Zum Seiteninhalt springen
Zurück zu Zusammenarbeit
Unconscious Bias

Unconscious Bias am Arbeitsplatz

Zusammenarbeit Aktualisiert am: 07. März 2024 6 Min.

Jeder Mensch hat bestimmte Vorurteile internalisiert. Manche sind uns selbst gar nicht bewusst. Im Recruiting und Arbeitsleben können Unconscious Biases allerdings besonders problematisch sein. Welche es gibt und was wir dagegen tun können? In diesem Artikel erfährst du mehr.

Bewusstes vs. unbewusstes Denken #

Nobelpreisträger Daniel Kahnemann sieht unser Gehirn in zwei Denksysteme unterteilt. Das bewusste System zeichnet sich durch langsames und logisches Denken aus. Es kommt zum Einsatz, wenn wir ein Buch lesen, uns auf ein Gespräch konzentrieren oder nach einer Person Ausschau halten. Im Vergleich zum Unbewussten verlangt das Bewusste von unserem Gehirn deutlich mehr Anstrengung.

Deswegen greifen wir auch lieber auf das unbewusste System zurück. Dieses agiert intuitiv und instinktiv. Wenn wir beispielsweise mit dem Auto unterwegs sind und ein Kind über die Straße läuft, reagieren wir automatisch. Ganze 90 Prozent unserer Wahrnehmungs- und Denkprozesse spielen sich in unserem Unterbewusstsein ab. Das erlaubt uns auch, uns durch eine komplexe Umwelt zu bewegen, ohne uns darüber den Kopf zerbrechen zu müssen.

Unser unbewusstes System ist daher ein äußerst nützliches Werkzeug, um unseren Alltag zu bewältigen. Es kann aber auch dazu führen, dass wir andere Personen ungerecht oder sogar schlechter behandeln. Dann ist vom „unconscious bias“ die Rede.

Unconscious Bias als Teil des Unbewussten #

Übersetzt ins Deutsche bedeutet „unconscious bias“ eine unbewusste bzw. implizite Voreingenommenheit. Damit sind erlernte Annahmen und Überzeugungen gemeint, die wir im Laufe unseres Lebens durch Erfahrungen entwickeln und verinnerlichen. Diese Stereotype existieren in unserem Unterbewusstsein und manifestieren sich in unserem Alltag – überwiegend unbemerkt.

Jeder Mensch – unabhängig vom Alter, Geschlecht, der Bildung oder dem sozialen Status – hat sich über die Jahre bestimmte Biases angeeignet. Rationale Entscheidungen, die frei von Vorurteilen getroffen werden, sind eher selten. Schämen brauchen wir uns für unsere Biases nicht. An ihrem Abbau arbeiten müssen wir aber schon.

Warum ist es wichtig, sich den Unconscious Biases bewusst zu sein?

  • Wir können erkennen, wenn wir selbst oder andere durch Biases schlechter behandelt werden.
  • Wir haben das Selbstbewusstsein, auf Verhaltensweisen, die durch Voreingenommenheit entstehen, aufmerksam zu machen.
  • Wir können unsere eigenen Biases erkennen und korrigieren.

5 Schritte, um Unconscious Biases abzubauen #

Unconscious Biases haben das Potenzial, Menschen in unserem Umfeld zu verletzen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Aus diesem Grund sollten wir es als unsere Pflicht sehen, diese für uns erkennbar zu machen und sie langfristig abzubauen.

Ageism beim Recruiting

1. Akzeptanz

Da grundsätzlich jeder Mensch Unconscious Biases hat, gibt es keinen Anlass, sich dafür zu schämen oder schlecht zu fühlen. Stattdessen sollten wir diesen Umstand akzeptieren und uns dem Abbau unserer Biases verschreiben. Im ersten Schritt sollten wir aber erst mal über diese kognitiven Verzerrungen recherchieren – Google und Youtube sind dafür die richtige Adresse.

2. Identifikation

Lasst uns mal überlegen: In welchen Situationen beeinflusst Unconscious Bias unsere Entscheidungen und Beurteilungen? Stress, Ärger, Multitasking und anderweitige kognitive Belastungen tragen jedenfalls dazu bei, dass Biases unser Denken übernehmen. Möglicherweise können Freund*innen und Kolleg*innen ebenfalls Aufschluss über unsere Muster und Präferenzen geben.

