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Frauen in Teilzeit

Fast die Hälfte der erwerbstätigen Österreicherinnen arbeitet in Teilzeit

Arbeitsmarkt Erstellt am: 08. März 2022 8 Min.

Fast die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen geht einer Teilzeitbeschäftigung nach, während es bei Männern nur jeder zehnte ist. Diese Kluft vergrößert sich seit Jahren – und beruht nicht unbedingt auf Freiwilligkeit. Wir werfen einen Blick auf die Hintergründe und Entwicklungen.

Ist Teilzeit als negativ zu bewerten? #

Natürlich nicht ausschließlich. Egal, welches Geschlecht: Viele Arbeitnehmer*innen wünschen sich eine Arbeitszeitverkürzung, um mehr Zeit für Familie, Entspannung und Hobbys zu haben. Laut einer Online-Umfrage von karriere.at aus dem Jahr 2020 wäre für fast die Hälfte (49 Prozent) der Arbeitnehmer*innen eine 30-Stunden-Woche ideal.

Normalarbeitszeit belastet viele Arbeitnehmer*innen #

Mittlerweile existieren einige Studien, die belegen, dass lange Arbeitszeiten sich auf die Gesundheit auswirken. Neben Schmerzen am Bewegungsapparat, Kopfschmerzen und Verdauungsproblemen ist auch das Unfallrisiko erhöht. Je länger am Stück gearbeitet wird, desto schlechter stehts auch um Konzentration und Produktivität. Anhaltende Erschöpfungszustände können selbst zu Burnout und damit zu einem kompletten Arbeitsausfall führen – dabei soll erwähnt werden, dass Teilzeit-Arbeit nicht vor Burnout schützt.

Mehr Produktivität bei weniger Arbeit #

Immer mehr Unternehmen ändern ihre Meinung zur Arbeitszeitverkürzung und geben ihr eine Chance. Ein Beispiel: Im Sommer 2019 testete Microsoft in seiner Niederlassung in Japan eine kürzere Arbeitszeit und hatte freitags geschlossen. Am Ende wurde von einer Produktivitätssteigerung von 40 Prozent berichtet. Immer mehr Unternehmen folgen diesem Beispiel und bieten flexible Arbeitszeitmodelle oder kürzere Arbeitszeiten.

Es gibt genügend Studien, Umfragen und Praxisberichte, die belegen, dass kürzere Arbeitszeiten zu Gesundheit und Wohlbefinden von Arbeitnehmer*innen beitragen. Sie sind demnach weniger gestresst, glücklicher und werden seltener krank. Unter den richtigen Rahmenbedingungen wird auch wesentlich konzentrierter und produktiver gearbeitet. Wichtig dabei: Logischerweise kann das gleiche Arbeitsvolumen nicht in weniger Zeit gestemmt werden. Parallel zur Arbeitszeitverkürzung braucht es daher die Rekrutierung neuer Mitarbeiter*innen, um die Arbeitslast angemessen zu verteilen.

Frauen leisten mehr Care Arbeit

Frauen profitieren nur selten von Teilzeit #

Ob freiwillig oder nicht: Kürzer arbeiten bedeutet auch, weniger zu verdienen. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich bieten bis dato nur wenige Arbeitgeber*innen an. Und da überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten, wirkt sich der unter anderem aus der Teilzeit-Gap entstehende Gender Pay Gap auf die Höhe der Pension aus. Österreicher*innen über 65 sind mit 17 Prozent überdurchschnittlich stark armutsgefährdet. Bei alleinstehenden Frauen liegt dieser Wert sogar bei 25 Prozent.

„36 Prozent liegen zwischen dem Einkommen einer Frau und eines Mannes.“

Am 15. Februar ist der jährliche Equal Pay Day. Rechnerisch betrachtet haben Österreicherinnen seit Jahresanfang 46 Tage gratis gearbeitet. Diese Berechnung wird aber durch einen wichtigen Faktor verzerrt: Sie beruht auf den Einkommensunterschieden zwischen Menschen, die Vollzeit arbeiten und macht daher „nur“ 12,7 Prozent aus. Bezieht man jedoch die Tatsache mit ein, dass Frauen viel öfter in Teilzeit arbeiten, ergibt sich ein neues Bild und die Lohnschere geht eklatant auseinander. 36 Prozent liegen demnach zwischen dem Einkommen einer Frau und eines Mannes, was den tatsächlichen Equal Pay Day im Jahr 2022 eigentlich auf den 10. Mai verschieben würde, so das Moment Magazin.

