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Premium cola unternehmen

Wie ein Unternehmen mit Cola die (Arbeits)welt gerechter machen will

Unternehmenskultur Erstellt am: 10. April 2018 8 Min.

Wenn Uwe Lübbermann vor anderen darüber spricht, wie „sein“ Unternehmen Premium Cola funktioniert, erntet er für gewöhnlich Skepsis bis Unglauben. Keine Verträge, keine Führungskräfte, ein Lohn für alle und außerdem kein Streben nach Gewinn. Das kann doch nicht funktionieren! Doch, und Premium Cola beweist das schon seit 16 Jahren. Wir haben uns mit Uwe unterhalten und nachgefragt, wie eine Organisation funktioniert, wenn keiner tut, was im Lehrbuch steht.

Kein Gewinn, keine Führungskräfte und der Einheitslohn für alle #

Uwe Luebbermann

Uwe Lübbermann, Gründer Premium Cola

Das Hamburger Unternehmen Premium Cola verkauft nicht nur Getränke, die kleine Getränkemarke ist auf einer viel größeren Mission unterwegs. Gründer Uwe Lübbermann sagt dazu: "Unser Betrieb hat nicht den Zweck, Getränke herzustellen und zu verkaufen. Unser Zweck ist es, uns um die beteiligten Menschen zu kümmern. Bekommen wir das gut hin, dann haben wir als Ergebnis Getränke, die wir verkaufen können." Bei Premium Cola läuft also vieles ganz anders. Wie und warum das funktioniert, hat uns Uwe erzählt:

Die Geschichte von Premium Cola begann mit einem persönlichen Erlebnis. Erzähl mal, wie kam es dazu?

Uwe Lübbermann: Ich war Kunde eines anderen Getränkeherstellers und musste eines Tages feststellen, dass mein Lieblingscola plötzlich anders schmeckte. Auch die Koffeinwirkung war nicht mehr da. Anscheinend wurde an der Rezeptur etwas geändert, auf der Flasche war jedoch kein Hinweis darauf zu finden. Für mich war unverständlich, wieso wir Konsumenten, die durch ihre Einkäufe das Unternehmen tragen, so behandelt werden. Das hat mich so geärgert, dass ich zwei Jahre lang versucht habe, mit diesem Unternehmen einen Weg zu finden für mehr Kundeninformation und vor allem Mitbestimmung. Es hat leider nicht geklappt, also habe ich selbst bei einem Produzenten 1000 Flaschen Cola nach alter Rezeptur herstellen lassen.

Für mich war klar: So, wie es bei anderen Herstellern bisher läuft, ist es nicht gut – ich möchte es besser machen. Zu Beginn hatte ich natürlich keine Ahnung von Getränkeproduktion, Logistik, Abrechnung oder Vorschriften. Deshalb habe ich Premium Cola von Beginn an für alle geöffnet: Produzenten, Lieferanten, Spediteure, Gastronomen, Kunden – alle waren eingeladen, an den Tisch zu kommen und ihre Bedürfnisse einzubringen. Wir wollten niemanden haben, der über alle hinwegbestimmt sondern gemeinsam einen Konsens erreichen. Das hat zu Beginn teilweise sehr lange gedauert, da wurde wochenlang über ein Thema gesprochen. Allerdings waren dann auch alle an Bord. Das ist doch viel klüger, als würde eine einzige Person etwas bestimmen, das dann 50 andere betrifft.

Und so funktioniert das bis heute?

Uwe Lübbermann: Seit mehr als 16 Jahren betreiben wir Premium Cola mit dieser Strategie. Alle Entscheidungen werden im Konsens getroffen. In unserem Kollektiv befinden sich mittlerweile rund 1.700 gewerbliche Partner und bis auf wenige Ausnahmen arbeiten wir ohne schriftliche Verträge. Der Gedanke dahinter: Wir möchten nicht, dass einer über dem anderen steht. Ein Vertrag zwingt immer jemanden etwas zu tun, das er vielleicht gar nicht mehr möchte. Ausnahmen gibt es nur bei Dingen wie Zollerklärungen oder Datenschutzregelungen, da geht es nicht ohne Vertrag. Wir fahren gut damit, bis heute hatten wir keinen einzigen Rechtsstreit. 16 Jahre lang mit 1.700 Partnern zu arbeiten, ohne Verträge und ohne Rechtsstreitigkeiten – für mich ein Zeichen, dass dieses Modell funktioniert.