3. Analyse

Im nächsten Schritt konzentrieren wir uns bewusst auf eine Situation, in der Biases auftreten und fragen uns …

  • Was sehe, lese oder höre ich?
  • Was denke ich und wie ordne ich zu?
  • Welche Emotionen löst die Situation in mir aus und wie fällt mein Urteil aus?

4. Bestimmung der Quelle

Wie wir wahrnehmen und entscheiden hängt ganz stark mit unseren bisherigen Erfahrungen zusammen. Diese werden wiederrum von unserer Kultur geprägt. Wie wir aufwachsen, erzogen und sozialisiert werden, wie wir leben und arbeiten – all diese Faktoren beeinflussen unsere Meinungen. Persönliche Erlebnisse und die Medien, die wir konsumieren, tun das natürlich auch.

Um Unconscious Biases zu „ent“lernen, braucht es Bewusstsein für die Herkunft. Wo habe ich meine Vorurteile aufgeschnappt? Warum reagiere ich so, wie ich es tue? Warum beurteile ich Menschen unterschiedlich?

5. Reduktion

Jetzt verfügen wir über das Feingespür, um unsere Unconscious Biases im Alltag bewusst wahrzunehmen. Wir befinden uns also in der Position, unser Verhalten aktiv zu verändern und internalisierte Muster zu unterbinden. Um Biases völlig abzulegen, empfiehlt es sich beispielsweise, den Kontakt zu Gruppen zu suchen, gegenüber denen wir Vorbehalte hegen. Durch die Erweiterung unseres Erfahrungsschatzes überschreiben wir falsche Annahmen, überwinden Unterschiede und finden Gemeinsamkeiten.

Unconscious Bias in der Arbeitswelt #

Auch innerhalb von Unternehmen und Organisationskulturen siedeln sich Biases gerne an. Beispiele dafür sind implizite Normen, Karriere-Barrieren sowie Rollenbilder. Machtstrukturen sind ebenfalls davon betroffen. Dabei bieten die Race, das Alter, das Geschlecht, die Sexualität und das Aussehen eines Menschen den Nährboden für unterschiedliche Vorurteile.

Diese wiederrum wirken sich negativ auf die Arbeitnehmer*innen aus. Festgefahrene Rollenbilder sind mitunter ein wesentlicher Grund, warum Frauen in Führungspositionen weiterhin unterrepräsentiert sind. Dem „Frauen.Management.Report 2022“ der Arbeiterkammer zufolge waren 2022 lediglich 24,7 Prozent der Aufsichtsratmandate in den 200 umsatzstärksten österreichischen Unternehmen von Frauen besetzt. In den Führungspositionen sind sie gerade einmal zu 8,9 Prozent vertreten. Und: Im Global Gender Gap Report 2021 des Weltwirtschaftsforums liegt Österreich bei der Frage der wirtschaftlichen Partizipation von Frauen unter 157 Ländern gerade einmal auf dem 88. Platz. Ein ernüchterndes Ergebnis.

„Im Global Gender Gap Report 2021 liegt Österreich in puncto wirtschaftliche Partizipation der Frau auf Platz 88 von insgesamt 157 Ländern.“

5 Arten von Unconscious Bias #

Geschlechtsbezogener Bias #

Geschlechtsbezogener Bias beschreibt die Bevorzugung eines Geschlechts gegenüber einem anderen – kurz Sexismus. Dieser Bias schlägt auf, wenn wir eine Person aufgrund ihres Geschlechts mit bestimmten Stereotypen assoziieren. Ein Beispiel: Allzu oft heißt es, Frauen seien zu emotional. Deswegen sind wir auch irritiert, wenn wir erwachsene Männer weinen sehen – denn diese werden mit Standhaftigkeit und Stärke in Verbindung gebracht.

Im Recruiting zeigt sich häufig, dass männliche Kandidaten gegenüber weiblichen bevorzugt werden, auch wenn sie ähnliche Fähigkeiten und dieselbe Berufserfahrung haben. Auch der Affinity Bias kommt hier zum Tragen: Wir präferieren Menschen, die uns ähnlich sind. Männer stellen also eher Männer ein, während Frauen eher zu Frauen tendieren.