Durch den Einkommensunterschied entgehen Frauen und ihren Familien im Monat durchschnittlich 900 Euro brutto. Im Jahr wären das 12.500 Euro und aufs durchschnittliche weibliche Erwerbsleben von circa 34,5 Jahren gerechnet satte 435.000 Euro.

4 Gründe warum Frauen häufiger Teilzeit arbeiten #

1. Fehlende Infrastruktur

Die folgende Grafik zeigt: Je niedriger die Bevölkerungsdichte, desto höher ist der Anteil der Frauen, die in Teilzeit arbeiten (mehr als 50 Prozent). In Regionen mit mittlerer und hoher Bevölkerungsdichte ist der Anteil zum Teil deutlich niedriger (knapp 50 bzw. etwas mehr als 40 Prozent).

Erwerbstaetigkeit und Urbanisierungsgrad 1536x1382

Dass Österreicher*innen, die am Land wohnen, seltener Vollzeit arbeiten, hat laut Expert*innen verschiedene Gründe. Ein wesentlicher Faktor ist jedenfalls der Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen. In den ländlichen Gebieten Österreichs lässt das Angebot eher zu wünschen übrig. Ganztägige Betreuungsmöglichkeiten sind rar, was eine Vollzeitbeschäftigung für Frauen fast unmöglich macht.

Ein Blick auf die nächste Grafik macht klar, wie unzureichend die Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich sind. In Vorarlberg und Tirol schließen mehr als die Hälfte (55,7 und 53,3 Prozent) der Einrichtungen um spätestens 15 Uhr. In der Steiermark und Oberösterreich sind es jeweils 46 und 39,3 Prozent. Wien ist hier der klare Ausreißer: Nur 0,1 Prozent der Kindereinrichtungen haben dort bis maximal 15 Uhr geöffnet.

Kinderbetreuungsstaetten Oeffnungszeiten 1536x1382

2. Mangelnde Jobangebote

Die Verteilung zwischen Voll- und Teilzeitstellen ist regional sehr unterschiedlich. Daher kann es durchaus vorkommen, dass es an Vollzeit-Jobangeboten fehlt, die zur Ausbildung der dort lebenden Frauen passen. Ein gutes Beispiel ist die Handelsbranche:Dort sind sieben von zehn Beschäftigten weiblich. Die Jobs werden zudem überwiegend in Teilzeit ausgeschrieben.

Unserem zweiten karriere.at Arbeitsmarktreport zufolge waren die Top 5 Berufsfelder der auf karriere.at ausgeschriebenen Teilzeitstellen im Jahr 2021 Assistenz und Verwaltung (14 Prozent), Verkauf und Kundebetreuung (11 Prozent), Rechnungswesen und Controlling (10 Prozent), IT und EDV (10 Prozent) sowie Pharma, Gesundheit und Soziales (9 Prozent). Auch in diesen Branchen sind überwiegend Frauen beschäftigt. Die meisten Teilzeitstellen gibt es in Wien (33 Prozent), Oberösterreich (23 Prozent) sowie der Steiermark, Niederösterreich und Salzburg (jeweils 10 Prozent).

3. Familiäre Notwendigkeit

Mit der Geburt eines Kindes müssen Paare die Entscheidung treffen, wie sie Hausarbeit und Erwerbstätigkeit miteinander in Einklang bringen. In Österreich gibt es eine klare Präferenz: Der Mann übernimmt den Haupterwerb. Erhebungen der Statistik Austria zeigen, dass 2020 bei 44,3 Prozent der Paare mit Kindern unter 15 im selben Haushalt der Mann Vollzeit und die Frau Teilzeit arbeitet. Bei 17,8 Prozent war nur der Mann erwerbstätig. 72 Prozent der Mütter mit Kindern unter 15 Jahren arbeiteten demzufolge zufolge Teilzeit. Bei Männern ist das nur bei 7 Prozent der Fall. In weniger als 8,3 Prozent der österreichischen Partnerschaften fußte das Einkommen auf der Haupterwerbstätigkeit der Frau.

