderungen, besser gemeistert werden. Eine Coach*in oder Mentor*in gibt regelmäßig Feedback zum Führungsstil, vermittelt neue Führungstechniken und unterstützt bei der Entwicklung von Kommunikations- und Konfliktlösungsfähigkeiten.
Zusätzlich kann eine Coach*in oder Mentor*in dabei helfen, klare berufliche Ziele zu definieren und Strategien zu entwickeln, um diese auch zu erreichen. Sie können bei der Planung der beruflichen Laufbahn unterstützen, beim Aufbau eines Netzwerks helfen und bei der Überwindung von Hindernissen auf dem Karriereweg zur Seite stehen.
Helga Töpfl: Darüber hinaus können Coaching oder Mentoring dazu beitragen, die Work-Life-Balance zu verbessern und den mit einer Führungsposition oft verbundenen Stress zu reduzieren. Eine Coach*in kann bei der Prioritätensetzung unterstützen, effektive Zeitmanagement-Strategien entwickeln und Techniken zur Stressbewältigung vermitteln. Dadurch wird ein gesundes Gleichgewicht zwischen beruflichen Anforderungen und persönlichem Wohlbefinden gefördert.
Unterschied zwischen Mentor*in und Coach*in
Anders als eine Coach*in muss eine Mentor*in nicht für ihre Tätigkeit ausgebildet sein, sondern bietet Unterstützung, Feedback, Ratschläge und Ressourcen basierend auf ihren Erfahrungen an.
Tipps, um die passende Mentor*in zu finden #
Auf welcher Basis sollten die Coaches bzw. Mentor*innen für Führungskräfte ausgewählt werden und welche Qualifikationen sollten diese haben?
Helga Töpfl: Coaches oder Mentor*innen sollten bestenfalls über umfangreiche Erfahrung in der Arbeit mit Führungskräften verfügen. Es ist wichtig, dass sie ein fundiertes Wissen über Führungsthemen, Organisationsdynamik und persönliche Entwicklung mitbringen. Ein gründlicher Hintergrundcheck, einschließlich Ausbildungen, Zertifizierungen und Referenzen, kann ebenfalls von Vorteil sein, um sicherzustellen, dass die Coach*in oder Mentor*in über die erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen verfügt.
Bei der Auswahl kann es auch vorteilhaft sein, jemanden zu wählen, der mit den Besonderheiten der jeweiligen Branche und dem beruflichen Umfeld vertraut ist. Auf diese Weise können sie besser auf spezifische Anforderungen eingehen und relevante Einblicke und Ratschläge geben, die speziell auf die Situation zugeschnitten sind.
Susanne Seher: Entscheidend für den Erfolg ist eine gute Beziehung zwischen Coach*in bzw. Mentor*in und der Führungskraft. Beide Seiten sollten sich wohl fühlen und Vertrauen zueinander aufbauen können. Die Chemie zwischen ihnen spielt eine wichtige Rolle und beeinflusst die Effektivität der Zusammenarbeit positiv. Unser Tipp: Bereits im Vorfeld einen Termin vereinbaren, um sich kennenzulernen und zu prüfen, ob eine gegenseitige Sympathie und Vertrauensbasis vorhanden sind. Eine solche Verbindung legt den Grundstein für eine erfolgreiche und produktive Coaching- bzw. Mentoring-Beziehung.
Was sind Zeichen dafür, dass die Chemie stimmt?
Susanne Seher: Wie bereits erwähnt, bietet es sich an, eine Probe-Sitzung oder ein Erstgespräch durchzuführen, auf das eigene Bauchgefühl zu hören und darauf zu achten, ob man sich wohl und verstanden fühlt. Eine offene und ehrliche Kommunikation ist entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Wenn man der Coach*in bzw. der Mentor*in die eigenen Erwartungen, Bedenken und Ziele mitteilt, sollte man beobachten, wie diese*r darauf reagiert. Es ist wichtig, dass die eigene Perspektive von einem Außenstehenden nachvollzogen werden kann.