„Ich bin der Meinung, dass 99,5 Prozent der Menschen gut sind. Dann gibt es noch einen sehr kleinen Prozentsatz an Idioten.“

Das bedeutet aber auch, dass ihr keine Arbeitsverträge habt?

Uwe Lübbermann: Wenn wir Arbeitsverträge hätten, dann wäre da sofort wieder diese „Darunter-Darüber-Logik“. Dann gibt es einen Arbeitgeber, der muss dem Arbeitnehmer Arbeitsanweisungen geben - das wollen wir nicht. Wir haben formal drei Betriebe, die keine Mitarbeiter haben, aber als Auftragsgeber für momentan zwölf Menschen im sogenannten Orga-Team fungieren. Für sie gilt: Es gibt keine Anweisungen, keine fixen Arbeitszeiten und keinen fixen Arbeitsort – wir haben gar kein Büro. Natürlich gibt es Hilfestellungen für neue Mitarbeiter aber ansonsten gilt: Jeder arbeitet frei. Das funktioniert natürlich nur mit einem positiven Menschenbild.

Ich bin der Meinung, dass 99,5 Prozent der Menschen gut sind, wenn man ihnen mit Wertschätzung und Respekt entgegentritt. Dann gibt es einen sehr kleinen Prozentsatz an Idioten, die versuchen, das System auszunützen. In 16 Jahren hatten wir nur zwei solcher Personen, alle anderen waren und sind positiv. Würde ich mein System jetzt aber an den Idioten ausrichten – mit Überwachung, Arbeitszeiten, Kontrolle etc. – dann wäre das doch unfair jenen gegenüber, die positiv eingestellt sind.

Zwölf Personen sind im Orga-Team, aber das sind nicht alle Mitarbeiter, oder?

Uwe Lübbermann: Diese zwölf Menschen sehen viele als Kernteam, das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Sie erledigen Aufgaben, die an zentraler Stelle wichtig sind. Anne organisiert z.B. die Logistik und wenn sie das nicht tut, haben wir keine Produkte. Aber wenn der Fahrer nicht fährt, haben wir ebenfalls keine Produkte. Der Fahrer ist also nicht weniger wert, der weiß vielleicht sogar besser Bescheid, weil er seit 30 Jahren mit dem LKW unterwegs ist. Er steht weder über noch unter jemand anderem, er ist als Mensch genauso wichtig.

Die Frage nach unseren Mitarbeitern kann man nicht so einfach beantworten. Direkt von uns bezahlt werden rund 50 Personen, dazu kommen aber all jene, die wir indirekt bezahlen, weil sie aufgrund unserer Tätigkeit Arbeit haben: Der Arbeiter, der beim Abfüller die Flaschen sortiert oder der Lagerarbeiter bei unserem Lieferanten. In einer Wirtschaftswelt, in der wir alle miteinander zusammenarbeiten, möchten wir das Thema „wer ist intern – wer ist extern“ gerne auflösen und keine Unterscheidung treffen. Wir haben rund 1.700 Menschen, die direkt oder indirekt von uns Geld beziehen, das wir wiederum von unseren Kunden erhalten. Das Geld, das wir verteilen dürfen, gehört unseren Kunden und wir müssen damit verantwortungsvoll umgehen: Sozial tragfähige Löhne bezahlen, aber nicht mehr.

„Für mich ist klar, dass Gewinne für Unternehmen eine schlechte Idee sind.“

Stichwort Geld: Ihr zielt nicht darauf ab, Gewinn zu erwirtschaften und bezahlt Einheitslöhne, ist das richtig?