Bei der Entlohnung werden Frauen ebenfalls systematisch benachteiligt. Der Gender Pay Gap betrug im Jahr 2022 ganze 12,7 Prozent – eine eklatante Kluft, die sich nicht wegdiskutieren lässt. Dieser Prozentsatz ist bereits bereinigt, d.h. die Beschäftigungszeiten wurden bereits miteinander verglichen.

Wie geschlechtsbezogener Bias vermieden werden kann:

  • Geschlechtsneutrale Jobausschreibungen und Einstellungsstandards etablieren, anhand derer die Kandidat*innen bewertet werden.
  • Frauen vermehrt rekrutieren und dazu ermutigen, Führungsaufgaben zu übernehmen.

Altersdiskriminierung #

Von Altersdiskriminierung bzw. Ageism sind vor allem ältere Arbeitnehmer*innen betroffen. Frauen sehen sich beispielsweise ab einem gewissen Alter in Bewerbungsgesprächen mit der Frage nach Schwangerschaftsplänen konfrontiert – obwohl diese Frage eigentlich gar nicht zulässig ist.

Im Recruiting werden ältere Bewerber*innen eher abgelehnt. Im Vergleich zu den „jungen Hupfern“ stuft man die ältere Generation als weniger leistungsfähig ein. „Die sind zu teuer“, heißt es von Arbeitgeber*innenseite. Auf solche Profis zu verzichten, weil Geld gespart werden soll, ist aus Unternehmenssicht allerdings ziemlich ungeschickt. Immerhin können ältere Mitarbeitende jüngere Teammitglieder in ihrer Entwicklung maßgeblich unterstützen. Jahrelange Berufserfahrung und ein breitgefächertes Skillset machen sie zu einem wertvollen Wissensbrunnen innerhalb eines Unternehmens, der angemessen wertgeschätzt werden muss.

Wie Altersdiskriminierung vermieden werden kann:

  • Keine Mutmaßungen anstellen – nur weil Mitarbeiter*innen zum älteren Eisen gehören, bedeutet das nicht, dass sie keine Ahnung von neuen Technologien haben bzw. diese nicht lernen können.
  • Generationsübergreifende Zusammenarbeit fördern, indem ältere und jüngere Teammitglieder regelmäßig in Austausch miteinander gehen.
Frau wird komisch angeguckt

Beauty Bias #

Attraktive Menschen haben es leichter im Berufsleben – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der IZA. Der Begriff für die Bevorzugung und positive Konnotation schöner Menschen lautet „Beauty Bias“.

Im (Arbeits-)Leben werden attraktive Personen häufig freundlicher und zuvorkommender behandelt. Das Gewicht spielt hierbei ebenfalls eine Rolle. Es ist kein Geheimnis, dass schlanke Menschen als „normschön“ betrachtet und damit bevorzugt werden. Kurvigeren Personen wird hingegen oft Faulheit und mangelndes Gesundheitsbewusstsein unterstellt. Die Körpergröße ist ein weiterer Faktor, den man nicht unterschätzen sollte. Gerade kleinere Frauen stehen im Arbeitsalltag unter größerem Druck, sich zu beweisen. Klein = schwach ist scheinbar die Annahme. Umso wichtiger ist es für solche Menschen, sich auf die Füße zu stellen und selbstbewusst zu sein.

Im Recruiting tritt der Beauty Bias zutage, wenn Personalverantwortliche eher dazu neigen Menschen einzustellen, die ihnen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes gefallen. Tatsächlich relevante Kriterien wie Fähigkeiten, Erfahrungen und der Cultural Fit rücken dabei unverhofft in den Hintergrund.

Wie Beauty Bias vermieden werden kann:

  • Im Lebenslauf auf Fotos verzichten, damit der Fokus auf der Qualifikation und Erfahrung der Bewerber*innen liegt.
  • Telefonischer Erstkontakt vor dem richtigen Vorstellungsgespräch, um nicht vom Aussehen beeinflusst zu werden.

Confirmation Bias #

Der Confirmation Bias beschreibt die Tendenz, selektiv nach Informationen zu suchen, die die eigene Meinung und Erwartung unterstreichen. Wenn wir so agieren, schränken wir uns selbst in unseren kritischen und objektiven Fähigkeiten ein. Die Folge: Wir interpretieren Informationen verzerrt oder sogar ganz falsch und lassen alles, was nicht mit unseren Ansichten konform ist, außen vor.