Neben einer offenen Kommunikation spielt auch das Vertrauen eine wichtige Rolle beim Coaching. Die Person sollte empathisch und dazu in der Lage sein, andere Perspektiven zu verstehen und auf individuelle Bedürfnisse einzugehen.
Helga Töpfl: Die passende Coaching- bzw. Mentoring-Partner*in ist nicht immer sofort erkennbar und manchmal braucht es etwas Zeit, um festzustellen, ob die Zusammenarbeit erfolgreich sein wird. Man sollte sich nicht scheuen, verschiedene Personen auszuprobieren um die richtige Partner*in für die persönliche Entwicklung zu finden.
Führungskräfte müssen kommunizieren, motivieren und inspirieren #
Mit welchen Problemen hadern Führungskräfte im Berufsalltag am meisten? Wobei brauchen sie vermehrt aktive Unterstützung durch externe Personen?
Susanne Seher: Führungskräfte müssen in der Lage sein, effektiv zu kommunizieren und Konflikte zu lösen. Sie können sich Unterstützung holen, um ihre Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern, schwierige Gespräche zu führen oder Konflikte in den Teams zu bewältigen.
Außerdem sind sie mit einem hohen Arbeitsaufkommen und vielen Verantwortlichkeiten konfrontiert. Sie können Hilfe bei der effektiven Planung, Priorisierung und Delegation von Aufgaben benötigen, um ihre Zeit optimal zu nutzen und ein Gleichgewicht zwischen ihren beruflichen und persönlichen Verpflichtungen zu finden.
Teams zu motivieren und zu inspirieren, zählt auch zu den Aufgaben einer Führungskraft. In diesem Zusammenhang kann es für Führungskräfte hilfreich sein, ihre Führungsqualitäten zu stärken, ihre Mitarbeitenden zu coachen, eine positive Unternehmenskultur aufzubauen und angemessen mit schwierigen Mitarbeitenden oder Leistungsproblemen umzugehen.
„Führungskräfte müssen in der Lage sein, effektiv zu kommunizieren und Konflikte zu lösen.“
Helga Töpfl: Führungskräfte sind häufig mit komplexen strategischen Entscheidungen konfrontiert. Durch die Unterstützung von Coaches können sie lernen, ihre Fähigkeiten zur Entwicklung von Entscheidungsstrategien, zum Umgang mit Unsicherheit und Risiken sowie zur Gestaltung einer langfristigen Vision und Strategie für das Unternehmen zu verbessern. Coaches und Mentor*innen können ihnen helfen, verschiedene Ansätze zur Entscheidungsfindung zu erlernen, ihre Analyse- und Bewertungsfähigkeiten zu schärfen und effektive Strategien zur Risikobewältigung zu entwickeln.
Da Führungskräfte oft viel Stress ausgesetzt sind, können Coachende dabei unterstützen, eine gesunde Work-Life-Balance aufrechtzuerhalten und mit dem Stress umzugehen, der mit ihren Rollen einhergeht.
Brauchen Frauen anderes Coaching als Männer?
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Gibt es bei Frauen und Männern Unterschiede, was den Coachingbedarf betrifft? Oder auch in Bezug darauf, in welchem Bereich Coaching bzw. Mentoring gebraucht wird?
Helga Töpfl: Der Coachingbedarf ist eher individuell und hängt von verschiedenen Faktoren wie der Persönlichkeit, den beruflichen Zielen, den Herausforderungen am Arbeitsplatz und den persönlichen Entwicklungsbereichen ab.
Frauen sind jedoch oft mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert, bei denen sie gezielte Unterstützung brauchen können. Zum einen sind das die Karriereentwicklung und die Aufstiegsmöglichkeiten. Da Frauen in vielen Führungspositionen unterrepräsentiert sind, kann Coaching oder Mentoring dabei helfen, die Karriere voranzutreiben, das Selbstbewusstsein zu stärken, Netzwerke aufzubauen und Strategien zur Überwindung von Barrieren aufzubauen.
Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist vor allem für Frauen ein sehr wichtiges Thema. Externe Personen helfen, Strategien zur Verbesserung der Work-Life-Balance zu entwickeln, den Umgang mit Konflikten zu bewältigen und Lösungen für die Herausforderungen der Elternschaft am Arbeitsplatz zu finden.
Susanne Seher: Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Frauen die gleichen Bedürfnisse haben und nicht alle Männer dieselben Herausforderungen bewältigen müssen. Es gibt vielfältige individuelle Unterschiede, und der Coachingbedarf sollte auf der Grundlage der spezifischen Ziele und Herausforderungen einer Person beurteilt werden, unabhängig vom Geschlecht.
Darüber hinaus kann der Bedarf auch stark vom Bereich oder der Branche abhängen, in der eine Person tätig ist. Unterschiedliche Branchen haben unterschiedliche Anforderungen und Herausforderungen, die eine gezielte Unterstützung erfordern können. Es ist wichtig, den individuellen Kontext und die spezifischen Bedürfnisse jeder Person zu berücksichtigen, um maßgeschneiderte Interventionen anzubieten.
„Frauen sind in vielen Führungspositionen unterrepräsentiert. Coaching oder Mentoring kann helfen, die Karriere voranzutreiben.“
Laut einer Studie von karriere.at fällt es etwa jeder dritten berufstätigen Frau in Österreich schwer, berufliche Weiterentwicklung wie z.B. eine Beförderung einzufordern – der Aufstieg zur Führungskraft wird dadurch erschwert. Welche Tipps geben Sie betroffenen Frauen, um in diesem Punkt mehr Selbstbewusstsein zu haben?
Helga Töpfl: Es ist wichtig, die eigenen Fähigkeiten und Erfolge anzuerkennen und sich Stärken regelmäßig in Erinnerung zu rufen. Dieses Bewusstsein stärkt das Selbstvertrauen und unterstützt bei der beruflichen Weiterentwicklung. Wir raten folgendes:
- Die eigenen Fähigkeiten und Erfolge anerkennen und sich die eigenen Stärken regelmäßig in Erinnerung rufen
- Klare, aber realistische Ziele setzen und Erfolge visualisieren
- Erfolgreiche Frauen in Führungspositionen als Inspiration heranziehen und von ihren Erfahrungen lernen
- Weiterbildungs- und Mentoring-Programme nutzen, um Führungsqualitäten zu entwickeln und ein Netzwerk aufzubauen
- Positives und unterstützendes Umfeld aufbauen – sowohl beruflich als auch privat
- Veränderungen brauchen Zeit, deshalb: geduldig sein und konsequent bleiben
Coaching-Erfolge messbar machen #
Anhand welcher Kriterien kann der Erfolg des Coachings bzw. Mentorings gemessen werden?
Susanne Seher: Ein wichtiger Erfolgsindikator ist das Erreichen der festgelegten Ziele, wie die Steigerung der Führungskompetenzen, die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten oder das Erreichen von Karrierezielen. Wenn sich beobachtbare Verhaltensveränderungen zeigen, wie beispielsweise verbesserte Führungspraktiken, die Entwicklung neuer Fähigkeiten oder die Überwindung beeinträchtigender Verhaltensmuster, dient dies als Maßstab für den Erfolg des Coachings oder Mentorings.
Darüber hinaus gibt das Feedback aus dem beruflichen Umfeld der Führungskraft Aufschluss über den Erfolg. Positive Rückmeldungen zu Veränderungen in Arbeitsweise und Wahrnehmung zeigen, dass Fortschritte erzielt wurden. In einigen Fällen können auch messbare Ergebnisse wie gesteigerte Mitarbeitendenzufriedenheit, verbesserte Teamleistung oder das Erreichen von Geschäftszielen, die mit den Coaching- oder Mentoring-Zielen zusammenhängen, zur Bewertung des Erfolgs herangezogen werden.