Uwe Lübbermann: Für mich ist klar, dass Gewinne für Unternehmen eine schlechte Idee sind. Erziele ich einen Gewinn, dann ist irgendwo etwas übriggeblieben. Entweder, ich habe meinem Lieferanten zu wenig bezahlt oder meinem Kunden zu viel Geld abgenommen. Mache ich das als Unternehmer und schöpfe diesen Gewinn ab, gebe ich mir selbst wieder eine Position, die über anderen steht. Warum sollte mir das zustehen? Ich bin doch nicht mehr wert als die Personen, die gemeinsam mit mir arbeiten?

„Ich bin nicht wichtiger als Spediteur Michael, Händler Markus oder Buchhalterin Katja.“

Wir haben bei Premium Cola Einheitslöhne für alle, das gilt auch für mein Einkommen. Derzeit sind es 18 Euro brutto pro Stunde. Ein Einheitslohn ist jedoch schnell unsozial, weil Menschen ja nicht einheitlich sind. Deshalb gibt es bei uns Zuschläge für Eltern mit Kindern sowie für beeinträchtigte Personen und für Mitarbeiter, die einen Arbeitsplatz einrichten müssen, denn wir haben ja kein Büro. Dieses System werden wir voraussichtlich um einen weiteren Zuschlag erweitern, sobald wir Menschen haben, die ihre Eltern pflegen. Ich als Inhaber erhalte ebenfalls diesen Lohn. Das ist für einen Geschäftsführer tatsächlich ungewöhnlich, aber so sehe ich mich ja nicht. Ich habe das Unternehmen zwar auf diese Art und Weise gegründet, ohne Leute, die mitmachen, hätte ich jedoch nur eine Idee. Ich bin also nicht wichtiger als Spediteur Michael, Händler Markus oder Buchhalterin Katja.

Wie nimmst du deine Rolle innerhalb der Organisation noch wahr?

Uwe Lübbermann: Es läuft gut, wenn ich nichts anordnen muss und mir bei schwierigen Richtungswechseln gewollt vertraut wird. Wir treffen ja alle Entscheidungen gemeinsam aber wenn wir nicht mehr weiterwissen und die Menschen mir dann die Autorität geben, weil sie das selbst so wollen und mir vertrauen, nur dann sehe ich mich als Führungskraft. Nicht auf einer formalen Grundlage, sondern durch das Wollen der anderen. Meine Rolle speist sich aus ihrem Vertrauen und das ist für mich die beste Art, meine Rolle bei Premium Cola auszufüllen. Auf persönlicher Ebene ist das natürlich ein Traum. Ich komme mit dem Einheitslohn prima aus, kann arbeiten, wo und wann ich will, und habe das Gefühl, mich mit einer sinnvollen Tätigkeit weiterzuentwickeln.

Diese Art der Führung kann jedem weitervermittelt werden, dann ist es gar nicht notwendig, selbst Anweisungen zu geben. Werde ich um Rat gefragt, dann antworte ich – wenn gewünscht – mit einem Vorschlag, aber immer mit dem Zusatz: „Überlege, was die gleichwürdigste Lösung für alle Beteiligten wäre. Daran kannst du dich orientieren.“ Ich denke, jede Organisation benötigt eine klare Richtung, aber die nächsten Schritte müssen diskutierbar sein. Gerne vergleiche ich das mit einer Reise auf dem Segelboot: Das Ziel und die Richtung müssen klar sein. Wie die Reise aussehen wird, hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab: Vom Wetter, meiner Besatzung und dem Material. Man muss sich immer auf den aktuellen Stand einstellen und das ist kein Problem, solange allen das gemeinsame Ziel klar ist.

Über Uwe Lübbermann #

Uwe Lübbermann gibt sein Wissen über die Art und Weise, wie Premium Cola arbeitet und sich organisiert, laufend an andere Unternehmen weiter. Neben seinen Vorträgen begleitet und berät er interessierte Organisationen auch ganz individuell.


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