„Im Schnitt verbringen Österreicherinnen 27 Stunden pro Woche mit Haushalt, Kinderbetreuung oder Pflege.“

Care Arbeit ist immer noch Frauensache. Wenn Familienangehörige gepflegt und Kinder umsorgt und großgezogen werden müssen, sind meist sie es, die sich um diese Aufgaben annehmen und ihre Karriere auf Eis legen – meist automatisch und ohne dieses veraltete Konzept der Rollenteilung zu hinterfragen. Im Schnitt verbringen Österreicherinnen 27 Wochenstunden damit, unbezahlt Haushalt, Kinderbetreuung und Pflege zu managen. Bei Männern sind es nur etwa halb so viele Stunden. Wie aus der folgenden Grafik hervorgeht, ist die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Erwachsenen bei mehr als 30 Prozent der Frauen für die Teilzeitarbeit verantwortlich. Andere persönliche oder familiäre Gründe nehmen mehr als 10 Prozent ein.

Gruende fuer Teilzeit 1536x1382

4. Tradierte Rollenbilder

Der Mann verdient, die Frau bleibt zuhause und kümmert sich um den Nachwuchs. So ists doch immer gewesen oder? Nicht ganz. Mittlerweile haben Archäolog*innen und Anthropolog*innen die strikte Rollentrennung zwischen Männern als Jäger und Frauen als Kümmerinnen in der Steinzeit widerlegt. Vor 9.000 Jahren griffen in den Anden Südamerikas auch Frauen zu Pfeil und Bogen, um Tiere zu erlegen – das bewies eine Grabungsstelle im Jahr 2018.

„Die typische Hausfrau entstand erst während der Industrialisierung.“

Auch die bäuerliche Gesellschaftsschicht konnte es sich nicht leisten, zwischen Erwerbs- und Hausarbeit zu differenzieren und die Frau nur für letzteres einzubinden. Die Rolle der dezidierten Hausfrau entstand erst im Rahmen der Industrialisierung, als sich eine bürgerliche Mittelschicht entwickelte. Während der Mann außerhalb des Hauses seinem Beruf nachging, wurden Ehe und Kindererziehung zum einzigen Lebensinhalt der Frau erklärt. Sie befand sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Ehemann.

Frauen haben weiterhin das Nachsehen #

Diese Lebensbedingungen haben sich glücklicherweise gebessert. Frauen können heute am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, ihre politischen Rechte einfordern und haben Zugang zu höherer Bildung. Trotzdem lassen sich tradierte Rollenbilder nicht einfach abschütteln. Eine Erhebung der Arbeiterkammer Wien hat gezeigt, dass 50 Prozent der befragten Frauen beim Vorstellungsgespräch mit ungewöhnlichen Fragen konfrontiert wurden (bei Männern nur 32 Prozent). 20 Prozent hatten Probleme bei Elternkarenz, -teilzeit sowie beim Pflegeurlaub (bei Männern 11 Prozent).

Bei der wirtschaftlichen Beteiligung von Frauen landet Österreich beim Global Gender Gap Report 2020 auf Platz 86 von 157. Internalisierte Zuschreibungen von außen halten Frauen oft davon ab, nach Spitzenpositionen zu streben. Viele glauben, nicht den nötigen Biss, das nötige Durchsetzungsvermögen mitzubringen. Die anhaltende Unvereinbarkeit von Beruf und Familie schreckt ebenfalls davon ab, berufliche Schritte in diese Richtung zu setzen.

Frauen sind außerdem häufig in Berufsfeldern tätig, die mit Menschen zu tun haben – beispielsweise Kinderbetreuung oder Pflege. Diese Berufe werden viel schlechter bezahlt als beispielsweise „typisch männliche“ Jobs an Maschinen. Beide Berufe benötigen Fachwissen und fordern den Arbeitnehmer*innen körperlich und psychisch einiges ab. Trotzdem wird der jeweilige Wert der Arbeit ungerechterweise unterschiedlich stark gewichtet. Mit diesen Ungerechtigkeiten aufzuräumen, sollte ein gesamtgesellschaftliches Ziel sein – und zwar nicht nur am Weltfrauentag …


B schedlberger

Bianca Schedlberger
Content Managerin
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