Helga Töpfl: Es ist wichtig zu beachten, dass der Erfolg individuell definiert ist und von den spezifischen Zielen und Bedürfnissen der Führungskraft abhängt. Vor Beginn des Coaching- oder Mentoring-Prozesses sollten daher klare Ziele vereinbart und gemeinsame Kriterien für den Erfolg festgelegt werden. Dies ermöglicht eine gezielte Bewertung des Fortschritts und eine Überprüfung, ob die gewünschten Ergebnisse erreicht wurden. Eine regelmäßige Reflexion und Anpassung des Coachings oder Mentorings kann ebenfalls dazu beitragen, den Erfolg zu maximieren und die gewünschten Veränderungen zu unterstützen.
Wie können sich Führungskräfte ihrer blinden Flecken bzw. ihres Entwicklungspotenzials bewusst werden?
Helga Töpfl: Führungskräfte sollten aktiv nach Feedback von verschiedenen Quellen suchen, wie zum Beispiel Vorgesetzten, Kolleg*innen, Mitarbeitenden und Kunden. Regelmäßiges und konstruktives Feedback kann dabei helfen, blinde Flecken aufzudecken und Bereiche zu identifizieren, in denen Verbesserungspotenzial besteht.
Zeit für Selbstreflexion einzuräumen ist eine wichtige Methode, um die eigenen Denk- und Verhaltensmuster zu analysieren. Führungskräfte können regelmäßig über ihre Entscheidungen, Reaktionen und Handlungen nachdenken und überlegen, ob diese im Einklang mit ihren Werten und Zielen stehen.
Susanne Seher: Externe Coaches oder Mentor*innen können Führungskräften ebenfalls dabei helfen, ihre blinden Flecken zu erkennen und ihr Entwicklungspotenzial zu identifizieren. Durch gezielte Fragestellungen, Beobachtungen und Feedback können sie eine objektive Perspektive und neue Erkenntnisse bieten.
Auch der Austausch mit anderen Führungskräften kann dazu beitragen, dass Führungskräfte voneinander lernen und ihre blinden Flecken gemeinsam erkennen. Der offene Dialog und das Teilen von Erfahrungen ermöglichen es, verschiedene Perspektiven einzunehmen und neue Einsichten zu gewinnen. Bewusstwerdung ist ein fortlaufender Prozess. Führungskräfte sollten kontinuierlich daran arbeiten, ihre blinden Flecken zu identifizieren und sich weiterzuentwickeln, um ihre Führungsqualitäten zu stärken.
Über Susanne Sehr und Helga Töpfl #
Susanne Seher hat Rechtswissenschaften studiert und ein Trainee-Programm in einem der größten Einzelhandelsunternehmen Österreichs absolviert und anschließend die Abteilung Projektentwicklung geleitet. Sie wechselte schließlich in die Lebensmittelindustrie und kümmerte sich als Assistentin des CEO um Projekt- und Prozessmanagement und übernahm die Abteilung Personal und Recht. Seit 2003 ist Susanne Seher selbstständige Personalberaterin.
Helga Töpfl hat an der WU Wien Handelswissenschaften mit Schwerpunkt Handel & Marketing studiert und einen Lehrgang zur zertifizierten Employer Brand Managerin abgeschlossen. Sie arbeitete als Institutsmitarbeiterin an der WU Wien und als Tagungskoordinatorin am NPO Forschungsinstitut. Im Rahmen eines 3-jährigen Programms für globale Nachwuchsführungskräfte im Bereich B2B absolvierte sie Auslandseinsätze bei einem internationalen Lebensmittelkonzern. Sie Helga Töpfl verfügt über acht Jahre Managementerfahrung im Marketing und Vetrieb.
Seher + Partner, eine Agentur für Personalbeartung in Wien und Oberösterreich, wurde von den beiden 2010 gegründet.
Bianca Schedlberger
Content Managerin
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