Wenn eine Führungskraft eine inhärente Abneigung gegen bestimmte Mitarbeiter*innen hat, wird sie unbewusst immer wieder nach deren Fehltritten Ausschau halten und Kleinigkeiten aufbauschen. Damit will die Führungskraft sich selbst in der Annahme bestätigen, beim Recruiting die falsche Wahl getroffen zu haben.

Wie Confirmation Bias vermieden werden kann:

  • Das Gespräch mit Kolleg*innen suchen, um andere Meinungen und Sichtweisen einzuholen.
  • Im Bewerbungsgespräch auf standardisierte Fragen zurückgreifen, damit Recruiter*innen nicht in Versuchung geraten, ihre Meinung durch gezielte Fragen zu bestätigen.

Affinity Bias #

Wenn wir Menschen bevorzugen, die mit uns Interessen, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung oder Erfahrungen teilen, ist vom Affinity bzw. Ähnlichkeits-Bias die Rede. Warum wir das tun? Ganz einfach: Wir fühlen uns in der Nähe von Menschen, die uns ähneln, ganz einfach wohler.

Gerade im Recruiting-Prozess kann es passieren, dass die rekrutierende Person sich für eine*n Bewerber*in entscheidet, die Gemeinsamkeiten zu ihr aufweist. Auch hier rücken eigentlich wichtige Kriterien in den Hintergrund, was dazu führen kann, dass die Stelle falsch besetzt wird.

Wie Affinity Bias vermieden werden kann:

  • Unterschiedliche Kolleg*innen in den Einstellungsprozess miteinbeziehen, um den Affinity Bias der Personen untereinander auszugleichen.
  • Der Cultural Fit muss klar definiert und anhand von Beispielen verdeutlicht werden – ansonsten besteht die Gefahr, dass die eigene Meinung die Bedeutung der kulturellen Übereinstimmung beeinflusst.

Noch mehr Input zum Thema Unconscious Bias gefällig? #

Claudia Eder, Head of Brand and Communications, sprach am 6. Oktober 2022 am Female Future Festival Wien darüber, wie Biases unseren (Arbeits-)Alltag beeinflussen. Mehr Infos gibt es hier:

Bitte stimmen Sie unseren Cookie-Richtlinien zu, um dieses Video anzuzeigen.

Zustimmung geben

B schedlberger

Bianca Schedlberger
Content Managerin
Mehr erfahren

  • Beitrag teilen:

Entdecke mehr zu diesem Thema

Was wollen Talente? HR schätzt es falsch ein

Aktualisiert am: 03. Mai 2021 2 Min.

Flexible Arbeitszeiten oder gutes Gehalt – was ist Bewerber*innenn wichtiger? Die meisten Personalverantwortlichen wissen es nicht, wie eine Umfrage zeigt. Denn HR-Manager*innen schätzen den Stellenwert ihrer Angebote völlig falsch ein.

Das Asperger-Syndrom als Superkraft: Warum Autisten eine Bereicherung fürs Team sein können

Erstellt am: 03. Dezember 2019 7 Min.

Die Zusammenarbeit mit Autisten kann herausfordernd sein, denn speziell Menschen mit Asperger-Syndrom ticken in manchen Bereichen einfach anders. Dass das aber kein Nachteil, sondern sogar eine Bereicherung fürs Team sein kann, erklärt Arbeitspsychologin Christa Schirl im Gespräch. Außerdem beantwortet sie uns, wo Autisten einen Vorteil haben, in welchen Berufen sie erfolgreich sind und was man in der Zusammenarbeit beachten muss.

Was macht im Job zufrieden und wer muss für dieses Glück sorgen?

Erstellt am: 24. Mai 2017 3 Min.

Ob es Arbeitnehmern im Job gut oder weniger gut geht, das hängt von zahlreichen Faktoren ab. Aber wer ist für die Zufriedenheit verantwortlich? Der Mitarbeiter selbst oder doch der Arbeitgeber? Für eine Studie wurden Angestellte und Arbeitgeber zum Thema Glück im Job befragt.