Mythos Gleichstellung: Warum Frauen immer noch weniger verdienen
Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männer liegt bei 18,8 % – das ist Realität in Österreich, einem Land, in dem die Geschlechter eigentlich gleichgestellt sind. Im Vergleich liegt der durchschnittliche Lohnunterschied in der EU bei 12,7 % (Quelle: Statistik Austria 2022). Gesetze und Frauenquoten ändern in der Praxis leider zu wenig, wie Statistiken zeigen. Wir haben uns auf die (ernüchternde) Suche nach den Gründen gemacht.
Seit Anfang 2018 gilt die sogenannte „Frauenquote“, die für einen höheren Anteil an weiblichen Aufsichtsräten in börsennotierten Unternehmen sorgen soll. 30 Prozent sind konkret gefordert und tatsächlich scheint die Quotenregelung zu fruchten. Innerhalb der letzten fünf Jahren ist die Repräsentanz in Aufsichtsräten gestiegen, jedoch bleibt die Unternehmensführung eine Männerdomäne. Laut dem aktuellen Frauen Management Report der Arbeiterkammer sind in Frauen in Managementpositionen in Österreich weiterhin stark unterrepräsentiert:
In den 200 umsatzstärksten Unternehmen des Landes werden von 599 Geschäftsführer*innenpositionen nur 63 von Frauen eingenommen - 89, % der Positionen werden von Männern bekleidet. Noch gravierender ist der Unterschied in den Vorständen von börsennotierten Unternehmen:
„In den 20 Unternehmen des ATX (Austrian Traded Index) sind Anfang Jänner 2023 lediglich 8,3 % Frauen in den Vorständen vertreten, nur in Luxemburg (6,0 %) sind es im europäischen Vergleich noch weniger (EU-Schnitt: 21,1 %)“
Hindernisse für Frauen am Karriereweg #
Recherchiert man zum Thema „Frauen und Beruf“, wird man in der Gender-Statistik von Statistik Austria fündig. Hier gibt es Zahlen zu allen relevanten Bereichen rund um die Gleichstellung der Geschlechter im Bezug auf die Erwerbstätigkeit – und die sprechen eine klare Sprache.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für Frauen besonders schwierig #
Frauen und Männer sind prinzipiell gleich oft erwerbstätig, solange sie keine Kinder haben: 69,6 Prozent der Österreicher und 62,3 Prozent der Österreicherinnen gingen 2021 einer Arbeit nach, mit der sie Geld verdienten. Das ändert sich schlagartig, sobald Nachwuchs da ist: Während bei Männern mit Kindern unter 15 Jahren die Erwerbstätigkeit auf 91,2 Prozent ansteigt, sinkt sie bei Frauen auf 67,6 Prozent. Der Mann verdient, die Frau bleibt zuhause – diese traditionelle Rollenverteilung scheint nach wie vor verbreitet zu sein.
Auch Teilzeitarbeit hängt stark vom Geschlecht und Familienstand ab. Nur 25,9 Prozent der kinderlosen Frauen zwischen 25 und 49 arbeiteten 2018 in Österreich Teilzeit. Mit Kindern unter 15 steigt die Quote rasant auf 72,8 Prozent an, fast dreimal so viel. Bei Männern ist es umgekehrt: 25- bis 49-Jährige ohne Kinder sind mit 13 Prozent häufiger teilzeitbeschäftig als Väter im selben Alter. Hier halbiert sich die Teilzeitquote auf 6,8.
Warum das so ist, liegt einerseits an zu wenigen Kinderbetreuungseinrichtungen, andererseits verdienen Männer immer noch besser als Frauen. Wer zuhause bleibt oder in Teilzeitarbeit geht, ist also rein finanziell betrachtet ganz einfach: die Frau. Die hohe Teilzeitquote führt auch zum vielzitierten „Gender Pay Gap“, dem Einkommensunterschied von Männern und Frauen. Der Lohnunterschied im Bruttostudentenverdienst liegt 2021 bei knapp 18,8 Prozent (EU Durchschnitt 12,7 Prozent)- das bedeutet die Teilzeitarbeit der Frauen wird berücksichtigt.
Gründe für den Gender Pay Gap #
2018 untersuchte Statistik Austria, welche Faktoren die Einkommensunterschiede (zum damalige Zeitpunkt betrag dieser 20,4 Prozent) erklären. Folgende wurden ermittelt:
Erklärungsmerkmal | erklärter Anteil in Prozentpunkten |
Branche | 14,1 % |
Ausmaß der Beschäftigung (Voll-/ Teilzeit) | 12,7 % |
Dauer der Unternehmenszugehörigkeit + Interaktionseffekt | 8,3 % |
Berufsgruppe | 1,6 % |
Damit ließen sich jedoch lediglich 6,4 Prozent des Einkommensunterschieds erklären. Der Rest, 14,0 Prozent, blieb nicht nachvollziehbar.
Falsche Branche, schlechterer Job #
Warum Frauen weniger verdienen, liegt zum Teil an klassischen Frauenberufen. Quer durch alle Bildungsniveaus hindurch sind Mitarbeiterinnen am häufigsten in mittleren Tätigkeits- und Verantwortungsbereiche angestellt, während Männer öfter in höherqualifizierten Jobs oder Führungspositionen arbeiten. Besonders groß ist die Differenz bei Hochschulabsolvent*innen: 24 Prozent der Frauen mit Uni- oder FH-Abschluss arbeiten in mittleren Tätigkeitsfeldern. Das ist doppelt so oft wie bei ihren männlichen Akademikerkollegen (12,3 Prozent). In höherqualifizierten Jobs haben Akademikerinnen mit 62 Prozent sogar ein wenig die Nase vorn (Männer: 61,8 Prozent). Allerdings ist hier in der Regel das Ende der Karriereleiter erreicht. Nur 7,3 Prozent der Akademikerinnen gelangen in eine Führungsposition. Ihre männlichen Kollegen schaffen das fast dreimal so häufig: 18,9 Prozent der Akademiker arbeiten in einer leitende Stelle.
Fehlende Vorbilder #
Wollen Frauen nicht führen oder fehlt es an Vorbildern? Beides könnte die Ursache für den geringen Frauenanteil in den Führungsetagen sein. Einerseits definieren sich Frauen weniger über ihre Karriere, sondern mehr über Soft Skills und Interessen. Zudem schätzen Frauen ihre Qualifikation oft falsch ein. Andererseits gibt es tatsächlich zu wenige weibliche Vorbilder in verantwortungsvollen Positionen im Arbeitsleben. Frauenquoten oder Initiativen wie „Mädchen in die Technik“ versuchen dem entgegenzuwirken.
Sarah Chlebowski
Content Managerin
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